Der letzte Tag bei ZINSA

Gestern Abend waren wir mal nicht unterwegs und haben auch nicht die halbe Nacht verquatscht. Ich wollte endlich mal früh ins Bett und vollkommen fit meinen letzten Arbeitstag antreten. In den letzten Wochen hatte ich mir angewoehnt erst gegen 8.30 bei ZINSA zu erscheinen, um nicht übermäßig viele Überstunden anzuhäufen, die mir ohnehin niemand bezahlen oder ausgleichen würde. Arturo, mein direkter Chef, wollte das Intranet noch mal testen und erklärt haben. Mit ein paar kleinen Bugfixes und Änderungen zog sich das Ganze über den Vormittag. Mittagessen sollten wir diesmal auswärts, im Restaurant am Ovalo (Kreisverkehr) – 3km von ZINSA entfernt. Neben meinen Bürokumpanen und Jaime Rivero waren Elisa, Selica, Ketty, Luigti, Juan, so wie drei-vier Andere dabei, die ich gar nicht namentlich kannte. Naja, das war dann mein Abschiedsessen mit Cervice (Scharfer roher Fisch mit Limone) und Langusten. Gegen Ende hielten Jaime und Arturo meinetwegen eine kleine Ansprache vor den Anwesenden. Ich war hoch erfreut und nutzte die Gelegenheit mich bei allen zu bedanken und betonete viel gelernt zu haben, was zwar nicht sooo viel mit meinem Studienfach zu tun hatte, jedoch zur Anwednung desse beigetragen habe. Der Nachmittag verging mit letzten bugfixes und updates, so wie schier endlosen Beschreibungen, wie alles funktioniert und gewartet werden kann (== Einführung in Apache und Drupal). Mittlerweile war es schon 19 Uhr, Jose musste auf eine Betriebsratssitzung und mir blüten noch einige Server-Updates vor Feierabend. Ich wollte ohnehin auf Jose und Arturo warten, da sie mich auf einen finalen Pisco-Exzess eingeladen hatten. Gegen 20:30 waren wir die letzten Angestellten (also nicht in der Produktion arbeitenden), die die Firma verliessen. Bis dahin war ich jedoch so beschäftigt, dass ich mich nur von wenigen Leuten verabschieden konnte. Doch auch die Rivero-Brüder (Direktoren) und der Personalschef liessen sich (wohl aus Zeitgründen) nicht bei uns blicken. So wurde ich also ziemlich kalt entlassen. Luigi – aus der Personalabteilung – schaffte es immerhin mir eine Praktikumsbestätigung zu schreiben. Leider wusste auch er nicht, wie man meinen Namen schreibt. Auf einen Arbeitsvertrag und ein qualifiziertes Zeugnis warte ich bis heute. Etwas angesäuert verliess ich den Laden und stürzte mich mit Arturo und Jose in eine Bar in Pueblo Libre.

Los Ingeneros de Sistemas: Jose Luis und mein Chef Arturo.

Schnell stand eine Flasche Pisco auf dem Tisch. Anticucho (gegrillte Rinderherzen) sorgte als eine brauchbare Grundlage für eine zweite und dritte Flasche des hochprozentigen Nationalgetränks. Wir plauderten amüsiert über Peru und die Lebensumstände. Die beiden erzählten mir ihre umwegigen Lebensgeschichten. Es ging um Kaffee-Zigaretten-Diäten, Emigration und Siegmund Freud. Jose hatte so manches studiert, bevor er formal zum Informatiker wurde, doch dabei fehlt ihm das Nerd-Gen. Komplexe Systeme oder gar Programmieren mag er gar nicht. Viel lieber ist ihm da seine neue Arbeit mit dem Syndicato (Betriebsrat). Arturo verwunderte mich mit seiner Arbeitsphilosophie: “Pensar diferente” (Anders Denken), die mir bei ihm zwar nie bewusst wurde, mich jedoch hoffen lässt. Letztlich war ich sehr gerührt als er nochmal erklärte, wie viel er von mir lernen konnte. Eigentlich ist es ja paradox, wenn ein Meister (fachlich) von seinem Schüler lernt, doch ich glaube es gibt schlimmeres. Arturo war ohnehin nur zu 33% mit den IT-Aufgaben betraut, den Rest seiner Arbeitszeit hatte er sich um das ISO Qualitätsmanagement und gewissen Finanzsachen zu kümmern.

