Rechtes Land überblicken

Delikte rechtsextremer Gruppen werden oftmals nur vereinzelt wahrgenommen. Das gesamte Ausmaß an Gewalttaten, Volksverhetzung, Aufmärschen und Übergriffen lässt sich nur schwer überblicken. Viele der Meldungen erscheinen nur in regionalen Zeitungen oder in einschlägigen Foren/Blogs/Portalen. Politikern kommt das oft gelegen, um die Existenz der Rechten Szene klein zu reden.

Der Versuch all diese Vorgänge auf lokaler Ebenen aufzuzeichnen und auf interaktiven Karten zu verankern unternehmen Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum e.V.

Diese Form des Datenjournalismus ist längst überfällig. Die Oberlausitz ist dahingehend alles andere als ein weißer Fleck auf der Landkarte der rechtsextremen Auswüchse. So manch ein Bürgermeister wird beim Anblick der fertigen Karte in Erklärungsnöte geraten. An dieser Stelle sie noch mal auf die Chronik rechter Gewalt von AMAL verwiesen.

 

Rechtes Land – startnext.de.

Abgeordnetenwatch startet für Sachsen

Nachdem ich just 2012 zu Spenden für die Aufnahme des Sächsischen Landtages bei Abgeorndtenwatch geworben hatte, habe ich nun den Start verschlafen. In den Medien ist es zum Glück nicht untergegangen.
Damals im Mai 2012 fehlten noch 1800 Euro. Nach einem dreiviertel Jahr wurde das Geld nun eingespielt. Teil des Angebots ist eine Auflistung der Lantagsabgeordneten inklusive deren Mitgliedschaft in Ausschüssen und Abstimmungsverhalten ausgewählter Entscheidungen.
Ich freue mich, dass das Angebot seitens der Bürger bereits angenommen wurde. Die aktuellen Fragen drehen sich um:

  • die Verantwortung für die Pleite der SachsenLB;
  • den Stellenabbau bei der Polizei;
  • den Rückgang der Bevölkerungsanzahl / Landflucht / demographischer Wandel;
  • Lohnangleichung zwischen Ost und West;
  • die sächsische Ehrenamtskarte.

Da sich  Abgeordnetenwatch noch nicht aus staatlichen Geldern finanziert, bedarf es weitere Spenden zur Aufrechterhaltung des Angebots.

Oststerne

Mit dem Jahreswechsel verlor nicht nur mein oberlausitzer Heimatdorf Berthelsdorf seine Eigenständigkeit, sondern auch die universitäre Einrichtung im südöstlichen Zipfel Sachsens, an der ich arbeite und forsche. Die Gemeinde Berthelsdorf ist nun ein Ortsteil des weltbekannten Städtchens Herrnhut, genau wie das Internationale Hochschulinstitut (IHI) Zittau nun eine Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung der ebenso weltbekannten und exzellent betitelten TU Dresden geworden ist.

Beide Eingliederungen sind eine Ironie der Geschichte. Herrnhut selbst wurde 1722 auf Berthelsdorfer Grund und Boden gegründet (Korschelt 1852, S. 96) und hatte es bereits 100 Jahre später an Bedeutung übertroffen. Jetzt, nach 290 Jahren hat das Städtchen in einer Ödipus-Manier ihren Vater einverleibt. Das IHI Zittau verschaffte dem Hochschulstandort Zittau 1993 das Promotions- und Habilitationsrecht, welches die 1988 gegründete Technische Hochschule Zittau nach zwei Jahren ihrer Existenz, im Zuge der Deutschen Einheit, schon wieder verloren hatte. Die einstige Technische Hochschule Dresden und heutige TU hat damit per Gesetz ihre Schwestern-TH in der Oberlausitz „geschluckt“. Das IHI ist damit vielleicht die am weitesten entfernte Außenstelle einer deutschen Universität (126km), wenn man einmal von den fern- und nahöstlichen Zweigstellen absieht. Trotz aller Übernahmen, Fusionen und Zusammenlegungen liegt das Positive vielleicht in der Summe der Teil, die das Ganze übertreffen. Ernst F. Schumachers Leitsatz „small is beautiful“ (Claim des IHI) ist zumindest im demographisch gewandelten Sachsen passé.

