Yeah, heut schon um 13 Uhr Schulaus. Schnell noch nach Hause telefoniert und dann mit Pia den Talkessel in Richtung Saqsaywaman erklommen. Wir hatten uns vorgenommen die vier wesentlichen Inka-Stätten (Saqsaywaman, Q’enqo, Pukapukara, Tambomachay) um Cusco mit dem Pferdchen zu besuchen. Seit dem ich auf der Krim einen klapprigen Touristengaul gequählt hatte, wollte ich dies eigentlich bleiben lassen, doch jene hier sahen kräftig aus und ich traute ihnen einiges zu. Besonders motiviert schien sie dann aber doch nicht zu sein, denn unser kleiner Quechua-Begleiter musste öfters mit einem Gürtel auf sie einschalgen. Mir war das unangenehm, zu dem fragte er ständig, ob wir nicht im Galopp reiten wollten (damit er früher Feierabend haben konnte). Natürlich nicht. Ruhig und gediegen zuckelten wir durch die abendliche Landschaft, immer weiter hinauf, bis nach Pukapukara. Von da an sollten wir laufen.(das Ende vom Lied gibts bald)

Eine der tiefen Gassen Cuscos

Der Plaza de Armas in CuscoWährend der nächsten beiden Tage hatten wir uns vorgenommen per Rad das heilige Tal der Inka zu durchfahren, d.h. von Pisaq über Urumbamba bis nach Ollantaytambo inklusive einens Abstechers nach Chinchero. Wir suchten also nach brauchbaren Drahteseln. Eigentlich sollten nur die Räder gut drehen, die Bremsen funktieren und die Sattelhöhe stimmen, doch ich staunte nicht schlecht über wackelige Bremsscheiben und dauergebremste Laufräder. Die Ausreden für diese Defekte waren ebenso lächerlich, wie die Anstrengungen selbige zu beheben. Schlussendlich habe ich die Bremsen eingestellt und das schräg laufende Rad justiert. Die eigentlichen Spassnehmer offenbarten sich erst während der ersten Kilometer. Das Hinterrad schliff wieder an der Kettenstrebe und der Bremszug am Mantel. Aluspäne der Felge bohrten sich zwei mal in den Schlauch, eine Pedale habe ich mehrmals verloren und zu alle dem, schauckelte die Hinterradnabe. Die 8 km Abfahrt nach Pisaq wäre ein Genuß höchster Geschwindigkeit, wenn da nicht dieses Misstrauen gegenüber dem Rad gewesen wäre. Rein optisch sahen die Räder gut aus, doch im Allgemeinen würde ich niemanden empfehlen in Cusco ein Rad auszuleihen, um jenseits des Plazas zu fahren. Nun gut, wir waren nahe dem Rio Urumbamba und vor uns lagen noch 60 km Straße.

Pia und ihr “Fahrrad”

Der Marktplatz von Pisaq [T e x t ü b e r P i s a q]
Ein Condor und (wahrscheinlich) ein Falke kreisen über Pisaq
Terrassen von Pisaq


Der Plaza de Armas in Urumbamba. Es war bereits dunkel, als wir Urumbamba erreichten. Ein Hotel fand sich schnell, ein Restaurant jedoch nicht. “Lonely Planet” empfahl an diesem Ort nur Bars. Die einzigste Beköstigungsstube, die wir fanden, servierte primitive Gerichte. Die Suppe mit ganzen Hühnerfüßen sah wundersam aus. Im Haupgang gab’s den Rest des Vogels mit Kartoffeln, Reis und etwas grüner Beilage samt Tomate. Es hat nicht schlecht geschmeckt, doch frage ich mich jetzt, warum wir als “Nachtisch” eine Tasse heißes Wasser bekammen? Pia verbrachte die halbe Nacht damit, das Essen in irgend einer Richtung aus sich heraus zu bringen. Selbst am Morgen ging die Übelkeit nicht vorrüber und eine Kohletablette half auch wenig gegen den Durchfall. Sie tat mir leid, denn vor lauter Unwohlsein war der Tag futsch, und dabei hatte sie sich so auf Ollantaytambo gefreut. Ich fuhr zunächst allein nach Chinchero, doch als ich Mittag zurückkehrte hatte sich ihr Magen noch nicht beruhigen wollen, so dass ich sie nur noch zum Bus nach Cusco begleiten konnte.

