Morgenstund und Orchideen

Gegen Mittag wurde es richtig heiß in Piura. Mein Bus stand in der brütenden Hitze und liess den Motor warm werden (das machen hier alle Autofahrer bevor sie losfahren).  Für die nächsten 18 Stunden quetschte ich mich in die erste Sitzreihe, die für Kinder gemacht schien. Der Bus fuhr Richtung Osten durch die kargen Trockenwälder bis schliesslich die ersten Andengipfel auftauchten. Ständig stiegen Leute hinzu und sammelten sich im Gang. Mehrere Babys schrieen. Einige Kinder saßen aufeinander. Durch ein kleines Dreiecksfenster konnte ich mein rechtes Bein hinausstecken und etwas Platz und Abkühlung erlangen. Des nachts verbesserte sich die Temperatur ein wenig. Wir hielten in Jaen, wo die Takstellenbesitzer, schier normal, seinen Kunden mit einem Gewehr entgegentraten. Die Warnungen vor nächlichen Überlandfahrten des deutschen Auswärtigen Amts und verschiedener Reiseführer kamen mir plötzlich wieder in den Sinn. Dennoch schaffte ich es ein Auge zu zu drüken und war ganz verdutzt, als mich irgendjemand morgens um 5 Uhr in Moyebamba weckte. Es war noch dunkel und auf dem Busbahnhof nächtigten einige Leute. Ich setzte mich auf eine Bank und frühstückte ein paar belegte Brote und Bananen. Auf der so genannten Toilette konnte ich mir sogar die Zähne putzen. Inzwischen war es hell geworden und die Meute von Motofahrern (dreirädrige Motorradtaxis) stand in den Startlöchern. Ich eröffnete eine Auktion für eine Fahrt zu den Schwefelbädern. Philofeno gewann innerhalb von 10 Sekunden mit seinem Angebot von 8 Soles. Mit einem Grinsen und hochgetreckten Daumen verabschiedete er sich von seinen Kollegen und führte mich zu seinem Moto.

Die Schwefelbäder lagen am Rande des Waldes, etwa 30 Minuten ausserhalb der Stadt. Die Sonne war noch nicht mal richtig aufgegangen, als wir am Ende eines holprigen Weges die drei milchig weißen Bassins erblickten. Ein junger Kerl fischte noch schnell ein paar Blätter heraus, bevor ich mich kurz in die kühlen Pfützen setzte. Der recht unangenehme Schwefelgeruch machte es nicht gerade zu einem prickelnden Erlebnis, doch immerhin fühlte ich mich danach etwas sauberer und angenehmer als zuvor. Etwas oberhalb der Becken befand sich die Quelle, so wie ein 10m hoher Wasserfall, in dessen Fallbecken sich einige Flusskrebse tummelten.Wenngleich Moyobamba die Hauptstadt des Departmento San Martin ist, bietet sie nichts Aussergewöhnliches, was mich zu einem längeren Aufenthalt hätte bewegen koennen. Lediglich eine kleine private Orchideenausstellung der Familie Villena-Bendezu weckte mein Interesse.

Es war vielmehr eine kleine Gärtnerei mit allerhand Viehchern. Neben großen Aras und anderen kleineren Papageien, saßen eine Schildkroete, vier Krokodile, eine Boa Constrictor und zwei Schweine hinter Gittern und Glas.

Die gebotene Vielfalt an Orchideen war beindruckend. Einige Arten kannte ich aus Mutters Blumentöpfen, andere hatte ich anderenorts im Hochlanddschungel (nahe Cusco) gesehen. Der gesamte Garten grenzte unmittelbar an den Urwald. Nebelschwaden verhüllten den Ursprung teils schriller, elektronisch anmutender Töne. Eine gute Stunde hielt ich inne und bestaunte diesen paradisischen Ort samt seiner Blütenpracht. Die Schönheit der Orchideen schien sich übrigens auch auf die Frau Gärtnerin und ihre beiden Töchter ausgewirkt zu haben.

Nun gut, es war gerade mal 8:20 als ich ein Sammeltaxi nach Tarapoto gefunden hatte. Mit quietschenden Reifen drifteten wir auf der super aspfaltierten Straße binnen zweier Stunden in die “Stadt der Palmen”. Die schwüle Hitze erdrückt mein Verlangen nach touristischen Unternehmungen, die es ohnehin nicht gab, und so bewegte ich mich nicht einmal ins Stadtzentrum. Statt dessen lungerte ich den ganzen Tag in der Halle eines Taxiunternehmen (Cajamarca S.A.) herum. Nicht das es mir dort gefallen hätte, doch irgendwo musste ich ja schliesslich warten bis die Bauarbeiter die Straße nach Yurimaguas wieder frei geben. Ein nahes Internetcafe zerstreute die Langeweile ein wenig. Wegen Sprengungsarbeiten ist die Strasse nach Yurimaguas, außer sonntags, lediglich zwischen 18 und 5 Uhr befahrbar. Bis vor einiger Zeit galt die Strecke wegen der großen Cocaplantagen und Drogenlabors noch als äußerst gefährlich. Die ungeminderte Bedeutung des Drogengeschäfts ist kein unwesentlicher Grund für Tarapotos wirtschaftliches Wohlergehen. Jedoch ist mir nichts der Gleichen aufgefallen.

Tarapoto

Zwischenstopp

Mein Wunschhotel war ausgebucht und so lief ich etwas planlos durch die Nacht. Drei freundliche Nachtwächter halfen mir dann bei der Suche nach einem günstigen Hotel, da sie meinten Piura sei sehr sehr gefährlich. Ok. Für 20 Soles (5 Euro) erhielt ich ein Zimmer im “El Tambo” (Quechua: Die Herrberge). Im Badezimmer saß eine Kakalake und später spazierte eine zweite über meine Nase während ich schlief. Das Hotel zu wechseln stand außer Frage, doch viel lieber wäre ich gleich nach Moyabamba gefahren. Doch es gab keinen Platz mehr im Bus. Piura ist zwar ganz Ok, aber auch nicht unbedingt sehenswert oder gar schön, um einen ganzen Tag auszuharren.