Die Idee, Strukturen bzw. Organisation zusammenzuschließen lässt sich jedoch auf die Beziehungen der Menschen übertragen. Wenn sich Menschen mit gemeinsamer Heimat in einem Netzwerken zusammenschließen und ihre spezifische Kultur pflegen und sich in der Diaspora bzw. im freiwilligen Exil gegenseitig unterstützen, dann kann daraus ein positiver Effekt für den Einzelnen und eine positive Rückkopplung für die Region entstehen. Dem Südtiroler Beispiel der Südsterne folgend, könnte das dann so aussehen:

Oststern*

Oststern ist das Netzwerk der Oberlausitzer im Exil und unterstützt die Kommunikation und Netzwerkbildung unter Oststernen.

 

Die Idee zu Oststern wurde im Sommer 2012 geboren. Immer mehr Oberlausitzer haben nach dem Studienabschluss erste berufliche Erfahrungen außerhalb ihrer Heimat gesammelt. Zwar waren diese Oberlausitzer immer noch durch Familie und Freunde an die Region gebunden, hatten aber kaum die Möglichkeit berufliche und private Interessen mit ähnlich gesinnten Oberlausitzern im Exil zu teilen und den Kontakt zur Heimat zu stärken.

 

Oststern – Das Netzwerk der Oberlausitzer im Exil fördert den branchenübergreifenden Gedanken- und Erfahrungsaustausch berufstätiger Oberlausitzer im Exil. Oststern unterstützt Oststerne im beruflichen und privaten Alltag und fördert deren Erfolg und persönliche Weiterentwicklung.

 

Gegenseitige Hilfestellung, Eigeninitiative, Freude an der Sache, Flexibilität, Schnelligkeit und Spaß sind Grundwerte des Netzwerkes, das auf dem Prinzip von Geben und Nehmen aufbaut.
Oststern bezieht seine Homogenität aus den gemeinsamen Wurzeln der Mitglieder und lebt von deren Verschiedenartigkeit. Oststern versteht sich als Nährboden neuer zukunftsweisender Ideen und Kontakte, als Know-How-Träger und –vermittler.

 

Oststern befürwortet den Gang ins Exil, schafft interessante Anknüpfungs- und Verbindungspunkte für Exil-Oberlausitzer und erleichtert bei Bedarf den Weg zurück durch ein Netzwerk von Förderern und Ansprechpartnern.

Ich halte eine solche Idee in der Oberlausitz für umsetzbar. Technisch wäre dies ein Social Network Plattform. Im Unterschied zu Facebook & Co ist das Netzwerk für Akademiker bestimmt, die von anderen Südsternen eingeladen bzw. empfohlen werden.

Görlitzer Kreistag mauert sich ein

Eine Mehrheit aus CDU, Freie Wähler und FDP entschied sich am 18. Juli im Görlitzer Kreistag gegen eine Videoübertragung der Sitzungen. Landrat Bernd Lange mauert sich mit seiner Fraktion vor den Bürgern ein und begründet dies lapidar mit hohen Kosten. Lange meinte sogar, die Tageszeitungen würden genügend Transparenz herstellen. Andere pflichteten bei, die in Teilen des Landkreises wäre die “Netzqualität” ohnehin zu schlecht, um Videoaufzeichnungen zu verfolgen. Solche Sachzwänge lassen so leicht widerlegen, wie die Informationsdefizite auf Kreisebene zu belegen sind. Doch noch einmal der Reihe nach.