Bereits nach der zweiten Flasche Pisco hatte ich ordentlich einen in der Krone und sprach so fliessend spanisch, wie noch nie. Arturo wollte schon früher los, um seine Geliebte noch vor seiner Ehefrau beglücken zu können. Jose hielt heiter und lebensfroh durch. Gegen 2:30 trudelte ich bei Monica – meiner Gastgeberin für diese Woche – in San Borja ein. In ihrer gemütlichen Studenten-WG hatte ich mich die letzten Tage ausgesprochen wohl gefühlt. Ich habe es genossen endlich wieder mal eine saubere Küche zum Kochen vorzufinden.

Wie vor 100 Jahren

Wie zu Zeiten der Industrialisierung in Europa

Heute noch mal ein paar Worte zu Z., der Firma, in der ich mein Praktikum absolvierte. Im Vergleich zu deutschen Unternehmen, die gleichsam Zink-, Messing- und Bleiprodukte herstellen, fällt zunächst auf, dass ungeheuerlich viel Dreck in die Luft geblasen wird, bis er im Laufe der Zeit wieder herabregnet. Ebenso, wie die Luft, sorgt man sich nicht um Reinhaltung von Boden und Wasser. Blei ist also überall – nicht zuletzt auch im Kantinenessen und in der Kleidung die man im Büro trägt. Doch damit nicht genug: hinzu kommt eine ständige Lärmbelastung durch Maschinen und die Fernseher in der Kantine. Doch auch dass wäre ja noch nicht so schlimm, solang wenigstens die Arbeiter ausreichend geschützt wären. Klar hat man Ohrstöpsel, Helm und Luftfilter, doch der Feinstaub ist überall. Beim Mittagessen dachte ich manchmal Schneemänner sitzen am Nachbartisch, so weiß waren ihre Gesichter vom Zinkoxid. Das Blei hingegen, sieht man nicht.Vor gut zwei Wochen kam es zum Aufstand. 200 Arbeiter aus der Produktion legten ihre Arbeit nieder und forderten bessere Arbeitsbedingungen. Genauer gesagt ging es ihnen um:

  • die Reinigung, der mit Blei kontaminierten Arbeitskleidung,
  • bessere Atemschutz-/Filtermasken,
  • eine genauere Lohnabrechnung,
  • eine Verkürzung der Arbeitszeit von 12 (!!!) auf 8 Stunden pro Tag,
  • eine gerechtere Behandlung durch die unmittelbaren Vorgesetzten (Supervisores)
  • mehr Lohn (derzeit: 35 Euro (S./150) pro 7-Tage-Woche bzw. 84 Stunden)
  • Wahl eines Betriebsrates (Syndicato)

