Es wurde Zeit das beliebte Kartenspiel Globalquartett aus dem Beta-Stadium zu heben und für die Vollständigkeit der Daten zu sorgen. Insbesondere die Werte von Radermacher’s Equity Faktor waren unmöglich zu beschaffen, weshalb ich nun auf den verbreiteteren Gini-Index (Weltbank, UN) zurück gegriffen habe. Besondere Beachtung fand dieser Wert jüngst aufgrund einer Studie von Richard Wilkinson und Kate Picket (1, 2, 3), die einen starken Zusammenhang zwischen diesem Wert und der Häufigkeit der Kindersterblichkeit, Kriminalität, Drogenmissbrauch, psychischer Erkrankungen u.v.a.m. nachgewiesen haben. (Eine etwas detailliertere Kritik zu Wilkinson’s Buch über den Gini-Index folgt.) Doch was sagt der Gini-Index aus?
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Gini-Index
Der Gini-Index misst den Grad der Ungleichheit in der Verteilung des Einkommens von Familien in einem Land. Dieser Index errechnet sich aus der Lorenzkurve, in der das kummulierte Familieneinkommen in Abhängigkeit der in fünf bis 20 Gruppen aggregierten Anzahl von Familien. Der Index ist das Verhältnis zwischen der Fläche zwischen dieser Lorenzurve eines Landes und dem Dreieck unterhalb 45 Gradlinie.
Je ungleicher das Einkommen in einem Land verteilt ist, desto größer ist sein Gini-Index. Gäbe es eine absolute Gleichverteilung, d.h. jede Familie hätte das gleiche Einkommen, so wäre der Gini-Index gleich Null und die Lorenzkurve gleich der 45 Grad Linie.
Wie bei allen Vergleichswerten im Globalquartett, besteht auch hinsichtlich des Gini-Index eine Ambivalenz, der daraus für das Land abgeleiteten Folgerungen. Beispielsweise ist ein niedrigerer Gini-Index nicht zwangsläufig besser zu bewerten, als ein höher, denn ein Gini-Index von Null wäre Ausdruck eines absoluten Kommunismus und somit Zeichen geringen Leistungs- und Innovationsanreizen (= Stillstand). Andererseits will Wilkinson & Picket nachgewiesen haben, dass ein höherer Gini-Index positive Auswirkungen auf das soziale und gesundheitliche Wohlbefinden eines Landes hat.
Abgesehen von diversen Messungenauigkeiten und Unterschiede bei der Erhebung der Daten (Bsp. Anzahl der Gruppen aggregierter Familien) des Index, können zwei Länder anhand ihres Gini-Index nur ungenügend verglichen werden. Zum einen können unterschiedliche Lorenzkurven – also gegensätzliche Einkommensverteilungen, den gleichen Gini-Index besitzen und zum anderen ist der Gini-Index ein relatives Maß, dass unabhängig vom Gesamtwohlstand ermittelt wird. Letzteres bedeutet, dass ein Entwicklungsland wie Tansania den gleichen Index wie Deutschland haben kann, obwohl gravierende Unterschiede des Wohlstands beider Länder existieren. Weitere Probleme der verwendung des Gini-Index finden sich im Artikel der englischsprachigen Wikipedia.
Neu dabei: Polen
Auf vielfachen Wunsch (und nicht etwa, wegen des tragischen Flugzeugunglücks in Smolensk) habe ich die Daten des Nachbarlandes hinzugefügt. Damit besteht das Spiel nun aus 33 Karten.
Quellen:
– CIA World Fac Book
– Schauer, T. und Radermacher, FJ: Gleichheit und Vielfalt im Informationszeitalter. Universitätsverlag Ulm. 2003.
– Wilkinson, R. und Picket, K.: The Spirit Level – Why Equality is Better for Everyone. Penguin. London. 2010.
Vielen Dank für dieses tolle Quartett. Es hat schon diverse Vertretungsstunden aufgepeppt und wird von mir regelmäßig in Q1 (Schleswig-Holstein) zum Thema globale Dispariäten und in Q2 beim Thema Globalisierung eingesetzt. Die Schüler beziehen sich in Unterrichtsbeiträgen oft auf Erkenntnisse aus dem Quartett…
Viele Grüße
C. Zondervan