Der Pfad der toten Tiere

Hätte ich meinen Rückflug etwas später gebucht oder weniger Zeit im Dschungel verlebt, wäre ich ganz sicher den 10-15-tägigen Huayhuash-Treck gelaufen, doch diesmal reichte es nur für den kleinen Bruder, den Santa Cruz Treck. Das ich dem 4-Tage-Treck später diesen schrecklichen Beinamen geben würde, hätte ich nicht gedacht und ganz sicher auch nicht unterstützt.

Die Fahrt zum gewählten Anfang des Weges (man kann ihn auch andersherum laufen)

In Huaraz versuchte ich zunächst andere Touristen für diesen Treck zu gewinnen, um die Kosten für einen Guide zu sparen. Außerhalb der Saison schien dies jedoch ein Ding der Unmöglichkeit und so ließ ich mich auf ein Angebot meines Hostels/Hotels ein, in Folge dessen ich mir zusammen mit vier anderen Leuten einen Bergführer plus Eseltreiber und ausreichend Packesel/Pferde teilte. Da ich ohnehin die letzten vier Wochen mit einem 13kg schweren Tagesrucksack unterwegs war, verzichtete ich darauf, dem Esel mein quasi Handgepäck aufzubürden. Dennoch ertrugen die zwei Pferde und der Esel unsere Zelte, das Proviant und die Rucksäcke meiner Begleiter.


“Caramelo” scheint das erst spanische Wort eines, ansonsten queschua-sprechenden Kindes in den Bergen zu sein.

Während der ersten frostigen Nacht bot mir mein Schlafsack nicht mehr den Komfort, der mir zum Schlafen genügt hätte. Vielleicht lag es auch an der zu dünnen Isomatte, die mir Willer gegeben hatte. Jedenfalls fröstelten wir alle ein wenig und wollten schnellstmöglich ins Sonnenlicht. Willer schickte uns schon mal allein los. Er wollte warten, ob der Eseltreiber den davongelaufenen Esel finden kann. Die Esel werden in der Regel nur vor dem Treck richtig gefüttert und müssen sich in den Bergen von dem ernähren, was andere Huftiere vor ihnen stehen gelassen haben. So dumm, wie die Esel in Fabeln oft erscheinen, schien der unsrige nicht gewesen zu sein, denn schließlich flüchtete er dahin, wo es futter gab: ins Dorf.


Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen nach der kalten Nacht.


Kein Cow-Boy, ein Donkey-Boy läuft da.

Er tauchte auch nicht wieder auf, so dass die beiden Pferde allein mit der Last fertig werden mussten. 80kg würden die vergleichsweise kleinen Hopperle tragen können, doch unsere Treiber tauschte sie gegen zwei andere Esel ein, die mit den Umweltbedingungen besser zurecht kommen würden. Das dem so ist, sah wir an dem verendeten Tier nahe eines Bergsees.


Getrübte Schönheit: ein verendeter Esel kurz vor dem Pass.


Malerische Spiegelung.

Wir bewegten uns indes schon im Zeitlupentempo auf den 4750m hohen Pass zu. Ich fand meinen Rhythmus und versuchte ihn zu halten. Auf den letzten 30 Metern schien alle Erschöpfung verflogen. Das Ziel vor Augen, legte ich unbewusst einen Zahn zu und wollte, nach erreichen des Passes, noch höher hinaus auf den Kamm Richtung Gletscher. Das mächtige Massiv hatte zwar eine unheimliche Anziehungskraft, doch blieb es mir gleichermaßen zum Greifen nah und unerreichbar.


Der Kamm.

Beim nächsten mal möchte ich das Eisklettern erlernen, anstatt ständig an den Gipfeln vorbeilaufen zu müssen. Falls ich dies hier in der Cordillera Blanca lernen möchte, sollte ich dies innerhalb der nächsten 12 Jahre tun, so lange die Gletscher und Schneekappen der Gipfel noch nicht geschmolzen sind. Die Klimaerwärmung begegnet einem also auch hier. Kürzlich schnallte sich Willer seine 3-Jährige Tochter auf den Rücken und nahm sie mit zum Eisklettern auf einen 5200er. Die Menschen in den Bergen sind ganz gewiss auch einem etwas anderen Holz. Er hat nun während seiner 8-Jährigen Arbeit als Bergführer schon zwölf der zweiunddreißig 6000er in der Cordillera Blanca und in der Cordillera Huayhuash bestiegen. Im letztgenannten Gebirgszug sind übrigens ettliche 6000er noch nie bestiegen worden.


