El viaje en el camiñon

Ein Mann veriet mir, dass ich auf dem Markt einen Kartoffellaster finden würde, der auf direktem Wege nach Leymebamba fährt. Eigentlich hoffte ich ja auf eine Busverbindung, doch eine solche gibt es nur sonntags und dienstags. Blöd, dass heute Monatg ist und auf dem Markt kein Laster weit und breit verkehrt. Am Rondell sollte, wie jeden Morgen, irgendwann ein LKW abfahren. Ich meine jene LKWs, die ausschliesslich Personen und deren Waren transportieren – sie verkehren sogar in den Randbezirken Limas. Ich saß nun mit Sack und Pack am Kreisverkehr und wartete auf meinen Laster. Eine gute halbe Stunde später rollte ein 7,5-Tonner an. Zugleich sicherte ich mir den besten Platz auf dem Führerhaus. Während der LKW noch drei Runden durch die Stadt drehte, um Leute einzusammeln, versuchte ich es mir auf meinem Schlafsack bequem zu machen. Und es dauerte nicht lang, da saß die kleine Isabela neben mir. Mit grossen Augen und etwas schüchtern starrte sie mich an. Mein Bart musste wohl sehr eigenartig auf sie gewirkt haben.

Auf der Ladefläche standen nun dicht geträngt 30 Leute. Ein dudelndes Kofferadio rauschte im Duett mit dem rörigen Dieselmoter. Der Wagen schaukelt und wippt auf den schlechten Bergpisten. Drum herum staubt es. Äste und Zweige peitschen an mir vorbei. Isabela lächelt. Wir unterhalten uns ein bisschen, bis ein Junge hinaufsteigt und ihr stolz wie ein Macho von seinen Kühen und Pferden erzählt. An einer Weggabelung halten wir in einem ‘Restaurant’. Ich schau gar nicht erst, was es zu essen gibt und schlafe statt dessen bis mich die Kinder wecken um mir Tiere (Loros, Affen, Condores) und Pflanzen zu zeigen.

Natürlich denken sie, wie alle auf dem LKW, ich sei ein us-amerikanischer Gringo. Als ich ihnen sage, dass ‘Camiñon’ im Amerikanischen ‘Truck’ heisst, freuen sie sich riesig und wiederholen das Wort immer und immer wieder. Am Ende der Fahrt wissen sie, wie man bis 40 zählt und sich vorstellt. Bei der zweiten Reifenpanne geht Isabela mit ihrer Mutter in ihr Dorf; nahe Balsas. Ihr Lächeln schwindet, kurze Zeit später ist sie mit einem grossen Beutel auf dem Rücken im dichten Urwaldgrün des Rio-Mariñon verschwunden. Auf dem LKW sitzen scheinbar nur noch Leute aus ein und demselben Dorf. Ein Grauhaar mit goldener Armbanduhr konfrontiert mich aus dem Nichts mit europäischer Wirtschaftspolitik und den Folgen von Globalisierung. Ich kann ihm kaum folgen und noch weniger argumentieren. Er ist gebildet und möchte, dass ich ihm zustimme. Hundert Kurven weiter erscheint endlich das ersehnte Dorf meiner Mitreisenden. Mit einem lautstarken ‘Ciao Gringo’ verabschieden sie sich im Chor. Ziemlich genau zum Sonnenuntergang erreichen wir Barro Negro – den Pass auf 3800m Höhe. Von nun an wird es kalt und dunkel. Die beiden Kinder des Lastwagenfahrers schlafen und spielen auf der Ladefläche mit ihrem kleinen Hund. Dem armen Tier kam die Natur und bescherrte mir eine Pfütze um die Schuhsohlen. Gegen 9 Uhr abends erreichen wir nach 11-Stündiger Fahrt Leymembamba.

Me, myself and the Peruvians

Mir geht’s gut und ich gewöhne mich immer mehr an die Eigenheiten dieses Landes. Auch wenn ich manchmal vor Ungeduld innerlich koche oder schon gern mal den Stickefinger zücken würde,

  • wenn wieder mal ein hupendes Taxi vorbeischleicht, um mich zum Einstieg zu animieren oder
  • mich wieder mal eine Tussi anquatscht und schon im dritten Satz um ein Getränk bettelt oder
  • wenn ich sehe, wie Leute ohne ein Augenzwinkern ihren Verpackungsmüll auf der Strasse fallen lassen oder
  • wenn ein Latino aus Angst schlecht da zu stehen mir eine perfekte Lüge weiß machen will oder
  • wenn ein Taxifahrer oder Händler immer noch glaubt, dass Touristen doppelt so viel zahlen und ich einer von ihnen bin oder
  • wenn ich sehe, wie Eltern ihre Kinder mit einer Tüte Bonbons zum Betteln an der Ampelkreuzung abstellen oder
  • wenn ich ansehen muss, wie all die (armen) Leute/Kinder so rot unterlaufenen Augen haben, weil sie nur weissen Reis und Geflügel ansatt vitamin- und mineralstoffreicher Kost essen.

Etwas Anpassung kann prinzipiel nicht schaden, doch will ich Gleichgültigkeit vermeiden und lieber – auf gut deutsch – weiter in der Scheisse rühren. Abgesehen davon entwickelt sich so langsam ein kleiner Freundeskreis. Ich spreche mittlerweile sogar schon mit Deutschen Englisch und gerate ins Stocken, wenn mich jemand auf Deutsch anspricht. Mein Spanisch verbessert sich kaum – dank meiner Trägheit.