Das vermeintliche Argument hoher Kosten

Aus Erfahrung weiß ich, dass sich die Anschaffungskosten für eine Videoaufzeichnung und Distribution auf unter 1000 Euro belaufen. Alles was man dafür benötigt ist einen schlanken Laptop (~ 300 €), eine HD-Web Cam (100 €) und eine Software für die Live- und Demand-Übertragung (z.B. Adobe Connect, “Shared Server” Lizenz mit “named Server” und SSL: 524 Euro).

Die Transparenz durch Tageszeitungen?

Es gibt im Kreisgebiet leider nur eine flächendeckende Tageszeitung, von der man leider nicht behaupten kann umfassend über das Geschehen im Kreistag informiert zu werden. Überdies haben die Lokalredaktionen ebendieser Zeitung ihre persönlichen, inhaltlichen und politischen Präferenzen und Ansichten. Das ist nicht weiter verwunderlich, doch angesichts mangelnder Vielfalt nicht das, was eine demokratische Gesellschaft zur Meinungsbildung benötigt. Die Frage nach Transparenz im Kreistag ist deshalb im Kreis Görlitz von besondere Bedeutung, um die schwach ausgeprägte Medienlandschaft zu kompensieren. Dabei geht es in erster Linie um die ausreichende Informationen zur politischen Meinungsbildung und noch nicht einmal um die Partizipation der Bürger an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen.

Mangelnde Netzqualität?

Angesichts einer desolaten Infrastruktur das Recht auf Meinungsbildung abzusprechen, ist undemokratisch. Außerdem verfügt doch zumindest ein Großteil der Bürger im Kreis Görlitz über einen ausreichend schnellen Internetzugang. An der Verbesserung der Situation arbeiten Kommunen, der Kreis und das Land. Aus technischer Perspektive könnten Downloads vergangener Sitzungen als Ergänzung zu den Live-Übertragungen angeboten werden. Selbst mit einem mageren ISDN-Anschluss könnte man sich innerhalb von wenigen Stunden eine mehrstündige Aufzeichnung herunterladen.

Fazit

Es genügt eigentlich schon ein Blick in den Nachbarkreis Bautzen, wo Bürger ein zumindest die Ergebnisprotokolle der Kreistagssitzungen online einsehen und durchsuchen können. Ergänzt durch eine Suchfunktion Das Kreis Görlitz begnügt sich mit einem Sitzungskalender, aus dem nicht einmal hervorgeht, über was an dem Termin verhandelt wird. Im Hinblick auf Transparenz und Ermöglichung politischer Teilhabe könnte Kreistag Görlitz kaum höher mauern als er es jetzt schon tut. Transparenz und Zugang zu Informationen sind die Voraussetzung für die Teilhabe am politischen Geschehen und Grundbestandteil einer Zivilgesellschaft. Die Politik auf Kreisebene ist für den ansässigen Bürger oftmals unmittelbar bedeutsamer als jene Entscheidungen des Landtags oder der Bundesregierung. Die Sächsische Zeitung allein als Sprachrohr des Kreistags vorzuschieben grenzt an Meinungszensur.

Sachsen, Schlesien, Oberlausitz und doch Europa

Aktuell läuft eine Online-Petition gegen das in der Sächsichen Verfassung benannte “schlesische Gebiet” innerhalb Sachsens. Untermauert wird diese Formulierung durch die Gleichberechtigung der schlesischen Farben (gelb/weiss) und des schlesischen Wappens in eben diesen Gebieten.

Was steht in der Sächsischen Verfassung bezüglich Schlesien?
In der Präambel:

Anknüpfend an die Geschichte der Mark Meißen, des sächsischen Staates und des niederschlesischen Gebietes, gestützt auf Traditionen der sächsischen Verfassungsgeschichte,
ausgehend von den leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer und kommunistischer
Gewaltherrschaft, eingedenk eigener Schuld an seiner Vergangenheit, […], hat sich das Volk im Freistaat Sachsen dank der friedlichen Revolution des Oktober 1989 diese Verfassung gegeben.