Die erste Reaktion der Unternehmensführung war die sofortige Entlassung des Produktionsleiters und fünf weiterer Arbeiter. Als dies vor versammelter Belegschaft bekannt gegeben wurde, applaudierten alle (Böro-)Angestellten. Urplötzlich wandelte sich das Verhalten der Direktoren gegen über den Arbeitern. Fast schon ängstlich lächelten und winkten sie ihren Untergebenen zu, die von nun an mit Bussen zur Arbeit gefahren werden, damit sie sich auf der Straße nicht mehr mit Gewerkschaftsvertretern treffen können. Ein Priester wurden zu Mittag in die Kantine bestellt, um eine (corporate-)Predigt zu lesen: “… und wenn ihr nicht arbeitet, wird nichts produziert, es kann nichts verkauft werden und ihr verliert eure Arbeit, wie eure Familien ihr Einkommen”, so seine barmherzigen Worte. Die Geschäftsleitung war allerdings auch nicht darum verlegen, rational zu argumentieren. Die Vorzüge eine Anstellung bei Z. lägen weit über dem landestypischen Durchschnitt. Zwar verdienen die Mitarbeiter nur durchschnittlich und erheblich weniger, als manch Arbeiter in einer Mine, doch garantiert Z. darüber hinaus auch die gesundheitlich Versorgung der Familienangehörigen – und sei es auch nur durch einen Medizinstudenten. Das war’s aber auch schon. Alles in allem erinnern mich die hiesigen Zustände an das 19. Jahrhundert und die Zeit der erstem Industriellen Revolution. Ich mag es kaum mit meinem Gewissen vereinbaren, doch noch weniger habe ich die Möglichkeit Veränderungen herbeizuführen. Die täglichen Diskussionen mit einem der CEOs während der morgendlichen Fahrt zur Arbeit fruchten nicht, doch vielleicht wirken sie nach. Trotzdem: Welch Scham.

Erdbeben nahe Lima

Ich war im Begriff mit Elisa nach Hause zu fahren, doch plötzlich wurde mir etwas schwindelig. Es war mir, als hätte ich einen Flashback vom peruanischen Skunk, den mir Galahad tagszuvor rollte. Die Autos auf dem Parkplatz wackelten, der Car-Port schwankte und über dem Asphalt breiteten sich Wellen aus. Ich traute mich kaum Elisa zu fragen, was hier los ist und staunte stillschweigend über meine scheinbaren Halluzinationen. Plötzlich begann Elisa laut zu jammern und ich verstand, dass es ein Erdbeben ist. Gute zwei Minuten hielt es an. Stärke 7.9 auf der Richterskala (Im Zentrum des Bebens). Auf der Mercalliskala hatte das Beben in Lima eine gefühlte Stärke von 5 bis 6. Das Epizentrum lagt ca. 120km südlich von Lima, nahe der Stadt Ica, und 60km westlich im Pazifik. Die Erschütterungen waren selbst in Cajamarca und in Kolumbien zu spüren. Weite Teile von el Callao (mein Arbeitsort) und Lima lagen im Dunklen, da die Strommasten den Schwingungen nicht stand hielten. Das Handy- und Festnetz brach schlagartig zusammen. In Molina, einem besonders gefährdeten Stadtteil Limas, brach das Dach der dortigen Jura-Fakultät zusammen. Viele Häuser weisen Risse auf. Besonders schlimm sind die Auswirkungen im Department von Ica. Die Städte Ica, Pisco und Chincha sind zu über 50% zerstört. Betroffen sind hauptsächlich historische Bauten (Kirchen) und Häuser aus Ziegeln bzw. Lehmstein. Auch das Haus der Eltern meines Chefs ist in Ica eingestürzt. Das letzte grosse Erdbeben in Peru war im Jahr 2001. Damals starben relativ wenig Menschen (88), da sich die meisten Leute an jenem Sonntag Nachmittag im Freien befanden. Wesentlich verherrender waren die Beben der Jahre 1940 und 1970. Bei letzteren kam es zu Erdrutschen, Überflutungen und einer heftigen Tzunami. Die Stadt Yungay, nahe Huaraz, wurde damals vollständig von einer Schlammlawine bedeckt, nachdem sich eine riesige Eisscholle von einem Gletscher gelöst hatte und das Wasser aus einer Lagune ins Tal drückte. Nach dem gestrigen Beben wurden bislang 377 Tote geborgen, wobei sich diese Zahl nur aus den Opfern in den grösseren Städten berechnet. Unklar ist die Situation in den Dörfern. Weiterhin gibt es in den betroffenen Gebieten im Department von Ica kein Strom und Wasser. Der Teil Miraflores, in dem ich wohne, gehört aufgrund seiner Bodenbeschaffenheit zu den erdbebensichersten der Stadt. Besonders gefährded ist, neben dem erwähnten Stadtteil Molina, auch der Hafen von el Callao.