Alles Kleinigkeiten: Willer, unsere Bergführer.

Bei einem kurzen Nickerchen hatte die Sonne Gelegenheit meine durchschwitzten Sachen zu trocknen. Der Abstiegt glich einem Spaziergang, wenngleich mir aufkommende Kopfschmerzen zunehmend zu schaffen machten. Ein Schirmmütze bietet eben nicht ausreichend Schutz für den Hinterkopf, so dass ich im Zeltlager schlussendlich von einen Sonnenstich ausgehen musste, denn an die Höhe hatte ich mich bestens gewöhnt. Eine längst verfallene Parazetamol sorgte für einen halbwegs klaren Kopf beim Abendessen.

Willer kochte hervorragend und vor allem sehr viel. Attraktion des Abends war ein besonders großer Kondor, welcher eines Esel- und Pferdekadavers wegen, in unsere Nähe kam. Das sich das tote Getier nicht gut auf die Wasserqualität des nahen Baches auswirken mochte, schien uns klar, doch hielt es uns nicht davon ab im Bach zu baden und unsere Wasserfalschen (unter Beigabe von …) aufzufüllen.

Der nächste Tag verlief abgesehen vom Besuch des Apumayo-Basiscamp (“Der schönste Berg der Welt”), recht unspektakulär, wenn auch die Landschaft deswegen nicht weniger schön war. Wir liefen durch ein breites und flaches Tal.


Irgendwann habe ich aufgehört die Pferde- und Eselskelette zu zählen.

Unser Eseltreiber sagte mir, dass die Tiere hier nicht älter als 13 Jahre werde würden. Anstatt schwerer Lasten haben Esel in guter Haltung nicht selten 40 Jahre auf dem Buckel. Einer unser beiden Lastentiere hatte sein 12. Lebensjahr schon begonnen und freute sich, ebenso wie sein Leidensgenosse, über Kekse und Äpfel.


Un Picaflor – auf deutsch Blütenpicker oder besser: Kolibri.

Kakteen und andere dornige oder dickblättrige Gewächse bestimmten mehr und mehr die Vegetation in tieferen Lagen. Die unter Reisenden wahrscheinlich bekannteste Kakteenart ist sicher der San Pedro Kaktus (echinopsis pachanoi) wegen seines Mescalin-Gehalts. Wir zelteten an einem Bachlauf, der sich zum Baden anbot, und genossen den letzten Abend inmitten der Berge.


Obwohl ein Fluss, ein Berg und der von uns gelaufene Weg den Namen Santa Cruz (Heiliges Kreuz) trägt, bekommt dieses Kreuz unfreiwillig eine zweite Bedeutung.
Wer beabsichtigt, diesen Weg zu laufen und auf Lastentiere nicht verzichten möchte, solle darauf bestehen, dass der Eseltreiber mehr als 16$ ausgehändigt bekommt, um die Tiere angemessen zu versorgen. Die Treiber nach dem Treck zu nochmals zu entlohnen bringt den Tier nichts, da sie für gewöhnlich volltrunken den Rückmarsch antreten und sich nicht mehr um die Tiere kümmern. Des weiteren empfiehlt es sich ein Lasttier pro Person dabei zu haben. Im übrigen tut man nicht schlecht daran, den Touranbieter danach zu fragen, wo die Eseltreiber untergebracht werden. Die meisten von ihnen schlafen nämlich ohne Schlafsack, mit einer Decke in Höhlen.

