Auf der Konferenz digitale_kultur hatte ich am Montag das Vergnügen einen Vortrag von Kathrin Passig über die Zukunft und Gegenwart des Schreibens zu hören. Eine ihrer Thesen war es, das wir inhaltliche Unterstützung beim Schreiben bekommen, aber vielleicht nicht unbedingt ersehnen werden.
Textverarbeitung und Editoren unterstützen uns dabei, Rechtschreib- und Interpunktionsfehler zu vermeiden. Auch grammatikalische Fehler und Synonyme identifizieren Tools wie Gramerly oder Aspell. Metriken zur Berechnung der Lesbarkeit für das Formulieren »leichter« oder »einfacher« Sprache warten auf ihren Einsatz im Texteditor. Übersetzungen erledigt DeepL oder Google Translate. Für Drehbuch- und Romanautoren gibt es Schreibwerkzeuge wie Scrivener, die es erlauben inhaltliche Beziehungen von Orten und Personen zu visualisieren und einen kreativen Umgang mit Notizen und Annotation zu finden. Mit Scrivener hatte ich vor etwa 10 Jahren schon begonnen meine Diplomarbeit zu schreiben, um nach der Hälfte der Zeit die Ergebnisse in LaTeX weiterzuentwickeln. In einigen medizinischen Dokumentationswerkzeugen finden sich hingegen Tools, welche die Eingabe und von Diagnosen durch Angebote von Textbausteinen vereinfachen. An einer schweizer Fachhochschule hatte man mir vor einiger Zeit auch den Thesis Writer als ein Werkzeug nahegelegt, um die Schreibprozess von Abschlussarbeiten durch festgelegte inhaltliche Einheiten und Textbausteine zu normieren.
In der Informatik kennen wir Unterstützungsfunktionen schon sehr lange aus den Entwicklungsumgebungen und Code-Editoren, die auf Kommando Eingabeoptionen für Methodenaufrufe, initialisierte Variablen und Rümpfe für Datenstrukturen anbieten und auf Wunsch einfügen.
Eine relative neue Variante der Textproduktion stellen für mich Werkzeuge wie Python Notebook und R Markdown dar. Sie ermöglichen es, anders wie LaTeX, Programmcode für Berechnungen und Datengrafiken direkt in den Textfluss einzufügen und per Knopfdruck zu rendern. Man könnte auch sagen, dass sie das Prinzip der Code-Kommentare umkehren. In einem Notebook programmiert man etwas zum Geschriebenen dazu, während man im Code etwas zum Programmierten in natürlicher Sprache schreibt.
Den aufgezählten Beispielen ist gemein, die kognitiven Fähigkeiten des Menschen zu unterstützen. Dort, wo uns die Aufmerksamkeit, Ordnung oder Kreativität fehlt, erhalten wir korrekte Hilfestellungen und Hinweise. Routineeingaben werden durch Empfehlungen ersetzt. Das was, der Mensch nicht zeichnen oder berechnen kann, wird durch Code vom Computer umgesetzt. Friedrich Hesse hat dafür den Begriff der Cognitive Interfaces geprägt. Es handelt sich dabei um eine Schnittstelle zwischen dem Menschen als Anwender und dem Computer als Mediator von Anwendungen und Diensten im WWW. Rechenkapazität, Speicher, Sensorik und Ausgabe eines Rechners werden dazu eingesetzt, die begrenzten kognitiven Kapazitäten des Anwenders auf individuelle Weise zu erweitern. Diese Systeme unterstützen die menschliche Kognition zum einen durch die Selegierung relevanter Informationen, die in geeigneter Weise dargestellt werden. Zum anderen übernehmen mobile Systeme als virtuelle Kollaborateure kognitive Aufgaben, die dem Anwender zu viel Zeit oder Anstrengungen kosten oder ihn von den aktuell wichtigen Aufgaben abhalten.