Der letzte Tag bei ZINSA

Gestern Abend waren wir mal nicht unterwegs und haben auch nicht die halbe Nacht verquatscht. Ich wollte endlich mal früh ins Bett und vollkommen fit meinen letzten Arbeitstag antreten. In den letzten Wochen hatte ich mir angewoehnt erst gegen 8.30 bei ZINSA zu erscheinen, um nicht übermäßig viele Überstunden anzuhäufen, die mir ohnehin niemand bezahlen oder ausgleichen würde. Arturo, mein direkter Chef, wollte das Intranet noch mal testen und erklärt haben. Mit ein paar kleinen Bugfixes und Änderungen zog sich das Ganze über den Vormittag. Mittagessen sollten wir diesmal auswärts, im Restaurant am Ovalo (Kreisverkehr) – 3km von ZINSA entfernt. Neben meinen Bürokumpanen und Jaime Rivero waren Elisa, Selica, Ketty, Luigti, Juan, so wie drei-vier Andere dabei, die ich gar nicht namentlich kannte. Naja, das war dann mein Abschiedsessen mit Cervice (Scharfer roher Fisch mit Limone) und Langusten. Gegen Ende hielten Jaime und Arturo meinetwegen eine kleine Ansprache vor den Anwesenden. Ich war hoch erfreut und nutzte die Gelegenheit mich bei allen zu bedanken und betonete viel gelernt zu haben, was zwar nicht sooo viel mit meinem Studienfach zu tun hatte, jedoch zur Anwednung desse beigetragen habe. Der Nachmittag verging mit letzten bugfixes und updates, so wie schier endlosen Beschreibungen, wie alles funktioniert und gewartet werden kann (== Einführung in Apache und Drupal). Mittlerweile war es schon 19 Uhr, Jose musste auf eine Betriebsratssitzung und mir blüten noch einige Server-Updates vor Feierabend. Ich wollte ohnehin auf Jose und Arturo warten, da sie mich auf einen finalen Pisco-Exzess eingeladen hatten. Gegen 20:30 waren wir die letzten Angestellten (also nicht in der Produktion arbeitenden), die die Firma verliessen. Bis dahin war ich jedoch so beschäftigt, dass ich mich nur von wenigen Leuten verabschieden konnte. Doch auch die Rivero-Brüder (Direktoren) und der Personalschef liessen sich (wohl aus Zeitgründen) nicht bei uns blicken. So wurde ich also ziemlich kalt entlassen. Luigi – aus der Personalabteilung – schaffte es immerhin mir eine Praktikumsbestätigung zu schreiben. Leider wusste auch er nicht, wie man meinen Namen schreibt. Auf einen Arbeitsvertrag und ein qualifiziertes Zeugnis warte ich bis heute. Etwas angesäuert verliess ich den Laden und stürzte mich mit Arturo und Jose in eine Bar in Pueblo Libre.

Los Ingeneros de Sistemas: Jose Luis und mein Chef Arturo.

Schnell stand eine Flasche Pisco auf dem Tisch. Anticucho (gegrillte Rinderherzen) sorgte als eine brauchbare Grundlage für eine zweite und dritte Flasche des hochprozentigen Nationalgetränks. Wir plauderten amüsiert über Peru und die Lebensumstände. Die beiden erzählten mir ihre umwegigen Lebensgeschichten. Es ging um Kaffee-Zigaretten-Diäten, Emigration und Siegmund Freud. Jose hatte so manches studiert, bevor er formal zum Informatiker wurde, doch dabei fehlt ihm das Nerd-Gen. Komplexe Systeme oder gar Programmieren mag er gar nicht. Viel lieber ist ihm da seine neue Arbeit mit dem Syndicato (Betriebsrat). Arturo verwunderte mich mit seiner Arbeitsphilosophie: “Pensar diferente” (Anders Denken), die mir bei ihm zwar nie bewusst wurde, mich jedoch hoffen lässt. Letztlich war ich sehr gerührt als er nochmal erklärte, wie viel er von mir lernen konnte. Eigentlich ist es ja paradox, wenn ein Meister (fachlich) von seinem Schüler lernt, doch ich glaube es gibt schlimmeres. Arturo war ohnehin nur zu 33% mit den IT-Aufgaben betraut, den Rest seiner Arbeitszeit hatte er sich um das ISO Qualitätsmanagement und gewissen Finanzsachen zu kümmern.