Laguna 69

Nach einem kurzen Stelldichein in Lima fuhr ich eines Samstags direkt nach Huaraz, dem wahrscheinlich komfortabelsten Ausgangspunkt für Wanderungen in der peruanischen Schweiz, wie das Gebirge (scherzhaft?) bezeichnet wird. Das Busunternehmen meiner Wahl war abermals Cruz del Sur. Ich erwähne dies nicht des hohen Sicherheitsstandard wegen, sondern weil ich ausgerechnet bei meinem letzten Trip das Glück hatte, als Gewinner des Bingo-Spiels hervozugehen und somit das Ticket für die Rückreise geschenkt bekam. Ideal – erst recht, weil es das erste mal sein sollte, dass ich den selben Weg zurück fahren wollte, den ich gekommen war. Neben mir saß Annie, ihr fehlte auch nur eine Ziffer zum BINGO. Genau wie ich, war sie so schon mehre Monate mit Peru und den Peruanern beschäftigt, so dass wir uns eine Menge witzige Anekdoten zu erzählen hatten. Zum erstenmal sprach ich mit jemanden aus einem (teils) englischsprachigen Land ausschließlich spanisch. Annie kam zwar aus dem französischsprachigen Teil Kanadas, hatte jedoch trotz ihrer Anstellung als Englischlehrerin, von ihrer Sprache abgelassen. Wir trafen uns abends zum Essen und auf ein paar Biere plus einer Flasche Pisco; verdünnt mit Sprite. Die legendäre Hit-Band ‘Grupo 5’ schallte im Club und erweckte schlafende Ohrwürmer zum Tanzen. Annie kauft sich gleich am nächsten Tag die Mega-Grupo-5-CD mit schlappen 168 Songs.

Eine verarmte Greisin, die hier in der Markthalle von Huaraz um etwas Essen fleht.

Ein katholische Sonntagsprozession, die sich allerdings erst in Bewegung setzte, als alle männlichen Teilnehmer, einschließlich Kreuzträger, sturztrunken waren.

Abgesehen davon war es die Alpaca-Strickware, die Annie zur Reise in die Berge bewegt hatte. Statt der Wolle suchte ich nach Verausgabung körperlicherseits. Der Genuss dessen erfordert jedoch immer ein paar Tage der Aklimatisierung, denn Huaraz liegt auf guten 3000 Metern Höhe und ist durch nächtliche Kälte und extreme UV-Strahlung kein Ponyhof. Den ersten Tag verbrachten wir deshalb in der Kneipe (dies wirkt der Gewöhnung entgegen), den zweiten wollte ich schon mal einen Aufstieg wagen. Die Lagune mit dem klangvollen Namen 69 erkor ich zum Ziel meiner ersten Wanderung in der Cordillera Blanca. Der Alpenvereinein verpasste diesem entlegenen Gletschersee kurzer Hand eine Nummer, anstatt die kompliziert auszusprechenden landessprachlichen Bezeichnung zu verwenden. Ein guter Name wirkt sich entscheidend auf den Anklang bei Touristen aus. So kam es, dass drei stramme irische Mädels in meinem Hostel (Churup) ebenfalls den See Nr. 69 anstrebten. In aller Frühe fuhren wir mit Colectivo und Taxi etwa drei Kilometer ins Innere des Nationalparks. Zunächst wanderten wir gemeinsam entlang eines kleinen Flusses, an den darauffolgenden leichten Anstiegen lief ich einvernehmlich, stetigen Schrittes vorweg. Nach insgesamt zwei Stunden lag ein kleinerer Bergsee, ein Hochplateau und atemraubende Zick-Zack-Steigungen hinter mir.

Das Plateau mit Kühen und grauen Vögeln.

Die 4000m-Marke hatte ich um gut 200 Meter überschritten und stand vor einem gewaltigen Gletschermassiv, an dessen Fuß sich die ersehnte Lagune befand. Je nach Blickwinkel, Lichtverhältnis und Wetter wechselt sie die Farben von hellgrau über grüngrau und türkisschwarz bis hin zu dem, was die Farblehre als Coboltblau definiert. Nicht ohne Grund, denn am Boden des Sees befinden sich neben weißem Granit auch erhebliche Cobaltvorkommen.

Ich grüßte die schwarz-weisse Ente (Blesshuhn?) auf dem Teich, schoß einige Fotos und rannte zurück. Beim Rennen bergab beansprucht man seine Knie am wenigsten und bekommt leichte Adrenalinkicks, wie beim Downhill mit dem Mountainbike.

Ready to run down?

