Beitrag im Sammelband »Die Juden von Görlitz« erschienen

In dem vom Markus Bauer und Siegfried Hoche herausgegebenen Sammelband »Die Juden von Görlitz. Beiträge zur jüdischen Geschichte der Stadt Görlitz.« ist auch eine kurzer Beitrag von mir enthalten. Er trägt den Titel »Das KZ-Außenlager Görlitz« und stellt eine Zusammenfassung der noch nicht erschienenen dritten Auflage des fast gleichnamigen Buches dar. Die übrigen Beiträge sind wahrscheinlich noch weitaus lesenswerter und keinesfalls ein Exzerpt bestehender Schriften. Die Lektüre lohnt nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Bezüge zu den aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen über die einstigen und gegenwärtigen Ausdrucksformen jüdischen Lebens in Görlitz.

Am Montag, dem 22. September 2014, 16:00 wird das Buch in der Synagoge zu Görlitz offiziell vorgestellt.

 

Das Buchcover des Sammelbands »Die Juden von Görlitz«, herausgegeben von M. Bauer & S. Hoche, erschienen im Verlag Gunter Oettel, Görlitz 2014.

Meine Empfehlungen zum Neißefilmfest: Open Access, Liga Terezin, Sieniawka

Zum 11. mal und wieder kaum zu übertreffen: das räumlich verteilte und raumumspannende Filmfest im Dreiländereck Polen, Tschechien, Deutschland. Ja, DAS Neissefilmfest. Es lohnt im Programm zu stöbern. Ich möchte einige Filme empfehlen, wenngleich ich nicht immer die Gelegenheit haben werde, sie zu sehen:

Vidkryty Dostup / Open Access
Die politische und gesellschaftliche Etablierung von Open Access schreiten hierzulande mit großen Schritten voran. Wie es in einem nicht-so-westlichen Land darum bestellt ist, verspricht dieser Film zu erzählen. Da es um die Ukraine geht, dürfte die anschließende Diskussion Oleksandra Bienert und Andreas Schönfelder in mehrfacher Hinsicht interessant werden.
UA 2013 | 98 min | BR | OF + eUT + dtÜ
Siehe auch NGO Centre UA
09.05. 20.00 h KUNSTBAUERKINO 2, GROHEDO

Im Jahr 2011 wurde das Gesetz des Zugangs zu öffentlichen Informationen in der Ukraine verabschiedet. Zu einem Zeitpunkt, wo die demokratischen Rechte ignoriert wurden und die Korruption wucherte, beschlossen fünf Filmemacher, das System herauszufordern. Der Mangel an Transparenz und Verantwortung durch die Anführer des Landes und deren Gleichgültigkeit und Ignoranz – das ist, was die Dokumentationen bezeugen. Die Protagonisten leben in verschiedenen Teilen der Ukraine. Was sie verbindet aber ist der Wunsch, den Zugang zu freien Informationen zu schaffen. Diese Anthologie beinhaltet: “Mezhyhirya”, “Afghanischer Kriegsveteran”, “Schule”, “Haus der Chimären”, “In Bedrängnis”.

 

Liga Terezin
Angesichts des diesjährigen Schwerpunkt auf dem jüdischen Leben in Ost(und Mittel?)europa erwarte ich mir von diesem Film nicht nur Erkenntnisse für meine Arbeit am interaktiven Film(projekt) „Theresienstadt explained“. Liga Terezin erzählt eine unglaubliche Geschichte vom Fußball im KZ Theresienstadt wohl auch vom Versuch zu einem Alltag zu finden.

IL 2012 | 52 min
10.05. 11.00 h KUNSTBAUERKINO 2, Großhennersdorf

Von 1942 bis 1944 trugen jüdische Häftlinge unzählige Fußballspiele auf improvisierten Spielfeldern in unmittelbarer Nähe ihrer Baracken im Ghetto Theresienstadt aus. Es war der Versuch, sich der traurigen Realität ihrer aufgezwungenen Notlage entgegen zu stemmen. Die Nazis machten davon Filmaufnahmen, um sie für Propagandazwecke zu nutzen. Ausgehend von diesen Aufnahmen spannt der Film einen Bogen zu aktuellen antisemitischen Tendenzen in holländischen Stadien.