Bereits nach der zweiten Flasche Pisco hatte ich ordentlich einen in der Krone und sprach so fliessend spanisch, wie noch nie. Arturo wollte schon früher los, um seine Geliebte noch vor seiner Ehefrau beglücken zu können. Jose hielt heiter und lebensfroh durch. Gegen 2:30 trudelte ich bei Monica – meiner Gastgeberin für diese Woche – in San Borja ein. In ihrer gemütlichen Studenten-WG hatte ich mich die letzten Tage ausgesprochen wohl gefühlt. Ich habe es genossen endlich wieder mal eine saubere Küche zum Kochen vorzufinden.

Wie vor 100 Jahren

Wie zu Zeiten der Industrialisierung in Europa

Heute noch mal ein paar Worte zu Z., der Firma, in der ich mein Praktikum absolvierte. Im Vergleich zu deutschen Unternehmen, die gleichsam Zink-, Messing- und Bleiprodukte herstellen, fällt zunächst auf, dass ungeheuerlich viel Dreck in die Luft geblasen wird, bis er im Laufe der Zeit wieder herabregnet. Ebenso, wie die Luft, sorgt man sich nicht um Reinhaltung von Boden und Wasser. Blei ist also überall – nicht zuletzt auch im Kantinenessen und in der Kleidung die man im Büro trägt. Doch damit nicht genug: hinzu kommt eine ständige Lärmbelastung durch Maschinen und die Fernseher in der Kantine. Doch auch dass wäre ja noch nicht so schlimm, solang wenigstens die Arbeiter ausreichend geschützt wären. Klar hat man Ohrstöpsel, Helm und Luftfilter, doch der Feinstaub ist überall. Beim Mittagessen dachte ich manchmal Schneemänner sitzen am Nachbartisch, so weiß waren ihre Gesichter vom Zinkoxid. Das Blei hingegen, sieht man nicht.Vor gut zwei Wochen kam es zum Aufstand. 200 Arbeiter aus der Produktion legten ihre Arbeit nieder und forderten bessere Arbeitsbedingungen. Genauer gesagt ging es ihnen um:

  • die Reinigung, der mit Blei kontaminierten Arbeitskleidung,
  • bessere Atemschutz-/Filtermasken,
  • eine genauere Lohnabrechnung,
  • eine Verkürzung der Arbeitszeit von 12 (!!!) auf 8 Stunden pro Tag,
  • eine gerechtere Behandlung durch die unmittelbaren Vorgesetzten (Supervisores)
  • mehr Lohn (derzeit: 35 Euro (S./150) pro 7-Tage-Woche bzw. 84 Stunden)
  • Wahl eines Betriebsrates (Syndicato)

Die erste Reaktion der Unternehmensführung war die sofortige Entlassung des Produktionsleiters und fünf weiterer Arbeiter. Als dies vor versammelter Belegschaft bekannt gegeben wurde, applaudierten alle (Böro-)Angestellten. Urplötzlich wandelte sich das Verhalten der Direktoren gegen über den Arbeitern. Fast schon ängstlich lächelten und winkten sie ihren Untergebenen zu, die von nun an mit Bussen zur Arbeit gefahren werden, damit sie sich auf der Straße nicht mehr mit Gewerkschaftsvertretern treffen können. Ein Priester wurden zu Mittag in die Kantine bestellt, um eine (corporate-)Predigt zu lesen: “… und wenn ihr nicht arbeitet, wird nichts produziert, es kann nichts verkauft werden und ihr verliert eure Arbeit, wie eure Familien ihr Einkommen”, so seine barmherzigen Worte. Die Geschäftsleitung war allerdings auch nicht darum verlegen, rational zu argumentieren. Die Vorzüge eine Anstellung bei Z. lägen weit über dem landestypischen Durchschnitt. Zwar verdienen die Mitarbeiter nur durchschnittlich und erheblich weniger, als manch Arbeiter in einer Mine, doch garantiert Z. darüber hinaus auch die gesundheitlich Versorgung der Familienangehörigen – und sei es auch nur durch einen Medizinstudenten. Das war’s aber auch schon. Alles in allem erinnern mich die hiesigen Zustände an das 19. Jahrhundert und die Zeit der erstem Industriellen Revolution. Ich mag es kaum mit meinem Gewissen vereinbaren, doch noch weniger habe ich die Möglichkeit Veränderungen herbeizuführen. Die täglichen Diskussionen mit einem der CEOs während der morgendlichen Fahrt zur Arbeit fruchten nicht, doch vielleicht wirken sie nach. Trotzdem: Welch Scham.