Die Landschaft erinnerte mich irgendwie ans Retezat-Gebirge in den rumänischen Südkarpaten. Mir begegneten viele Israelis, die angesichts der fortgeschrittenen Stunde und ihrer Kondition kaum noch eine Chance haben sollten, den Gletschersee vor dem Mittag zu erreichen, um anschliessend mit dem letzten Taxi in die Stadt zu gelangen. Die Girls von der Grünen Insel hatten in Anbetracht dessen auch schon beim ersten Bergsee resigniert und den Rückmarch angetreten. Ich holte sie ein, so dass wir sogar noch viertel vor zwölf bei den schlafenden Taxifahrern anklopften. Diese jedoch waren nicht gewillt, uns vor drei Uhr nach Yungay zu fahren, so dass ich spontan einen vorbeikommenden Lastwagen anhielt. Nach einiger Überzeugungsarbeit und Wehleidsvortäuschung durften wir auf die Ladefläche steigen. Auf über hundert (leider) leeren Bierkästen machten wir es uns mehr oder weniger bequem und genossen die schaukelige Fahrt in dieser Art von Cabriolet. Die Rückfahrt dauerte natürlich länger als mit dem Taxi, doch erfreute wir uns der Aussicht und gaben und mühe jeden Campesino am Wegesrand zu grüßen.

Die drei von der Insel.

Es scheint noch die Ausnahme, dass Iren außerhalb Nordamerikas und Australiens bzw. Neuseelands auf Reisen gehen, entsprechend habe ich mich gefreut ihre quirrlichen Dialekte zu hören.Den Rest des Tages plagte mich ein Kopfschmerz, der wohl aus der heftigen Sonneneinstrahlung resultierte.

Huancavelica

Noch im Halbschlaf torkelte ich auf der Suche nach einem Sammeltaxi durch Huancayo. Das Erstbeste wurde durch mich schon halb voll, so dass wir nur noch auf zwei weitere Fahrgäste warten mussten. Drei Straßen weiter hatten wir diese in das Fahrzeug aufgenommen und rasten fortan die Serpentinen rauf und runter. Mir wurde dabei etwas schwindlig und als wir zwei mal beinahe von der Straße abdrifteten, wandelte sich das Schwindelgefühl in Übelkeit. Spannend wurde es abermals, als er mit Carracho auf eine Gruppe Bauarbeiter zusteuerte und diese zugleich, mit Steinen bewaffnet, eine Verteidigung aufbauten. Obwohl die Bauarbeiten der Verbindungsstraße zwischen Huancayo und Huancavelica noch nicht ganz abgeschlossen sind, ist dies eine der besten Pisten des Landes. Wohl auch ein Traum für Motorradfahrer.Nach zweieinhalb Stunden Fahrt kam ich auf dem Plaza Prinzipal an. Laut Kirchturmuhr war es schon 11:20, doch das sollte sich nicht ändern. An diesem Ort war jedoch nicht nur die Uhr stehengeblieben – auch der Fortschritt hatte das Feld der Ruhe des Straßenlärms und des stündlichen Geläuts überlassen. In voller Gemütlichkeit gaben sich die Leute der Faulheit hin und sahen zu, dass die Zeit noch vor der Arbeit vergeht. Ich schnürte meine Stiefel und grübelte, wie ich einen der steilen, umgebenden Berge erklimmen könnte. Es erschien mir kein Ausweg, als einem Bachlauf zu folgen, der so ziehmlich alles davon spülte, was die Leute nicht mehr brauchten: den Müll und den Schmutz ihrerselbst sowie den ihrer Kleider. Die Frauen und Männer wuschen also ihre Ponchos, Röcke und Blusen im Badewasser ihres Nachbarn, der gleich noch seinen Abfall hinzu gab. Sie freuten sich einen Fremden zu sehen und halfen mir über die richtigen Steine bachaufwärts zu springen.

Wäschewaschen am Bach

Ihre Neugierde sah man ihnen an. Längere Zeit unterhielt ich mich mit einer sehr alten Frau, die nebst ihrer Enkelin das Schreiben übte. In einem Schulheft hatte sie schon mehrere Seiten mit einzelnen Buchstaben gefüllt, jedoch noch kein Wort zu schreiben vermocht. Lesen, so sagte sie, kann sie ein bisschen. Ihre Enkelin, von gerade mal 5 Jahren, war noch nicht so weit fortgeschritten. Mir fiel auf, dass recht viele Kinder während ihrer Arbeit auf der Straße oder auf dem Markt Bücher laßen.Weiteren Schrittes kehrte absolute Stille ein. Die Luft wurde dünner und zwang mich zunehmens zum Verschnaufen. Erst traf ich auf Schafe, dann auf Lamas und Kühe. Statt eines Weges lief ich geradaus auf die höchste Erhebung zu. Die Landschaft war felsig und mit goldnen, stachligen Gräsern übersäht. Vereinzelt schauten kleine Kakteen und andere dornige Gewächse hervor. Die Aussicht war, trotz strahlender Sonne, auf gleich aussehende Berge beschränkt und dennoch ein Genuß im Vergleich zu limanesischen Smog.