Die Formulierung der Präambel ist in der Tat etwas verwirrend, denn die drei Staatsgebilde existierten nicht gleichzeitig.
Mit “Mark Meißen” ist die Markgrafschaft Meißen gemeint. Sie erstreckte sich im 11. Jahrhundert sehr wohl auch auf das Gebiet der heutigen deutschen Oberlausitz. Etwas unklar ist die Erwähnung eines “Sächsische Staates”. Das sächsische und Fürsten-, Kurfürstentum und Königreich war bis 1918 ein souverainer Staat. Wesentlich bedeutsamer für den heutigen Freistaat ist sein Ursprung als Freistaat in der Weimarer Republik. Zwischen 1934 und 1945 sowie zwischen 1952 und 1990 existierte der Freistaat Sachsen nicht. Bei der Neugründung 1945 kam ein Teil Niederschlesiens zu Sachsen, während der östlich der Neiße gelegene Teil der Oberlausitz an Polen ging.
Die heutige Argumentation, dass aus die Erwähnung Niederschlesiens auf die heute polnischen Ländereien anspiele, trift analog auf die Oberlausitz zu. Wer von der Oberlausitz redet, könnte sich auch auf den polnischen Teil zwischen Neiße und Queiß beziehen. Eine Berufung auf die Oberlausitz in der Präambel der Sächs. Verfassung hätte den selben revisionistischen Beigeschmack wie die Erwähnung Schlesiens aktuell.

§2 (4) Im Siedlungsgebiet der Sorben können neben den Landesfarben und dem Landeswappen
Farben und Wappen der Sorben, im schlesischen Teil des Landes die Farben und das Wappen
Niederschlesiens, gleichberechtigt geführt werden.

Dies verwundert, zumal der “schlesische Teil” in der jüngeren Geschichte vor dem Wiener Kongress 1815 ein Teil Sachsens war. Es stellt sich die Frage, welchen zeitlichen Bezug die Verfasser der hier beimessen. Es bezieht sich wohl auf die zweite Gründung des Freistaat Sachsen 1945. Damals wollte man wohl den Einwohner der hinzugekommenen Gebiete dabei helfen, sich mit dem neuen Staatsgebilde zu identifizieren. Aus der Sicht von 1992, dem Jahr in dem die aktuelle Sächsichen Verfassung in Kraft trat, scheint dieser Verweis auf Schlesien jedoch überflüssig. Die zweifelhaften Initiatoren der oben genannten Petition unterstellen hier gleich einen Zusammenhang mit dem Bund der Vertriebenen und der NPD, welche sich nun beide auf den Fortbestand Schlesiens in der Verfassung berufen können. Dem Geschichtsrevisionismus sei Tür und Tor geöffnet. Unsere Kinder durch NPD-Agitatoren in Gefahr, das Märchen von Schlesien zu glauben. So die verkürzte Argumentation.

Um beim nächsten Mal alles richtig zu machen, müssten in der Verfassung alle möglichen Strömungen fremder Besetzungen Erwähnung finden. Im Fall der Oberlausitz wären da mindesten Ungarn, Böhmen, Polen, Schweden und Sowjetrussland zu nennen. Gerade diese vielfältigen Strömung prägen diesen Landstrich und seine Bewohnerinnen. Die Stadt Görlitz könnte sich dann mit weitaus mehr Fahnen schmücken und sich getrost einmal auf ihre europäische Geschichte im Spannungsfeld der genannten Nationen berufen. Gleiches gilt für die Sächsische Verfassung, in der die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in §12 eine Würdigung erfährt:

Das Land strebt grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit an, die auf den Ausbau
nachbarschaftlicher Beziehungen, auf das Zusammenwachsen Europas und auf eine friedliche
Entwicklung in der Welt gerichtet ist.