Wußtest du, …

… welches die drei tiefsten Canyons der Welt sind?

  • Cotahuasi, Peru: 3600 m
  • Colca, Peru: 3400 m
  • Colorado, USA: 1600 m

… in welchen drei Ländern es die größte Vielfalt an Kartoffeln gibt?

  • Peru: 3000 Sorten
  • Bolivien: 650 Sorten
  • Chile: 280 Sorten

… in welchen Departments Peru die meisten Sprachen gesprochen werden?

  • Loreto: 22 amazonische Sprachen
  • Madre de Dios: 9 amazonische Sprachen
  • Ucayali: 7 amazonische Sprachen

… in welchen Departments die meisten Leute Quechua sprechen?

  • Apurimac: 76,6%
  • Ayacucho: 70,6%
  • Huancavelica: 66,6%
  • Cusco: 63,2%
  • Puno: 43,2%

Die Zeitverschiebung in Peru

  • Das erste Flugzeug landete 1909 in Peru, also 6 Jahre nach seiner Erfindung.
  • Das erste Mobiltelefon schellte 13 Jahr nach dem Aufkommen in El Peru
  • Die erste Telegraphenleitung entstand bereits 13 Jahre nach der Erfindung (1857)
  • Die erste Radiostation ging 28 Jahre nach der Erfindung des Radios (1925) auf Sendung
  • Der erste Fernsehsender liess 30 Jahre nach seiner Erfindung (1958) auf sich warten
  • Das erst Auto kam 42 Jahre nach der Erfindung (1902) nach Peru
  • Das erste Fahrrad rollte 56 Jahr nach seiner Erfindung 1895 auf Perus Wegen
  • Die erste Eisenbahn schnaufte in Peru gar erst 126 Jahre nach ihrer Erfindung durch die Anden
  • Das erste Buch wurde in Peru 144 Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks (1584) gedruckt.
  • Die erste Dampfmaschine traf 157 Jahre nach der Erfindung (1820) in Peru ein

7 Gründe Meerschweinchen (Cuys) zu züchten

<Ironie>

  • 100g Meerschwein (Cuy) haben nur 960 Kalorien (Vgl. Huhn: 1700, Schwein: 3750)
  • Ein Cuy-Männchen kann 80 bis 100 Nachkommen jährlich zeugen
  • Auf 2m^2 können 11-16 Cuy gehalten werden
  • Pro Kilogramm Körpergewicht frisst ein Cuy im Laufe seines Lebens nur 3-4 Kg Futter. Das entspricht einem Veredelungsfaktor von 3-4 (Rind: 12, Schwein: 6, Hühnchen 2-3, chinesischer Karpfen: 1).
  • Cuys kann man ganz einfach unter dem Küchentisch (=2m^2) halten und gelegentlich Küchenabfälle fallen lassen, die sie dann fressen
  • Wenn man sich Cuys zur Brust nimmt, wird man gesund, vorausgesetzt Geschlecht, Haarfarbe, Gewicht-Größe-Verhältnis, Alter (relativ), Form (relativ) von Cuy und Patient sind identisch.
  • Es gibt dutzende Cuy-Gerichte, z.B. Cuy-Suppe: man nehme zwei Cuys, 1/2 Tasse Öl, 1.5L Wasser, 1/4 Tasse Reis, 4 Kartoffeln, frischen Oregano und Salz, dann einfach das Cuy von Kopf und Pfoten befreien, 5 Minuten im Öl anbraten, nun das Fett entfernen und das Wasser drauf gießen und mit den restlichen Zutaten kochen und am Ende würzen.)