Sieniawka
D/PL 2013, 126 min., DCP OF dt UT
08.05. 15.00 h KRONENKINO, ZITTAU
In der Umgebung von Zittau kann ich mir kaum einen misteriöseren Ort vorstellen, als den ehemaligen Kasernenkomplex in Sieniawka (ehm. Kleinschönau). Das Anwesen ist vielen noch als Sitz des Kraftverkehrs und Tankstelle bekannt.. Manche wissen um die Geschichte als Produktionsort der ersten Düsentriebwerke durch die Firma Junkers im Jahre 1945. Nur wenige sind dagegen mit der düsteren Vergangenheit als Entbindungsheim von Groß-Rosener KZ-Häftlingen, dem Wirken von Dr. Mengele und andern SS-Größen sowie der Nutzung als Lager des sowjetischen NKWD vertraut. Einige Enthusiasten vermuten in den unterirdischen Produktionsstätten Nazischätze, wie das Bernsteinzimmer. In diesem Film geht es jedoch um die heute dort zu findende Psychatrie.

Ein Tagebau, ein herumstreunender Kosmonaut. Eine Betreuungsanstalt für psychisch Normabweichende. Erst Essensausgabe im Speisesaal, dann Zigarettenausgabe im Raucherzimmer. Lufttennis im Garten und ein altes Kino aus Vorkriegszeiten.
Ein aus der Zeit gefallener Ort namens Sieniawka, bekannt für seinen Grenzübergang und für eine lokale Psychiatrie an der polnisch-deutschen Grenze bildet das schwerelose Zentrum dieses kinematografischen Bildermonoliths. Eine experimentelle Mischung aus Science-Fiction und Dokudrama. Sieniawka, 5 Minuten Fußweg von Zittau entfernt – Leben auf einem fremden Stern.

Darüber hinaus:
Rublak. Die Legende vom vermessenen Land (08.05. 20.00 h KULTURFABRIK, MITTELHERWIGSDORF)
One Fine Line (09.05. 17.30 h KUNSTBAUERKINO 1, GROHEDO)

Die fehlenden Szenen von »Theresienstadt. Eine Dokumentation aus dem jüdischen Siedlungsgebiet«

Auf der Suche nach den von Karel Margry beschriebenen Szenenbildern des Films »Eine Dokumentation aus dem jüdischen Siedlungsgebiet« stieß ich im Photoarchiv von Yad Vashem auf eine umfangreiches Repertoire an Einzelbildern. Ungefähr 118 davon sind in den Filmkopien des Bundesarchivs nicht enthalten. Für einzelne Szenen lässt sich sogar ein Bewegtbild mit Stop-Motion-Charakter erzeugen:

Einige der fehlenden Szenen des theresienstädter Filmdokuments in einer Animation aus Einzelbildern.

Folgende Szenen finden sich unter den Einzelbildern: Theater, Freilichtvarieté, Landwirtschaft, Terrassen, Jazzband, Läden, Verpflegung.

Nach der Aufbereitung der Bilder werden wir sie in den kürzlich von uns geschnittenen und gemäß dem Drehbuch arrangierten Film einfügen.

Die Jüdische Kultusgemeinde zu Görlitz 1946

Es ist noch gar nicht so lange her, da entbrannt in Görlitz eine Streit über die erneute Nutzung der Synagoge als Gotteshaus. Eine Gruppe von Görlitzern wollte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Überwindung zweier Diktaturen wieder eine Jüdische Gemeinde Gründen. Damals glaubte man, dass sich nach 1945 nie wieder eine Gemeinde in der Stadt gebildet hatte. Diese Ansicht kann ich nun anhand von Archivmaterialen des International Tracing Service in Bad Arolsen widerlegen.

