Workshop: Unternehmensethik im digitalen Informationszeitalter

Freitag, 15. Oktober 2010 am Internationalen Hochschulinstitut Zittau. Das Programm des Workshops wirkt ausgewogen und war mir einen Beitrag wert:

Abstract: Probleme der Informationsfreiheit und informationellen Selbstbestimmung im Internet
Der freie Zugang zu Information ist eine oft beschworene Eigenschaft des Internets. Doch stellt sich die Frage, ob bei einer solchen Einschätzung die Fülle an Information über technische, kommerzielle sowie politische Zugangshürden hinweg täuscht. Exemplarisch sei hier auf die aktuelle Diskussion zur Netzneutralität verwiesen, wo die technisch limitierte Bandbreite der Informationsnetze, aufgrund der erhöhten Nachfrage seitens bestimmter Service-Anbieter (Online-Video, Web-TV), der Ausverkauf droht, sofern die Bevormundung der Datenübertragung zahlenden Dienstleister nicht gesetzlich unterbunden wird.
Die Verknappung der Bandbreite geht dabei mit dem steten Zuwachs an Information im Netz einher. Ursächlich dafür zeigen sich nicht nur Großunternehmen wie Google, die verschiedenartige maschinelle Daten akquirieren, sondern in erster Linie die Nutzer, welche vielfältige Informationen sammeln und strukturieren helfen.
Wie jede technologische Evolution, steht auch die Zugänglichkeit von Information in einer wechselseitigen Beziehung zwischen Ursache und Wirkung bzgl. des kulturellen Kontextes. Eine dieser Beziehungen ergibt sich im Spannungsfeld mit der informationellen Selbstbestimmung der Nutzer und bedarf ihrerseits zeitgemäßer, d.h. technologisch-adäquater Rahmenbedingen im Zuge dieser bereits beobachtbaren kulturellen Evolution.

Der Freifunk nach dem BGH-Urteil

Ein drahtloser Netzzugang ist in Deutschland für Gäste in Cafés, Hochschulen, Jugendherbergen und Hotels bereits selbstverständlich geworden. Diese Einrichtungen haften sinnvollerweise nicht für die Netznutzung ihrer Gäste, so wie die Post auch nicht für den Inhalt von Paketen haftbar gemacht wird.
Wenn ich mich jedoch als Privatperson gastfreundlich zeige und meinen Gästen anbiete, Datenpakete über mein WLAN-Vertriebsnetz in die weite Welt zu verschicken, kann ich laut dem BGH-Urteil dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Schlimmer noch: die Beweislast meiner Unschuld liegt bei mir. Glück hat, wer, wie der Beklagte, seine physische Abwesenheit während der Tatzeit durch Urlaub o.ä. beweisen kann.

Treuglaube an sichere Technik
Neben einem “Vergehen gegen sich selbst” wird hier das “Vergehen gegen andere” angeführt und dem Staatsbürger eine neue Pflicht auferlegt:

Auch Privatpersonen, die einen WLAN-Anschluss in Betrieb nehmen, ist es zuzumuten zu prüfen, ob dieser Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen hinreichend dagegen geschützt ist, von außenstehenden Dritten für die Begehung von Rechtsverletzungen missbraucht zu werden. Die Zumutbarkeit folgt schon daraus, dass es regelmäßig im wohlverstandenen eigenen Interesse des Anschlussinhabers liegt, seine Daten vor unberechtigtem Eingriff von außen zu schützen. Zur Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen durch unberechtigte Dritte ergriffene Sicherungsmaßnahmen am WLAN-Zugang dienen zugleich diesem Eigeninteresse des Anschlussinhabers.

Das Argument des Selbstschutzes ist m. E. für den Freifunk hinfällig, denn aus der Bereitstellung eines offenen Netzzugangs folgt nicht, dass (a) der Zugangsprovider diesen auch selbst (unverschlüsselt) nutzt und (b) er damit seine persönlichen Daten preisgibt.

Wer willentlich oder adäquat kausal die Verletzung geschützten Rechts herbeiführt und weder Täter noch Opfer ist, gilt laut Definition des BGH als Störer und kann zur Unterlassung gezwungen werden.
Dem WLAN-Betreiber trifft die Pflicht sein WLAN einmal ordnungsgemäß zu konfigurieren. Absurder Weise hatte der Angeklagte sein WLAN mit einer vergleichsweise sicheren Technik (WPA1, 16-Stelliges randomisiertes Passwort) ordnungsgemäß konfiguriert und fiel trotzdem einem Hack zum Opfer (oder doch nicht?). Es bleibt offen, welche Prüfungspflichten zumutbar sind und in welchem Maße sie auszuführen sind. Veraltete Hardware kann man beispielsweise nicht immer sicher konfigurieren, jedoch sehr wohl willentlich einsetzen.
Fraglich ist darüber hinaus die Tragweite dieses Urteils, wenn etwa Windows-Nutzer als Störer gelten, deren Rechner als Teil eines Bot-Netzes agieren, Spam versenden oder sich an DOS-Attaken beteiligen. Wer seinen PC nicht ausreichend vor Schadsoftware schützt, handelt willentlich und kann adäquat kausal gesetzwidrig handeln.