Un Torro

Gipfel

Nach einem Nickerchen auf’m Berg, am Bahnhof und im Hotel stürtzte ich mich ins Nachtleben der winzigen Stadt. Die hiesige Heavy Metal Szene war drauf und dran ein kleines Festival zu starten. Sechs Bands aus der Region mit teilweise wirklich guten Gitarristen. Zunächst wunderte ich mich, warum alle so regungslos rumstanden, doch bei Band Nummero drei sind sie total durchgedreht. Fäuste und Ellebogen bohrten sie ineinander, Geschubse und Getrampel – am Boden und Obenauf. Schlägerei. Irgendwann fand ich keinen Gefallen mehr an der Musik und diesem eigenartigen warmen Getränk aus Kräutern und irgendetwas anderen, was alle anderen außer mir tierisch besoffen machte. Ich schlenderte wieder in die Disko, aus der ich zuvor gekommen war. Höchst auffällig überlickte ich das Geschehen wie ein Riese unter Zwergen. Ständig angequatscht und zum Tanzen und Kräuterzeug_saufen eingeladen, resignierte ich vor der schlechten Musik und den dreisten Weibern, denen an nichts Anderem gelgen war, als irgend ein Gesöff ausgegeben zu bekommen. Obendrein verstand ich kaum ein Wort von dem, was die Laute sagten und fragten. Es war zu laut für mein Spanisch. Irgendwann wechselten die Leute merklich die Lokalität und gingen zum nächsten Club über – ich auch.

Umgeben von drei riesigen Töpfen voll Suppe, machte eine Oma recht guten Umsatz. An einer Straßenecke hatte sie ein ganzes Tier (?) mit Nudeln zu einem Eintopf verkocht. Der Eingang des nächsten Club war mit dicken Decken verhangen und drinnen war so etwas, wei Après-ski. Der nächste Morgen gestaltete sich recht gediegen. Ich wollte nach Izuchacha. Ein besoffener Polizist zeigte mir, nach dem ich ihm nicht in die Kneipe folgen wollte, wo die Sammeltaxis abfahren.

Das war mal ein Torro.

Mein inzwischen ausgereizter Reiseführer versprach für Izuchacha heiße Quellen und ein Hotel. Ich hatte schon in Huancayo von einer Agenturleiterin erfahren, dass der (Gonzo-)Journalist des Buches (Lonely Planet) diesen Ort nicht besucht hatte. Die Termalquellen befanden sich nicht im Ort, sondern “30 Minuten außwärts – immer den Gleisen entlang”, so sagte mir eine Einheimische. Aus diesen 30 peruanischen Minuten wurden fast drei geschlagene Stunden. Ich überlegte zwischenzeitlich umzukehren, da es bereits spät war und keine Möglichkeit bestand den Fluss zu überqueren, um die Straße nach Huancayo zu erreichen. Beinahe hätte ich den Zug überhört (von wegen Dampflock – scheiß Lonely Planet). Ein paar Kakteenreihen und Eselherden weiter, stand da eine alte Frau auf einem Felsen über den Gleisen und veriet mir, dass es nicht mehr weit sei. So war es dann auch. Die heißen Quellen entpupten sich als kleine Wasserbecken, die sich wohl ausschließlich durch die Sonne aufgeheizt hatten. Ein erfrischendes Bad darin kam mir angesichts der brühtenden Hitze ganz gelegen. Wie eigentlich üblich, konnte ich mich nicht mehr im Wasserkanal waschen – die Sonne sollte gleich hinter den Bergen verschwinden. Ein Brücke gab es auch dort nicht, dafür aber ein Stahlseil und einen, an einer Rolle daran befestigten Karren. Ein Typ aus der Bambushütte nebenan, zog mich rüber. Es dauerte nicht lang, bis ich als achter Mann in ein Taxi (Kombi) einsteigen konnte.