Meine Recherchen im Dezember 2013 brachten drei Listen [4] zutage, auf denen 22 Name von Mitgliedern der „Judischen Kultusgemeine Görlitz“ verzeichnet sind. Die Liste umfasst 15 Männer und sieben Frauen im Alter von 22 bis 86 Jahren. Fünf von ihnen sind gebürtige Görlitzer, die größte Gruppe (8) stammt jedoch aus Breslau. In einer der Listen ist explizit angegeben, dass 16 Personen Überlebende von Konzentrationslagern („K.Z.“) sind. Mindestens vier von ihnen waren im KZ-Außenlager Görlitz (Moses Mandelbaum, Paul Levy, Leo(n) Hecht, Janusch Oborowitz). Drei Personen, darunter die zwei Görlitzer Jakob Abramowitz und Anneliese Getzel sind als „Sternträger“ bezeichnet. Anneliese Getzels Mann Heinrich wäre der vierte Sternträger gewesen, wenn er nicht „auf dem Weg zur Heimat“ verstörben wäre. Drei weitere Personen werden als „Sonstige“ klassifiziert.

Copy of Doc. No. 78785299#1 (3.1.1.3/0001-0197/0077/0065) in conformity with the ITS Archives, 16.12.2013, Archivnummer: 5013

Die Wohnadressen der Gemeindemitglieder

Interessant sind auch die Adressangaben, die alle im Westteil der Stadt zu verorten sind. Die Breitscheidstraße und die Schulstraße konnte ich bisweilen noch nicht in Görlitz ausfindig machen. Es könnte sein, dass diese mit Löbau und Zittau in Zusammenhang stehen und die betreffenden Personen nach Görlitz reisten.

Bereits bekannte Gemeindemitglieder

Janush Oborowitz war ein ehemaliger Häftling des KZ-Außenler Görlitz. Er lebte mindestens bis 1948 in Görlitz, da er im gleichen Jahr als Zeuge im Prozess gegen den Görlitzer Oberbürgermeister Meinshausen und NSDAP-Kreisleiter Malitz aussagte.

Dieses Foto zeigt vermutlich Janusch Oborowitz auf der Zeugenbank im Malitz-Meinshausen-Prozess in der Görlitzer Stadthalle

Anneliese Getzel war laut Kabus [1] mit dem jüdischen Notar Heinrich Getzel verheiratet. Beide lebten angeblich bis 1944 gemeinsam in Göritz. Nach dem sie 1944 von der Gestapo aus ihrer Wohnung verwiesen wurden, kamen sie beim Rechtsanawalt und Notar Dr. Walter Schade unter. Schade vertrat nach Getzels Berufsverbot Görlitzer Juden in Rechtsangelegenheiten und wurde deshalb von den Nazis als »Judenanwalt« bezeichnet. Er half auch anderen Görlitzer Juden und müsste vielleicht auch als einer der „Gerechten unter den Völkern“ geehrt werden.

Hans Hiller War laut Roland Otto im Ghetto Tormersdorf, 15 km nördlich von Görlitz zur Zwangsarbeit verpflichtet worden [3].

Jakob Abramowitz führte laut dem Görlitz Adressbuch von 1912/13 ein Herren- und Knaben-Garderoben-Geschäft am Obermarkt 18. Im Jahre 1946 war er 86 Jahre alt und das älteste Mitglied der Gemeinde.

Ida Biederstädt wohnte einst auf der Bautznerstr. 1 . Ihre Familie war mindestens seit 1913 in Görlitz ansässig.

Offene Fragen

  • Haben sich die 1946 in Görlitz lebenden Juden wirklich als eine Gemeinde angesehen und gemeinsam ihren Glauben gelebt?
  • Haben die Gemeindemitglieder die Synagoge nutzen können?
  • Wie lange verblieben die zugezogenen Juden in Görlitz? Kann man im Einwohnermeldeamt weitere Informationen über sie in Erfahrung bringen?
  • Wo finden sich weitere Informationen über Dr. Walter Schade und die Getzels?

