Korsakow: Demokratische Filmvorführungen

Seit einer Weile nun beobachte ich was die Korskow-Leute mit ihrer Form des Hypervideo so treiben. Gerade eben stieß ich auf einen Beitrag, in dem die Zuschauer einer Filmvorführung per Laser-Pointer über den Verlauf des Films abstimmen. Die gleiche technische Idee einer solchen demokratischen Filmvorführung bzw. Single Display Groupware hatte ich in meiner Diplomarbeit 2008 an der Universität Ulm realisiert. Hier ein paar Auszüge aus der Schrift:

Die gemeinsame Anteilnahme an den Vorführungen der Filmtheater ist bis heute ein fester Bestandteil der Filmkultur. Auch das Aufkommen der ersten Fernsehgeräte, mit denen man auch schon zwischen
verschiedenen Sendern hin und her wechseln konnte, änderte nichts an der Vorliebe des kollektiven Filmerlebens, wenngleich sich nun die Beteiligten auf einen Sender einigen mussten. Im Kino entging man dieser Entscheidungsfindung durch die Schaffung mehrerer Vorführungssäle, während beim Fernsehen im heimischen Wohnzimmer meist nur ein einziger Fernseher zur Verfügung stand. Der tschechische Regisseur Radúz Çinçera bot seinem Kinopublikum eine vergleichbare Situation, in der die Zuschauer durch Abstimmungen per Handzeichen mehrmals zwischen zwei verschiedenen Versionen eines Filmes wechseln konnten. Çinçera führte diesen Film mit Namen „Kinoautomat:
One man and his Jury“ bereits 1967 auf und gilt damit als Erfinder des interaktiven Films [39]. Bemerkenswert ist, dass die von Çinçera inszenierte Interaktivität auf dem demokratischen Grundsätzen einer freien und gleichen Wahl beruhte. Nicht weniger demokratisch realisierte – mehr als 20 Jahre später –
die Firma Cinematrix ihre kollaborativen Computerspiele. Die Firmengründer Loren und Rachel Carpenter präsentierten 1991 auf der SIGGRAPH und drei Jahre später auf der Ars Electronica [26] diese interaktiven Computerspiele, die vom Publikum durch zweifarbige, „passive Reflektoren“ gesteuert wurden
[47]. Für diese Art von Anwendungen etablierte sich im Forschungsbereich Computer Supported Collaborative Work der Name Single-Display Groupware (SDG) [83]. Bezeichnend für SDG ist die unmittelbare Anwesenheit der beteiligten Personen, die sich eine einzelne Anwendung miteinander teilen und
gleichzeitig bedienen, während die Ausgabe auf einem einzigen Display – respektive Ausgabegerät – erfolgt. Die Wiedergabe von Hypervideos erscheint, angesichts der Parallelen zum Film, als geradezu prädestiniert für eine Realisierung als Single-Display Groupware.

Mit dem Entwurf einer SDG möchte ich das gemeinschaftliche Filmerleben mit der Interaktivität der Hypervideos vereinen und auf die Bildfläche des home cinema transferieren. Die Idee für die SDG besteht nun darin, dass bei einer Hypervideo-Vorführung jeder Anwesende einen Laserpointer ausgehändigt bekommt, mit dem er nach belieben Hyperlinks im laufenden Film anvisieren kann. Sobald ein gewisser Anteil der Zuschauer gleichzeitig auf einen Link zeigt und der für den Link bestimmte Mindestanteil erreicht ist, wird er aktiviert. Die kollaborative Entscheidung einem Verweis zu folgen soll sich weitestgehend an den demokratischen Wahlrechtsgrundsätzen orientieren, wonach eine allgemeine (alle Anwesenden betreffenden), unmittelbare, freie, gleiche, transparente und geheime Abstimmung anzustreben ist. Der Grundsatz der Geheimhaltung ist angesichts des gewählten Eingabegerätes am schwierigsten zu wahren.

(N. Seidel (2008): Web-basierte Hypervideo-Produktion. Diplomarbeit. Institut für Medieninformatik. Universität Ulm.)

Realisiert hatte ich das ganze damals mit der inzwischen in Vergessenheit geratenen Programmiersprache haxe. Herausgekommen ist ein Prototyp, mit dem man die Hypervideo-Realisation von Pulp Fiction ansatzweise vorführen konnte. Die Schwachstelle bestand in den Laser-Pointern, die ein zu schwaches Lichtsignal im Verhältnis zum Licht der Bildprojektion hinterließen.

Korsakow heute

Vorlesungen morgen?
Das Setting im obigen Video deutet bereits in die Richtung der universitären Lehre. Dann jedenfalls, wenn der Dozent gerade nicht kann und sich durch eine Aufzeichnung vertreten lässt, könnten sich die Studierenden durch das ein Geflecht aus Lernvideos bewegen. Auf diese Art und Weise könnte sie darüber abstimmen, einen Teil der Vorlesung noch einmal anzuschauen, zu vertiefen oder zu überspringen. Ob dann allerdings die Mehrheit immer Recht haben sollte, ist fraglich. Sicherlich bedarf ein solcher Ansatz der Einbindung eines Tutoren, der Fragen aufgreift und ggf. in die Videosteuerung eingreift.

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