Nachtrag: Die Region von Huancavelica zählt zu den ärmsten des Landes. Der wesentliche Wirtschaftszweig war seit Columbianisierung das Minenwesen. Vor allem Schwermetalle, wie Quecksilber und Blei wurden und werden dort abgebaut. Die Umweltbelastung durch Schwermetalle ist sehr groß.

El viaje en el tren

Die Eisenbahn ist selbst in Deutschland das langsamste motorisierte Fortbewegungsmittel. Um für einen Wochendtrip in enlegenere Gebiete zu gelangen, spricht also nicht viel für den Zug. Das ist in Peru grundsätzlich nicht anders, gäbe es nicht diese atemberaubenden Gleislegungen in den Anden. Derer gibt es nicht viele, jedoch eine ganz besondere, auf der sich die Züge durch 69 Tunnel pressen, 58 Brücken überwinden und 6 Zickzacks hinnehmen, um sich bis auf 4758m zu bemühen. Die Rede ist von der zweithöchsten Eisenbahnstrecke der Welt. Zwischen Huancayo und Lima verkehrt täglich dieser Personenzug – fast ausschließlich für Touristen. Etwaige Pendler bevorzugen auf der Strecke den Bus oder das Auto, wenngleich jene Straße nochmal 100 Höhenmeter mehr aufbürdet, kostet die Fahrt nur einen Bruchteil des Zugtickets. Doch gerade dieser Zug bot mir einen bis dato unbekannt Luxus, den ich hier nicht erwartet hätte. Abgesehen von der Vollverpflegung, die man bequem liegend im Waggon verzehren konnte, meine ich damit vor allem den Terrassenwagen mit Bar samt gartis Pisco Sour (Cocktail aus Pisco, Eiweiß und Zucker). In aller Frühe trat ich an – an den Zug und an die Bar. Gemächlich schnauft die Lock durch einige Felder und Slums in genau die staubigen Wüstenberge, die ich vergangenes Wochenende mir AndexPeru erkundete. Freundlich winken uns die Leute zu und es scheint, als wäre der Zug nach fast 100 Jahren noch immer keine Alltagserscheinung. Selbst die Hunde sehen das stählerne Ungetüm noch als Eindringling in ihrem Revier und verfolgen es einige dutzend Meter mit Gebell. Einige mal hält der Zug – meist um Leute heraus zu lassen, doch auch wenn gerade einer der Zickzacks (Spitzkehren) anstehen und die Gleise scheinbar vor einem verschütteten Tunnel enden. Das alles und natürlich, die sich vor einem erhebenden Berge liessen sich wunderbar von der Terrasse beobachten.

Durch das Geruckel fiehl es manchmal schwer sein Getränk nicht zu verschütten oder gerade aus zu laufen. Ich war ja allein unterwegs und kam deshalb wieder schnell ins Gespräch mit den Fahrgästen. Wie ich feststellen musste, ist Lima kleiner als ich dachte, denn nicht all zu wenige Leute kannten meine Firma samt den Direktoren. Die zwölf Stunden Fahrt vergingen wie im Fluge und nach 300 Fotos fuhren wir auch schon am Zielort ein. Leider war es mitlerweile so spät, dass ich kein Sammeltaxi nach Huancavelica mehr bekommen konnte. Etwas angeekelt schritt ich durch die dreckigen und stinkenden Straßen Huancayos. Irgendwann hatte ich mein Hostel gefunden. Es hatte seinen Namen verdient, obwohl die viele Bürokratie nicht nötig gewesen wäre (Ausweiskopie, Quittung schreiben für jedes Getränk). Im Restaurant gegenüber traf ich die Holländerin, die mit mir das Zimmer teilte. Nach einem guten Salat hatte ich aber keinen Bock mehr auf großartige Gespräche und zog es vor, der Schwerkraft Kleinbei zu geben.