Lösungen für den Freifunk
Die Freifunk-Firmware basiert auf dem OLSR-Protokoll und funktioniert somit im ad-hoc-Modus, statt nach dem Client-Server-Prinzip der üblichen Router-Konfiguration. Die Übertragung zwischen einzelnen Knoten in ad-hoc-Netzwerken lässt sich nicht direkt verschlüsseln. Per se kann man mittels der Basisversion der Freifunk-Firmware den Anforderungen des BGH-Urteils nicht gerecht werden und auf kommende juristische Auseinandersetzungen sollte man besser nicht warten. Gesucht sind also technische oder juristisch-organisatorische Lösungen, damit geschütztes Recht, wie z.B. das Urheberrecht bzw. die Ausnutzung desselben durch die Musikindustrie, nicht verletzt werden kann. Solche Lösungen braucht es um mittels Freifunk die Digitale Gastfreundschaft für Notebook-Nomaden aufrecht zu halten und das bürgerschaftliche Engagement für den Freifunk nicht zu verspielen.

Für den Freifunk ergeben sich meines Erachtens nur drei technische und eine organisatorische Lösung:

  1. Whitelist: durch die Zugriffsbeschränkung auf bestimmter IP-Adressen bzw. URLs ließen sich Gesetzeskonflikte weitgehend vermeiden. Nachteil: Der Freifunk wäre nicht mehr frei.
  2. Öffentliche Proxy-Server: sämtlicher Datenverkehr erfolgt indirekt über einen Proxy, wie etwa Google Translate. Nachteil: Der Zugang wird langsam.
  3. Kombination aus Whitlist und Proxy Server.
  4. Der Freifunk agiert unter dem Dach einer größeren Organisation und stellt sich nach Außen als Bildungseinrichtung dar.

Innerhalb der Zittauer Freifunk-Initiative werden diese Lösungsmöglichkeiten bereits seit längerem diskutiert. Umständlich sind sie allemal.

Land Sachsen muss sparen und will sich keine freie Software leisten

Schlappe 9.334.670,24 Euro gibt die sächsische Staatsverwaltung jährlich für Softwarelizenzen aus. Hinzu kommen 4.309.183,72 Euro für deren Support. Im krassen Gegensatz dazu werden lediglich 6.216 Lizenzen von “FLOSS-Betriebssystemen” (Free/Libre Open Source Software) eingesetzt.
Hieß es nicht, dass in allen Bereichen 20% Kosten eingespart werden müssen? In Kindergärten, Hochschulen und bei den Softwarelizenzen nicht? Die schrittweise Migration vom proprietärer Software zu FLOSS ist, neben dem Festhalten an veralteter Software, der einzige Weg, um an diesen Kosten zu rütteln.
Die vorgestellten Zahlen finden sich alle im Antwortschreiben der Sächsischen Staaatsregierung auf die Anfrage der Grünen. Die gestrige Debatte im Landtag ist bezeichnend für die starre Haltung von CDU und FTP. Vielfach ist von “strategischen Gründen”, die gegen die Einführung von FLOSS sprechen, die Rede. Benannt wurden diese Gründe nicht.

Was spricht dagegen, den Einsatz von FLOSS wenigstens zu fördern und bei Ausschreibungen – je nach Anforderungen – zu fordern?
Besonders bedauerlich ist die Antwort auf Frage 23, wonach keine Arbeitshilfen (z.B. Migrationsleitfäden) für die Umstellung auf Floss existieren. Abgeurteilt wird diese schlichte Frage mit der nicht geplanten grundlegenden Umstellung der Systemlandschaft (tolles Politiker neusprech) auf FLOSS. Das liest sich, als gäbe es nur ein entweder oder – entweder Fichtelberg oder Leipziger Tieflandsbucht. Dazwischen gibt es jedoch eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie zum Beispiel Open Source Office Programme, die auf einem Windows-Rechner laufen oder kommerzielle Mailclients, die auf einem Linux Mailserver zugreifen. Genau dann, wenn es nur marginale Funktions- und Bedienunterschiede zwischen gleichwertigen Anwendungen gibt, sollten FLOSS Produkte bevorzugt werden. Auch und gerade bei der Einrichtung neuer Arbeitsplatzrechner.
Dass eine Migration möglich ist, beweisen die Kommunen “Schwäbisch Hall, Böblingen und Freiburg”. Auch München konnte zu Open Office migrieren, wenngleich die Umstellung auf Linux sich noch hinzieht, heißt es weiter.

Im Antwortschreiben der Staatsregierung konnten keine Aussagen zur Anwendung von FLOSS in den Sächsischen Kommunen gemacht werden. Darin sehe ich die Gunst der Stunde für sächsische PIRARTEN, eine verbesserte Anfrage mit gleicher Absicht, den größeren Kommunen zu stellen – vielleicht als offener Brief. Schließlich bekennen wir uns auch in unserem Programm zu FLOSS!