Ironischer Weise hatte mich gestern morgen, also vor den Beben, mein Kumpel Miles zu einem Vortrag ueber “Erdbebensicherheit in Lima” (Earthquake Safty Prevention) eingeladen. Miles hätte den Vortrag des Erdbebenexperten Anibal Paredes nicht besser timen können, denn 10 Minuten vor Beginn des Vortrags begann die Erde zu beben. Einige schwächere Nachbeben während des Vortrags, verdeutlichten die Notwendigkeit von Vorsorgemaßnahmen. Miles bewohnt und managed des örtlichen SAE Club Hauses, wo der Vortrag stattfand. Zur Nachbereitung des Erdebebens holte Anibal eine feine Flasche Pisco aus seiner Tasche und als diese leer war, sorgte Miles für Nachschub. Wir plauderten bis in die Nacht über Richterskalen, Inka-Highways und obskure Russen, die hier Waffen kaufen.

Ich nenn’s mal Arbeit

Ich schweiße gerade an einem Linux (Ubuntu), dass ein Intranet (Drupal) mit Telefonanlage (Asterix) und E-Mail/Kalender (Zimbra) serviert. Ansonsten muss ich hin und wieder mal ein paar Systeme auf ihrer Tauglichkeit bewerten und ausgegliederte Projekte bei Fremdfirmen betreuen.Die gesammt Belgschaft habe ich nun während dreier Vorträge über Deutschland informiert. Den Direktoren lag sehr daran, deutsche Werte, wie Pünktlichkeit, Ordnung und dieses ich_will_besser_sein_als_X irgendwie in der Firma zu etablieren. Vamos a ver, zumindest freuten sich die Leute jedes Mal, wenn ich ein paar Worte/Begriffe auf Deutsch sagte. Für sie ist das Deutsche einfach so unaussprechlich, wie manch ein spanische Wort für mich: auf die Frage hin, “Welche Produkte Deutschland hauptsächlich exportiert”, wollte ich Autos und “Maginas” (Maschinen) antworten, doch hörte es sich wie “Vaginas” an. Ein Brüller.Ansonsten vermisse ich das Arbeiten im Team, die kreative Fachsimpelei und die Motivation zum zuegigen Arbeiten. Es ist uebrigens derart stressig, dass ich es schaffe, diesen Beitrag zu schreiben. Voy a ver como esta el nuevo practicante de Alemania que trabaja en el area de marketing.

AkLIMAtisiert

Bin schon wieder mal angekommen. Damit meine ich, dass ich mich langsam heimisch fühle, mein Viertel kenne, weiß wo was los ist und was es für Möglichkeiten gibt. Bei den SouthAmericanExplorern hab’ ich ganz paar gute Infos abgefasst und gleich mal über’s Wochenende ausprobiert.

Hhuaca Pucllana Das ist der Ort, an dem meine Firma letzten Mittwoch die große Cocktailparty veranstaltet hat. Doch schon im 2 Jh. v.Chr. gings dort zur Sache: ein pyramidenartiger Tempel samt umgebender Stadt wurde errichtet und durch Fischfang, Landwirtschaft und Handwerk belebt. Zur selben Zeit, als die Römer in Europa die Lande eroberten, hatte man hier ebenso Bewässerungssysteme entwickelt, große Vasen getöpfert und komplizierte Kleider gewebt. Einzigartig ist jene Bauweise und Schichtung der Pyramide. Ziegel wurden dafür abwechselnd – hochkannt und waagerecht liegend – aufeinander geschichtet, wobei sie dabei stets ineinandergreifende Trapezmuster bildeten, die dem Bauwerk besondere Festigkeit verliehen. Heute suchen Archelogiestudenten noch immer nach Spuren und rekonstruieren Teile der Anlage.