Salkantay Treck

Mama2 hat mir gerada Apfelmus mit Roter Beete und einer Art cordon bleu samt Spinat serviert. Und ich dachte schon meine Art zu kochen sei experimentell. Na gut, alles für sich hat geschmeckt und ich nehm’ mit was geht. So wollte ich mir es auch nicht nehmen lassen zu Fuss nach Machupicchu zu gehen. Die Inka wählten bei ihrer Flucht vor den Spaniern diesen, nach ihnen benannten ‘Trail’ aus. Heute wird dieser Fluchtweg als besonders schön gepriesen, und eine jede der 500 Lizenzen den Pfad zu beschreiten teuer verkauft. Doch viele Wege führen nicht nur nach Rom und so gibt es bestimt ein Dutzend Wegelchen, die man zu Fuß, per Rad und im Rafting-Boat nach Machupicchu einschlagen kann. Auf Anraten von Claudia – meiner Gastschwester – entschied ich mich zusammen mit Pia für die Salkantay-Tour. Pia war vier Tage nach dem urumbambastialen Hühnerfraß immer noch nicht fit und auch mir hatte sich zwei Tage vor Antritt des Marsches nach maßlosem dinieren noch einmal der Magen umgedreht. Es erschien mir als eine Lehre, doch für Pia tat’s mir abermals Leid. Nun saß ich, an meinen Rucksack gekuschelt, im arschkalten Bus nach Mollepata. Nach und nach schleppten die einzelnen Agenturen ihre angeworbenen Teilnehmer herzu. Darunter viele Paare und natürlich unsere Guides, Köche und Pferdeführer (zusammen 6 für 15 Wanderer). Als mir früher Verwandte von ihrer Wanderung auf den Kili erzählten, wie sie mit Trägern und Köchen den Berge erklommen, erschien mir das als halbe Leistung und herrlich im Sinne des Wortes. Nun sollte ich das Dilemma verstehen, was einem untrainierten, aber dennoch wanderfreudigen Touristen widerfährt, wenn er mangels Zeit und Angebot gar nichts anderes über sich ergehen lassen kann. Zunächst behielt ich meine sieben Sachen im Rucksack und ertrug selbigen auf sonntäglich leichten Wegen, hinauf auf 2900m. Zwischendrin gab’s ein einfaches Frühstück und ein ebenso simples, wenn auch dreigängiges Mittagessen nahe Cruzpata. Der Himmel war grau und wolkenverhangen, alles wirkte nicht gerade fotogen oder malerisch. Der Weg windete sich in seiner leichten Steigung schier unendlich oft. Die landschaftlichen Langeweile bot somit ausreichend Gelegenheit, die Leute in der Gruppe etwas kennenzulernen. Darunter einige Kurzurlauber (< 3 Wochen) aus den Staaten, Kanada und Deutschland; ein Paar aus England, welches sich nach einjähriger Reise beruflich völlig neu orientieren wollte; ein kalifornischer Voluntär und ein interessanter Soziologieprofessor aus Sofia, der sich von einer Konferenz aus Buenos Aires abgeseilt hatte. Alle samt sympathisch. Es wurde langsam dunkel und vor uns bauten sich massive Gletscher auf. In der auf 2900m gelegenen (Soray)Pampa schlug man unsere Zelte auf. Zugleich belohnten wir uns mit einer Flasche Cusquena-Bier und warteten im zugigen Essenszelt den Beginn des Abendmals ab. Spätestens nach dem Briefing um 20 Uhr wollte ich schlafen, denn schließlich hatte ich die letzte Nacht schon fast durchgemacht. Mein Schlafsack erwies sich jedoch als viel zu warm.

Der nächste Morgen ließ auf viel Sonne hoffen und so liefen wir ihr noch vor ihrem Erscheinen entgegen. Ein Adler beobachtete, wie wir uns schweren Schrittes die Serpentinen hinauf bewegten. Vorbei an einem Bergsee erreichten wir noch vor dem Mittag den Pass am Berge Salkantay.

Bergsee, kurz vor dem Pass.

Pass auf 4600m Höhe.

Der Berg Saikantay.4600 Meter über’m Meer war die Luft derart ausgedünnt, dass ich bei einem Nickerchen im sonnigen Windschatten mehrmals aus atemnot aufwachte. Ich hatte offenbar nicht tief genug ein- und ausgeatmet und glaubte fast zu ersticken. Nach zwei Stunden waren dann auch die letzten unserer Gruppe eingetrudelt und nach kurzem Verschnaufen gings bergab nach Huayracmachay zum Mittagessen am Bach. Umzingelt von Schweinen, Hunden und Pferden kochten unsere Köche ein Schmackofatz. Viel Zeit zum Verdauen sollte uns nicht bleiben, denn in drei Stunden wurd’s dunkel.