Auf dem Markt in Chinchero. Ebenso wie in Pisaq, gibt es in Chinchero einen sonntäglichen Markt, der sich allerdings noch ein Stückweit seiner Natürlichkeit bewahrt hatte. Es werden also in erster Linie Waren des täglichen Bedarfs angeboten, die nicht jedem Touristen schmecken wollen. Innereien, in Salz eingelegter Fisch, vergohrener Mais, eine der schärfsten Chilisorten der Welt (Habaneros) und allerhand frisch zubereitetes Essen. Hauptsächlich boten die Händlerinnen (kein einziger Mann!) Obst, Gemüse, Kräuter, Schnittblumen und natürlich die gewinnbringenden AlpacaPonschoArmbandTaschenDeckenPanflötenMützen feil. Ich schaute mehr nach dem Obst und Gemüse, stets auf der Suche nach Unbekannten, dessen ich mich dann auch erkundigte. Mit Verwunderung stellte ich fest, dass es mindestens ein halbes dutzend Sorten Avokados gibt und Popkorn über 10 cm groß sein kann. Ich kaufte Niesbeeren und Tunas (Kaktusfrüchte), sowie Chilis und Avokados. Etwas oberhalb der Ortschaft finden sich weit in die Landschaft hinausragende Terrassen und Überreste eines Versammlungsortes aus der Inkazeit. Ein angehender, junger Touristenführer aus Cusco wies mich auf ein paar Details hin, die mir so nicht aufgefallen wären.

Die Frau verkauft vergohrenen Mais – schmeckt ein wenig wie der russisch-ukrainische Quas.
Gemüse und Kräuter. Es war inzwischen heiß geworden. Nachdem ich Pia am Bus verabschiedet hatte setzte ich mich in den nächstbesten Minibus, der Richtung Ollantaytambo verkehrte. Ich schlief die Fahrt über. Auf dem dortigen Plaza de Armas (den gibts in jeder Stadt) wimmelte es bereits von Reisegruppen. Je mehr ich mich ‘gen Ruinen bewegte, desto augenfälliger wurden sie.[ e t w a s ü b e r d i e G e s c h i c h t e d e s O r t e s ]
Ollantaytambo
Ein Stück Ruine in Ollantaytambo
Blick auf die einstige Inkafestung Ollantaytambo.Hinter einem Torbogen deutet sich ein Weg zur Bergspitze an. Ich folgte ihm und stand plötzlich weit über den Ruinen, ahnte jedoch nicht, dass weiter oben noch weitere Steinmauern existierten. Ein Aufpasser gab mir dann von unter ein paar Zeichen, dass ich nicht weiter klettern solle – der Aussicht wegen, wäre ich gern noch weiter empor gestiegen.


Die Markthalle in Urumbamba. In Urumbamba schlenderte ich noch ein wenig durch die verkommenen Häuserreihen und durchquerte zwei große Markthallen, um mir einen frisch gepressten Saft (Rote Beete + Banane + Organge + Ananas) zubereiten zu lassen – lecker solang kein Wasser beigemengt wird.









