Am 22. Juni soll auf dem Görlitzer Friedhof die Grabanlage für 67 sowjetische Zivilisten eingeweiht werden. Die seit 1945 namenlosen und unkenntlichen Gräber sind nun mit Nummernsteinen und zum Teil mit Gedenkplatten versehen. Evelin Mühle, die Leiterin der städtischen Friedhofsverwaltung, will damit ” über das Schicksal von 67 unbekannten sowjetischen Zivilisten […] informieren”, berichtet die Sächsischen Zeitung.
Weitere sowjetische Zivilisten sind darüber hinaus auf dem Jüdischen Friedhof zu Görlitz begraben. Auch ihre Namen sind uns nicht bekannt. Sie wurden während der letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges im Görlitzer KZ-Außenlager von der Gestapo und/oder SS hingerichtet und zusammen mit den zumeist jüdischen Opfern aus dem Lager auf dem Jüdischen Friedhof in Massengräbern verscharrt. Erst 1948 exhumierte die Görlitzer Kriminalpolizei die 173 Leichen aus den Massengräbern und veranlasste eine Umbettung in die heute noch existenten Gräber auf dem zur Zeit wild bewachsenen Jüdischen Friedhof.
Der 1951 eingeweihte Gedenkstein erinnert als einziges Zeugnis an diese und weitere nicht namentlich erwähnte Tote auf dem Friedhof:
- 111 Urnen von Häftlinge des KZ-AL Görlitz (Namen bekannt)
- 37 Urnen von Häftlingen der KZ-Außenlager Niesky, Bautzen und Hartmannsdorf (Namen bekannt)
- 173 Tote aus den Massengräbern auf dem Jüdischen Friedhof (unbekannte
Personen) - 2 Görlitzer Häftlinge, die (wahrscheinlich) in Rennersdorf
starben (unbekannte Namen)
Auf dem Gedenkstein heißt es:
“Hier ruhen 323 ermordete Kameraden / die im Konzentrationslager / Biesnitzer Grund Görlitz / in den Jahren 1943-1945 der Hitler Tyrannei zum Opfer fielen […]”.
148 Namen von Opfern sind der Friedhofsverwaltung seit 1948 bekannt und inzwischen auch publiziert (u.a. Kurt Wolf). Nur 286 der Opfer stehen jedoch in Zusammenhang mit dem KZ-Außenlager Görlitz.
Warum können wir dort keine Namen lesen? Wie können wir Opfern mit einem Stein gedenken, ohne ihre Namen lesen zu können? Wem soll man gedenken, wenn der Gedenkstein seit seiner Errichtung die Wahrheit verschweigt, weder die Herkunft der Opfer benennt, noch deren Identität aufklärt? Wo sind die Nummernsteine, wo die einzelnen Gräber? Wie sollen Angehörige der Opfer das Kaddisch sprechen?
Ein Nachfahre eines Opfers, der selbst die Shoa überlebte, musste selbst Hand anlegen, um für seinen Vater beten zu können. Es ist traurig auf diese Art gezeigt zu bekommen, wie wir in den letzten 65 Jahren keinen angemessenen Rahmen für das Gedenken an die Opfer schaffen konnten.
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