Ein urperuanischer Nackthund . Mit seinen Falten ist er nicht so schön anzusehen und weckt Berührungsängste, doch wenigstens ist ihm nicht kalt.

Noch etwas typisches: Baumwolle – angeblich die Beste auf Welt. Marken wie Hilfinger und Lacoste lassen ihre Kleider hier anfertigen und schicken sie dann z.B. nach Frankreich, damit “Made in France” draufstehen darf weil sie dort das Ettiket mit der Waschempfehlung annähen. Auf bestimmten Märkten (Povlov Azules) bekommt man jene Artikel für ein Taschengeld zu kaufen. Lacoste Polo: S./25 = 8 Euro.

Das ist ein Meerschwein – hier auch Cuy gennant. Die Hälfte eines anderen habe ich gestern gegessen. Schmeckt wie ein Karnickel mit nichts dran. Hab lang rumgesäbelt bis ich endlich mal ein Stückchen Fleisch aus Knochen, Haut und Gehirn seziert hatte. All Denjenigen, die das Verspeisen von vermeindlichen Haustieren abscheulich finden, gratuliere ich zu ihrer Doppelmoral und empfehle den Vegetarismus. In Peru ist man bemüht den Meerschweinchenkonsum mit neuen Zubereitungsformen voranzutreiben, um somit der indigenen Bevölkerung eine Einnahmequelle zu verschaffen.

cuy

Und so ähnlich sah der Kollege aus. Ich werd’s auch nicht noch mal essen, aber ich musste ja wissen warum.

Ein Alpaca – gibt flauschige Wolle, schlägt aus und spuckt. Schmeckt aber richtig gut.

Andy Warhol

Wer kennt ihn nicht, den alten Slowakenabkömmling, der vor allem wegen seiner Marylin Quadrologie weltberühmt geworden ist und schlichtweg die Popart definierte. Kaum zu glauben, dass nun seine wichtigsten Werke hier in Lima ausgestellt werden und nicht den reichen Galleristen der nördlichen Hemisphere vorbehalten bleiben (Okay – es waren nur Drucke). Für schlappe 50 EuroCent erlangte ich Eintritt zum abstrakten, aber denoch nachvollziehbaren und kenntlichen Gemälden, Grafiken (skurile Rezepte mit Bild) und diversen Produktdesigns (Plattencover für die Stones, Einkaufstüte aus Papier, Zeitschriftencover, ect.). Neben dem erwähnten Marylin-Portrait erfreute ich mich an witzigen Tierbildern (Affe, Zebra, Frosch, Elefant, …) und den “Ten Portraits of Jews of the Twentieth Century”:

French actress Sarah Bernhardt (1844-1923); the first Jewish judge of the United States Supreme Court, Louis Brandeis (1856-1941); renowned philosopher and educator Martin Buber (1878-1965); the theoretical physicist, Albert Einstein (1897-1955); the hugely influential founder of the psychoanalytic school of psychology, Sigmund Freud (1856-1939); stage and film comedians, the Marx Brothers: Chico (1887-1961), Groucho (1890-1977), and Harpo (1888-1964); Israelís fourth Prime Minister and one of the founders of the State of Israel, Golda Meir (1898-1978); distinguished American composer George Gershwin (1898-1937); the eminent novelist, Franz Kafka (1883-1924); and avant-garde American writer, poet and playwright Gertrude Stein (1874-1946)

Altbekannte.

Bisher wusste ich nicht, das Warhol auch Musik (Velvet Underground und mit anderen Namen) gemacht und sogar einige Filme produzierte. Zwei davon gab’s zu sehen – allerdings waren sie mächtig schräg-langweilig, weil der Ton von kreischenden Kindern im Ausstellungsraum überdeckt wurde (die Kinder sind hier oftmals hyperaktiv).