Etwas Jungel.Endspurt war angesagt. Bergab – zum Glück. Auf einem schmalen Trampelpfad wanderten wir zügigen Schrittes aus der bergigen Landschaft in zunehmens grünere Gefilde – auch Jungel genannt. Einzig die vielen Mulis und Pferde bremsten unser Vorankommen. Vorbeikommen war schwierig, wenn man Respekt vor Huftritten hatte und den Besitzer nicht  zu überzeugen wußte. In einem Tal (Challway) glänzten unsere Zelte im Abendlicht. Diesmal gab’s sogar fließend Wasser aus Rohren und ein duftes französisches Plumsklo. Kühles Bier war uns jedoch zunächst wichtiger. Am dritten Tag blieben uns die schmalen Pfade samt Packtieren erhalten, wenngleich die Vegetation um so blütenreicher und dichter wurde. Ein gutes dutzend Bäche und Wasserfälle galt es auf Steinen oder Holzstegen zu überqueren. Das Geröll auf dem Weg glitzerte zunehmens – es war Silber, wie unser Guide versicherte. Die Anwohner schöpften ihren Lebensunterhalt jedoch aus dem Verkauf von Getränken, Schockoriegeln und Früchten. Die angebotenen Bergtomaten, Grenadillas, Bananen, Avocados und Papayas wuchsen gleichsam am Wegesrand. In Lluscamayu nahmen wir zusammen mit gut hundert Tourismusstudenten (die kein Wort Englisch sprachen!!) unsere mittägliche Malzeit ein. Anschließend fuhren wir mit einem geborgten Van zu einem Termalbad. Während der Fahrt wechselte der Fahrer mehrmals mit einer entgegenkommenden Person. Der letzte Austauschfahrer hatte vor einer Kurve vergessen zu hupen und deshalb fast einen Motorradfahrer aufgegabelt. Naja, wir gammelten nun den Rest des Tages in lauwarmen Wasserbecken, die zum Schwimmen zu warm und zum Erholen zu kalt waren. Bier entpuppte sich als die eindeuitig besser temperierte Flüssigkeit – ebenso am Abend im nahegelgenen Zeltlager in Santa Teresa. Mit Ruman, dem bereits erwähnte Professor aus Sofia, habe ich mich gut und lang über sein Forschungsgebiet – die Ausbildung von Lehrern – unterhalten.

Unser Zeltlager in Santa Teresa. Der folgende Tag war etwas unzureichend organisiert – zumindest war lediglich eine zweistündige Wanderung nach Hidro Electrica angesetzt. Mit zügigem Schritt gingen wir durch ein wüstenähnliches Tal. Die Sonne brannte heiß und einigen überkam ein Sonnenbrand. Nur wenige Oasen boten schatten und eine wahre Pflanzenbracht. Als beeindruckend empfand ich einen Wasserfall, der dem schwäbischen Blautopf gleich, bei einem Durchmesser von 15 Metern so viel Wasser aus der Felswand hinausdrückte, das ein ganzer Fluss hätte entstehen können.

“Bahnhof” in Hydra Electra.In Hidro Electrica erwatete uns nicht mehr als ein Wasserkraftwerk und der Anfang jener, über Machupicchu/Aguas Calientes nach Cusco führenden Bahnstrecke. In einem Abstand zu den Schienen standen Holzbuden, in denen so manches verkauft wurde. Unweit davon aßen wir zu Mittag. Außer Ruman und mir schien allen die Sonne zu sehr auf’s Gemüt, weshalb sie es vorzogen mit dem Bummelzug nach Aguas Calientes zu fahren, anstatt auf den malerisch schattigen Eisenbahngleisen zum Fuße des Machupicchu zu wandeln. Wir genossen die Stille und Schönheit der Natur inmitten der beiderseitigen Bergriesen, die in ihrer Form mehr und mehr dem bekannten Huyanapicchu glichen.

Anhalter auf den Gleisen.

Über Aguas Calientes möchte nicht viele Worte verlieren. Der Ort ähnelt einem Kurort und besteht fast gänzlich aus Restaurants und Hotels. Jeweils eins davon war an diesem Tage für uns bestimmt. Erwähnenswert ist, dass es dort abgesehen von 27 Bussen die hinauf zur Inkastadt fahren, keine Autos gibt und statt dessen alle Waren mit Sackkarren transportiert werden.