Als ich letztlich im meinem Wunschhotel “Los Jardines” ein Zimmer bekamm war alles in Ordung. Morgens konnte ich im benachbarten Club Grau bei lässigem Elevator-Sound (Fahrstuhlmusik) meine Bahnen schwimmen, bis schliesslich mein Bus nach Moyobamba fuhr.

Ganz weit oben …

… im Norden des Landes wollte ich mit meinem ehemaligen Praktikumskollegen Larsen eine Wochen am Strand relaxen und die Hektik der letzten Tage verarbeiten. In Mancora, wo das Meer ganzjährig warm ist, bot sich die beste Gelegenheit, um ausgelassen bei Gras und Cuba Libre am Meer zu liegen. Unser Hostel lag am Strand, unter Palmen, hatte einen Pool und eine Menge Backpacker, die gerade aus Ecuador oder dem Rest von Südamerika dort eintrafen.

Frühstücken so gut und lang es geht …

… und dann an den Strand gehen.

Während eines Biers in der Sonne holten wir uns einen Sonnebrand und waren bedient. Die Nähe zum Äquator (4.5°) hatten wir unterschätzt. Am Abend trafen wir eine Gruppe, teils schräger Israelis im Hostel. Nicht etwa weil sie Hühnchen und wir Meeresfrüchte essen wollten, sondern viel mehr, weil jene vier Herren gerade aus der Armee entlassen wurden und psychisch angeschlagen waren. Die eigentlich Diskussion über die israelische Politik fand bereits am Vorabend ohne uns statt. Die Meinungen variierten heute zwischen einer buchstäblichen Endlösung der Palestinafrage durch den Exodus aller Palestinenser und einem moderaten Miteinander. Man muss glaube ich verstehen, dass junge Menschen nach drei bzw. zwei (Mann / Frau) Jahren Armee durchaus traumatisiert sein müssen. Zum Auskurrieren ihrer Kampferfahrungen ist es in Israel nach dem Militaerdienst üblich für ein Jahr oder länger durch die Welt zu Reisen. Dass viele Hotel und Hostelbesitzer in Peru aus Angst vor Unruhe gar keine Israelis unter 25 Jahren mehr einquartieren, ist dennoch ein Fakt.

Am Donnerstag wollten wir mal rauskommen und in den Mangrovenwald fahren. Der lag 130 km nördlich, unweit der ecuandorianischen Grenze. Mit Sabrina (Österreich), Larsen und Tom (Schweiz) liessen wir uns und von einem Guide dort hin kutschieren. Daraus wäre fast nichts geworden, hätte er dem Polizisten an der Strasse nicht mit ein paar Soles bestochen. Doch schliesslich standen wir an jenem stinkenden Fischereihafen namens Puerto Pizzaro, von dem aus unser Boot in den nahegelegenen Mangrovenwald ablegen sollte. Natürlich ging das nicht so schnell.

Der Mangrovenwald entpuppte sich als ein Wäldchen mit Leguanen und allerhand Federvieh, deren Namen ich mich nicht mehr entsinnen vermag. Auf einer Sandbank legten wir an und wanderten ein Stück. Da waren Krebse, die sich bei jedem Annäherungsversuch in ihren Sandlöchern verkrochen, und da waren ein paar Fische, die ein Fischer aus seinem Boot geworfen hatte.

Ein paar hundert Meter weiter wartete eine tote Schildkröte, auf dass ihr die Voegel den Panzer leer fressen. Unweit davon versuchte sich ein Mann im Goldschürfen und siebte fleissig den Meersend. Erfolg fraglich. Schliesslich legte sich unser Guide ins Zeug und fing unter schweren Verlusten einen Krebs. Das Tierchen war zu klein zum Essen und trotzdem zwickte es tief in seinen Finger. Aber einem hartgesottenen Naturfuehrer macht so etwas nicht zu schaffen. Er wusch sich die Hände und machte sich daran, uns einen frischen Salat zu bereiten. Entkernte Oliven, gehobelte Karotten samt Ananas und Nudeln vereinten sich binnen weniger Minuten – am Sandstrand wohl gemerkt. Der Bootsman bekam auch etwas ab, und so schipperten wir gestärkt in die nächste Mangrovengasse – zur Krokodilfarm. Nach einige Mosquitostichen erreichten wir die Zuchtstätte der ansonsten langweilen Reptilien. In der Mittagshitze dösten die verschieden großen Tiere vor sich hin und bewegten sich nur notgedrungen in die Wasserbecken. Da uns niemand etwas ueber die Krokos erzählen wollten, kitzelten wir ihnen eigenerhand ein paar Töne heraus. Wenn man sie mit einem Stöckchen auf der Nase streichelt, fühlen sie sich geschmeichelt und stönen ganz laut. Nee, quatsch – die greifen natürlich an.

Mit dem Bus um 9 wollte ich nach Piura fahren. Und wäre ich nicht eingeschlafen, hatte ich da auch gleich aussteigen können. Der Busbegleiter wollte mich dann andauernd an irgendwelchen düstren Tankstellen an der Pan Americana rauslassen, doch so schnell wollte ich mein Gepaeck nicht aufs Spiel setzen und folgte dem Rat anderer Reisender, bis zum nächsten Mout-Kontrollpunkt zu warten. An einem solchen stieg ich dann auch aus und stoppte den nächst besten Bus nach Piura.