Der Mann mit der Kamera

Warhol’s Streifen haben mich jedoch dazu bewegt mal ein Kino zu besuchen. Und auf anhieb hab ich jene Art von Kino gefunden, die mir am meisten beliebt. Zum Auftakt lief ein sowjetischer Stummfilm mit dem Titel: “Der Mann mit der Kamera” (Chelovek s kino-apparatom) von Dziga_Vertov. Ganz traditionel spielte dazu Musik – aber nicht etwa ein Klaviergeklimper, sondern edel experimentelle Klänge aus’m Computadora, vervollkommnet mit’ner Gitarre, so dass da Klangmuster ala Pinkfloyd zu den schwarz/weiß Bildern brummten. Später poppten und drückten recht harte Tanzbretter aufs Ohr – doch stets in Harmonie und im Takt des Films, der für seine Zeit ebenso modern gewesen sein muss. Ich hatte bisher bei noch keinem Stummfilm jener Epoche Bildmontagen (Übereinanderblendung von mehreren Szenen) und StopMotionEffekte gesehen. Sergej Eisenstein lässt grüßen. Ganz großes Kino – im doppelten Sinne.

Callao und seine Inseln

Um den Smog mal hinter mir zu lassen, beschloss ich auf offner See mal so richtig durchzuatmen und mit’nem Boot von Callao zu den Inseln Palomino, San Lorenzo und Fronton zu schippern. Neben einer Vielzahl von Seevögeln sind die Seelöwen die Hauptattraktion. Für 30$ gabs nicht nur ein Achterbahngeschaukel auf türkisfarbener See, sondern auch eine sehr gut informierte Reiseführerin. Wer wollte, konnte bis auf zwei Meter an die grölenden (und stinkenden) Seelöwen heranschwimmen und ‘Hallo’ sagen. Mir war’s Wasser zu kalt. Wären wir am frühen Morgen oder späten Nachmittag unterwegs gewesen (am Besten noch im Sommer), hätten wir sicher mehr Vögel gesehen. So gab’s heut nur die “Peruanischen Bubbis”, die u.U. 10m tief tauchen und ein paar Pelikane; und Möven natürlich. Leider konnten wir auch nicht die Humboldt-Pinguine besuchen, da der starke Seegang die Einfahrt in eine Bucht verhinderte. Wale und Delfine sieht der Kapitän nur zwei mal im Jahr.

Wie schön alles auf einmal ausschaut, wenn die Sonne hervor kommt.

Das sitzen ein paar Vögel – ich glaub es waren Bubbies.

Sack statt Tüte

Gediegen und überaus entspannt liege ich mit einem Fläschchen Rotwein in meinem dustren Bette und sinniere über die vergangene Woche und ihr anstehendes Ende. Die vergangenen Tagen waren gekrönt durch eine elegante Cocktailparty, die meine Firma, anlässlich ihres 33-Jährigen Bestehens und der bevorstehenden Aktienemission veranstaltete. Unter den 250 geladenen Gästen fanden sich ausschließlich Leute mit Rang und Namen aus den Führungsetagen und Ministerien Limas ein. Am Fusse einer Inkapyramide versammelte sich die feine, aber dennoch ausgelassene Gesellschaft vor dem Anglitz des durch Licht und Animationen mystisch inszenierten Zinks.

Der Ort des Geschehens, ein paar Tage später.