</Ironie>

Erdbeben nahe Lima

Ich war im Begriff mit Elisa nach Hause zu fahren, doch plötzlich wurde mir etwas schwindelig. Es war mir, als hätte ich einen Flashback vom peruanischen Skunk, den mir Galahad tagszuvor rollte. Die Autos auf dem Parkplatz wackelten, der Car-Port schwankte und über dem Asphalt breiteten sich Wellen aus. Ich traute mich kaum Elisa zu fragen, was hier los ist und staunte stillschweigend über meine scheinbaren Halluzinationen. Plötzlich begann Elisa laut zu jammern und ich verstand, dass es ein Erdbeben ist. Gute zwei Minuten hielt es an. Stärke 7.9 auf der Richterskala (Im Zentrum des Bebens). Auf der Mercalliskala hatte das Beben in Lima eine gefühlte Stärke von 5 bis 6. Das Epizentrum lagt ca. 120km südlich von Lima, nahe der Stadt Ica, und 60km westlich im Pazifik. Die Erschütterungen waren selbst in Cajamarca und in Kolumbien zu spüren. Weite Teile von el Callao (mein Arbeitsort) und Lima lagen im Dunklen, da die Strommasten den Schwingungen nicht stand hielten. Das Handy- und Festnetz brach schlagartig zusammen. In Molina, einem besonders gefährdeten Stadtteil Limas, brach das Dach der dortigen Jura-Fakultät zusammen. Viele Häuser weisen Risse auf. Besonders schlimm sind die Auswirkungen im Department von Ica. Die Städte Ica, Pisco und Chincha sind zu über 50% zerstört. Betroffen sind hauptsächlich historische Bauten (Kirchen) und Häuser aus Ziegeln bzw. Lehmstein. Auch das Haus der Eltern meines Chefs ist in Ica eingestürzt. Das letzte grosse Erdbeben in Peru war im Jahr 2001. Damals starben relativ wenig Menschen (88), da sich die meisten Leute an jenem Sonntag Nachmittag im Freien befanden. Wesentlich verherrender waren die Beben der Jahre 1940 und 1970. Bei letzteren kam es zu Erdrutschen, Überflutungen und einer heftigen Tzunami. Die Stadt Yungay, nahe Huaraz, wurde damals vollständig von einer Schlammlawine bedeckt, nachdem sich eine riesige Eisscholle von einem Gletscher gelöst hatte und das Wasser aus einer Lagune ins Tal drückte. Nach dem gestrigen Beben wurden bislang 377 Tote geborgen, wobei sich diese Zahl nur aus den Opfern in den grösseren Städten berechnet. Unklar ist die Situation in den Dörfern. Weiterhin gibt es in den betroffenen Gebieten im Department von Ica kein Strom und Wasser. Der Teil Miraflores, in dem ich wohne, gehört aufgrund seiner Bodenbeschaffenheit zu den erdbebensichersten der Stadt. Besonders gefährded ist, neben dem erwähnten Stadtteil Molina, auch der Hafen von el Callao.

Ironischer Weise hatte mich gestern morgen, also vor den Beben, mein Kumpel Miles zu einem Vortrag ueber “Erdbebensicherheit in Lima” (Earthquake Safty Prevention) eingeladen. Miles hätte den Vortrag des Erdbebenexperten Anibal Paredes nicht besser timen können, denn 10 Minuten vor Beginn des Vortrags begann die Erde zu beben. Einige schwächere Nachbeben während des Vortrags, verdeutlichten die Notwendigkeit von Vorsorgemaßnahmen. Miles bewohnt und managed des örtlichen SAE Club Hauses, wo der Vortrag stattfand. Zur Nachbereitung des Erdebebens holte Anibal eine feine Flasche Pisco aus seiner Tasche und als diese leer war, sorgte Miles für Nachschub. Wir plauderten bis in die Nacht über Richterskalen, Inka-Highways und obskure Russen, die hier Waffen kaufen.