Nach knappen drei Stunden legten wir ab und gegen 15 Uhr gelangten wir zurück nach Puno, wo ich zugleich ein Ticket für einen frühen Bus besorgte. Dieser wurde jedoch nicht gleich voll, weshalb wir in der nächsten Stadt so lang rumstanden, bis der Busfahrer mit seinen ”A Cusco”-Geschrei den Bus voll hatte. Nach dutzenden Zwischenstopps kam ich gegen 1 Uhr völligst gerädert in Cusco an.
Abermals kann ich mein Spanisch testen und mich nachher ärgern, was ich falsch gesagt habe. Ich versteh, wann es essen gibt und was so über’n Tag zu ansteht.
Zunächst gab’s Mittagessen: als Vorspeise eine fade Suppe mit Kartoffeln und Ei drin. Dann einen Teller mit vier verschiedenen Sorten Kartoffeln und einem Tunfisch-Zwiebel-Brei. Es hat alles recht gut geschmeckt, wenngleich ich nicht hätten sehen wollen, unter welchen Umständen es zubereitet wurde. Die Küche glich einem Erdloch mit Feurstelle. Fließend Wasser gab es sowie so nicht und Strom ausschließlich aus Batterien. So liefen beispielsweise ein paar Kinder mit einem Ghetto-Blaster entlang – eine trug eine Musikbox und zwei eine große Autobaterie.
Wir trafen die anderen auf dem Plaza – sechs Schwaben, zwei Däninnen, zwei Kanadier und ein Engländer. Alle saßen sie schon mit uns in einem Boot und jetzt sollten wir gemeinsam ein paar Inka-Ruinen bestaunen. Es dauerte nicht lang, da verfolgte uns ein Trupp musizierender Kinder. Die Musik war schön, doch gleich hielten sie ihre bunte Mütze für ein paar Doller auf.
Einzig die schneereichen Gipfel der bolivianischen Cordilleren und die umgebende Szenerie, erinnerten mich daran, wo ich hier gelandet bin. Es war bereits dunkel, als wir uns mit einem Coca-Tee die Hände gewärmt hatten und den “compra” (kauft) rufenden Frauen mit ihren Alpaka-Mützen, -Pullovern, und -Decken entkamen. Fast im Tal angelangt, erschienen mehr und mehr Kinder und fragten nach Dollern. Dieses dreiste und unbegründete Betteln hat uns ganz schön genervt. Wer solchen Bestrebungen nachgibt sollte sich zweier Dinge bewusst sein: (1) Geld für’s Nichtstun verdirbt die Arbeitsmoral (Pavlov) und (2) hilft eher den (zum großen Teil alkoholabhängigen) Vätern. Nachdem uns vor dem Mittagessen der Gastvater mit seiner Frau einen Besuch abstattete, um uns drei Mützen und fünf Freudschaftsbänder zu verkaufen, erschien nach dem Abendesse (Suppe+Reis mit Bohnen) der älteste Sohn mit seiner Panflöte. Ich wollte mich weitestgehend mit ihm unterhalten, doch er kam nur, um uns ein paar Soles wegen, ein Ständchen zu spielen. Wie schade, die Natürlichkeit blieb abermals auf der Strecke. Für den Abend hat man uns alle zum Tanz ins Gemeindehaus eingeladen. Es gab auf der Insel neun Gemeinden mit je 12 Familien. Mit einer dachten wir dort zu feieren, aber es waren abgesehen von den Musikanten nur Touristen da, die Ringelreihe zur Musik umhersprangen. Ich hätte glaub ganz bisschen Alkohol gebraucht, um mich diesem Treiben hingeben zu wollen. Wir glaubten uns im falschen Film. Unser Gastvater war inzwischen irgendwie und irgendwo besoffen geworden. Einem von uns gings wegen des Essens schlecht. Naja, wir plauderten amüsiert bis 10 Uhr, dann war Zapfenstreich, dass heißt, es wurde Zapfenduster – die Gaslampe wurd’ ausgemacht und wir standen da, mit Ponchos behangen und von bunten Mützen bedeckt. Die mit mir gereisten waren jedoch sehr interessante Gesprächspartner. Die Deutschen hatten teils bereits ein Voluntariat in Peru hinter sich, bzw. waren noch dabei. Einer bereitete sich in Arequipe auf seine Diplomarbeit bei einem Stromversorger vor. Ich befand mich also unter Gleichgesinnten. Mit David habe ich auf’m Zimmer noch sehr lang über China gesprochen.

Nach dem bezaubernden Sonnenaufgang wollte ich mir Puno ansehen und sprang deshalb auf eine der vorbeifahrenden Rikschas auf. Der arme Kerle hatte keine Schaltung am Rad und begann kurz vor dem Plaza de Armas an zu schieben, weshalb ich sogleich absprang und ihm einen Soles mehr gab. Freundlich zeigte er mir den gesuchten Geldautomaten. Unmittelbar davor hatte, in Pappe gehüllt, eine Mutter mit ihrem Kleinkind die kalte Nacht verbracht. Ein paar Meter weiter schlief ein Mann zwischen den Kirchenmauern. Ich fühlte mich unwohl und gänzlich asozial, als ich 300 Soles aus dem Automaten zog und ihnen vor lauter 50er-Scheinen nichts zu essen kaufen konnte (soviel können die meistens nicht wechseln). Auf dem Berg schallte ein Feuerwerk und unterbrach die offenbar freudige Musik einer Blaskapelle. Viele Leute tanzten zur Musik. Lange Zeit lief ich durch die eintönige Stadt, deren Häusern man nicht ansehen konnte, ob sie sich noch im Bau befinden oder bereits wieder verfallen. Zahlreiche Hunde schwänzelten durch die Straßen und machten ihre Pfützen ebenso, wie ihre scheinbaren Herren. Eine Reihe von Straßen verwandelte sich in einen zunehmens geschäftigen Markt. Souvenierfrei boten die Händler allerhand nützliches und essbares an. Werkzeuge, Rohre, Gummi, verschiedene Früchte und wunderbar duftende Blumen (Sonntag war ja Muttertag) an. Zwischendrin entstand eine Suppenküche, an der sich sogleich ein gutes Dutzend Leute zum Frühstück einfanden.
Die Sonne stieg schnell hinauf und es wurde heiß. So langsam sollte mein Boot ablegen. Vom Geruch und Dreck der Stadt hatte ich soweit genug, dass ich mir Sonntags höchstens noch das Coca-Museum ansehen würde.