Im Hintergrund brausten seichte, aber recht feine ethno-elektronische Beats. Und so funkelten die Zinkprodukte inmitten der köstlichen Bufetberge, umgeben von der rauschenden Schickaria – gehüllt in edlem Tuche, doch gleichsam wie ein Sack mit Krawatte verschnürrt. Von Snack zu Snack – hinzu ein Pisco Sour und mehr von Jonny Walker’s Goldsaft – lies man sich kreisen und tauschte fleißig jene Stücke Papier, die zeigen, WO man WAS ist. Auch ich ließ mich treiben und genoß das familiäre Schauspiel, als dessen Akteur ich mehr und mehr aufzugehen vermochte. Beflügelt durch die vorbeiziehenden Drinks erheiterte sich das Geschehen. Zinsa’s Direktorium erstrahlte vor Freude über die gelungene Veranstaltung. Ich fühlte mich äußert wohl und gut versorgt, wenngleich mir die Rolle als Repräsentant und vielmals herumgereichtes Aushängeschild eines “Empleado de Alemania” (Angestellter aus DLand) nicht sonderlich behagte. Meine Kollegen stürzten sich in meine Gespräche, um gegenüber meinen Gesprächspartnern die Unternehmungen Zinsas zu preisen und mit gebührenden Lob zu versehen. Verdientermaßen, wie ich finde. Zinsa hat während der letzten 3 Jahre seine Mitarbeiterzahl nahezu verdoppelt und ist unter den peruanischen Exporteuren eben mal von Platz 124 auf Numero 34 vorgerückt. Zinsa hat in den ersten fünf Monaten dieses Jahres berieits $ 30 Millionen umgesetzt und $ 2 Mille davongetragen. Ich spiele bereits mit dem Gedanken mir Praktikantengehalt durch den Kauf von Zinsa-Papieren ein spekulativ zu erwirtschaften. Mittlerweile habe ich mich auch mit meinem Job arrangiert und genieße die Zeit des freien Arbeitens. Idealerweise habe ich drei, recht vage Aufgabenstellungen, die ich nach meinem Ermessen intensivieren kann. Die IT-Abteilung lässt größtenteils Aufgaben von externen Unternehmen verrichten, so dass ich bei der Überholung der Webseite beispielsweise ausschließlich den Istzustand erfasse und entsprechende Anforderungen und Qualitätsstandards definiere. Eine weitere Aufgabe betrifft die Planung und Entwicklung eines Intranets, was ich angesichts der Integration von Office-tauglichen Anwendungen durchaus als eine Herausforderung ansehe – vor allem weil es darum geht, herauszufinden welche Anwendungen sinnvoll in der innerbetrieblichen Kommunikation eingesetzt werden können. Natürlich werde ich auf bestehenden Opensource-Lösungen zurückgreifen, aber auch eigene Module entwickeln. Der dritte Eckpfeiler meiner Arbeit besteht in der interkulturellen Vermittlung dessen, was stereotypisch als deutsches Arbeits- und Umweltbewußtsein angesehen wird. Die Unterschiede sind schon enorm – vor allem, was fachliches Interesse, Wissbegierde und Ansätze von Kreativität bzw. freiem Denken betrifft. Ich genieße weitgehende Freiheiten und arbeite vollkommen selbstständig ohne dass mich täglich jemand fragt was ich gerade im Sinn habe. Aber dennoch bleibt’s beim Sack(o), statt der guten alten Tüte. Abschließend noch eine Reihe Bilder von Miraflores – also jenem Stadtteil Limas, in dem ich wohne und mehr oder minder auch zu leben beginne:bild

Schönes Mobil in einer Nebenstraße.bild

Avenida Pardo – das Zentrum Miraflores.bild

Ein Einkaufszentrum in den Klippen Miraflores.bild

Die Wellen, in die ich mich stürzen möchte, sobald es etwas wärmer wird.bild

Achja, das ist mein Zimmer durch dessen Fenster ich so prima in den Genuß eines schnellen Internets komme. Heut habe ich übrigens das erste mal die Küche des Arpartments betreten, weil ich dachte dort ein Glas für den Wein zu finden. Fehlanzeige – zwischen den stinkigen Töpfen gibt’s keine Gläser oder Tassen. Das nervt, denn so richtig heimlig ist mir diese Behausung nicht.