Literatur

[1] Ronny Kabus (2011): “… weine ich täglich um meinen Vater”: In der Gewalt Stalins und der SED. Books on Demand.

[2] Judenarbeitslager Tormersdorf

[3] Roland Otto: „Die Verfolgung der Juden in Görlitz unter der faschistischen Diktatur 1933–1945“. Stadtverwaltung Görlitz (Hrsg.). Görlitz 1990.

[4] Originalquellen der drei Listen der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Görlitz (1946) sowie ein Verzeichnis der extrahierten Personen. ITS Bad Arolsen.

startnext: Terezin explained

Der NS-Propagandafilm „Theresienstadt: Eine Dokumentation aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“(1944) ist das einzige erhaltene filmische Dokument aus einem Konzentrationslager. Wir, d.h. Armin von der Hillerschen Villa (Zittau) und ich (eScience Sachsen / Medienzentrum, TU Dresden) haben uns zum Ziel gesetzt diesen Film für den Einsatz als Lernmedium zu kommentieren und historisch einzuordnen. Durch eine Anreicherung mit geographischen und biografischen Informationen möchten wir eine tiefgründigere Auseinandersetzung mit dem Film ermöglichen und dabei die propagandistischen Wesensmerkmale kennzeichnen.

Die Mittel für die Aufbereitung des Films sind gesichert. Auf der crowdfunding Plattform startnext suchen wir seit heute nach Unterstützern, die uns helfen die Digitalisierung beim Bundesarchiv und damit die Grundlage des Projekts zu finanzieren: http://www.startnext.de/de/theresienstadt-explained

„Terezin explained“ steht bei Startnext in den Startlöchern

Derzeit haben wir nur noch 18, 11 4 die Mindstanzahl an Fans erreicht, damit das Crowdfunding für die Digitalisierung des Theresienstadter Filmdokuments bei startnext losgehen kann. Siehe funding page.

Der NS-Propagandafilm „Theresienstadt: Eine Dokumentation aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“(1944) ist das einzige erhaltene filmische Dokument aus einem Konzentrationslager. Wir wollen diesen Film für den Einsatz als Lernmedium kommentieren und historisch einordnen. Durch eine Anreicherung mit geographischen und biografischen Informationen möchten wir eine tiefgründigere Auseinandersetzung mit dem Film ermöglichen und dabei die propagandistischen Wesensmerkmale kennzeichnen.

Verzeichnis der 1941/42 im Ghetto Tormersdorf bei Rothenburg/OL verstorbenen Juden

Eine beläufige Entdeckung machte ich kürzlich bei einem Besuch beim International Tracing Service in Bad Arolsen. Unter der  Doc. No. 11199763#1 (1.2.1.1/0001-0060/0022C/0005), Archivnummer: 5013 findet sich ein Artikel von Bernhard Brilling mit dem Titel »Die Evakuierung. Die Evakuierung der Breslauer Juden nach Tormersdorf bei Görlitz Kreis Rothenburg, Oberlausitz, 1941|42«. Im Anhang dieses Artikels ist eine Liste der im Ghetto Tormersdorf ums Leben gekommenen Juden zu finden.

Der verwaiste Friedhofe im verwaisten Tormersdorf.

Ich hatte bereits vor einiger Zeit über eine Ortsbegehung in Tormersdorf berichtet und auf den schier unkenntlichen Friedhof im heute nicht mehr bewohnten Dorf rechts der Neiße hingewiesen. Die in der Litse genannten Toten dürften dort alle begraben liegen. Wo genau sich die Gräber befinden ist unklar.

Die Liste derjenigen Toten, deren Sterbeurkunden im Standesamt Rothenburg zu finden sind.