Wer einmal in den Genuß kommt eine umfassendes Schriftstück zu setzen, wird sich vielleicht fragen, welches Satzprogramm das richtige, einfachste und schnellste ist. Beeinflusst durch die Lobpreisungen meiner Professoren und aufbauend auf einigen positiven Erfahrungen während vergangener Seminararbeiten, fiel meine Wahl auf Latex. Vier Jahre, und 256 Seiten später fällt mein Urteil relativ ernüchternd aus. Der Glaube bei Latex müsse man nur auf einen Knopf drücken und schon wird aus formal korrekter Syntax ein schnuckeliges PDF gehört zu den Märchen unserer digitalen Zeit.
Doch zunächst mal die positiven Dinge, derer es natürlich eine Menge gibt. Automatische Silbentrennung. Das vorhandensein jeglicher Zeichensätze – egal welcher Sprache (ich benötigte viele slawische Zeichen). Die automatische Generierung verschiedener Verzeichnisse (Bilder, Tabellen, Karten, Inhalt) ließen sich einfach anwenden und erweitern. Nicht zu vergessen: die elegante Typographie!
Silbentrennung: Durch meinen Verlag hatte ich der alten Rechtschreibung zu folgen und verwendete deshalb das “german”-package. Trotzdem versuchte es mit stets “st” zu trennen und beließ dafür “nn”, “ll” und “mm” als Einheit am Ende der Zeile mit einem Trennstrich stehen. Außerdem war es nicht im Stande Wörter mit Umlauten oder “ß” aufzuteilen, so wie es auch bei manchen zusammengestzten Wörtern sowie Ortsnamen der Einfügung von “\-” bedurfte, um Silben zu markieren. Darüber hinaus war es unschön nach getrennten Namen zu suchen, da man Personennamen nicht trennt. Auch der Versuch ein elegantes Layout zu erzeugen scheiterte an der automatischen Platzierung von Absätzen und Minipages (für Tabellen und Bilder), die sich nicht gänzlich durch die Angabe spezifischer Parameter steuern lassen.
Gar nicht lustig wurd’s beim Zeichnen von Tabellen. Ohne Kenntnisse im Scripten und dem Pool einer Datenbank hätte ich keine Tabellen schreiben wollen. Generell nachteilig an Latex ist, dass man nie sieht, was man gerade ändert. Dass heißt jede Veränderung einer Positionierung bedarf einer Kompilierung, die u.U. schon mal 4 Minuten dauern kann (je nach Bildmenge). Aber selbst die Gestaltung einer netten Kapitelseite, geschweige denn einer Seiter mit 5 Bildern, kann sich zu einem Tageswerk aufblasen, wenn man seiner Penibilität freien Lauf lässt. Besonders nervig sind auch die “overfull hboxes” (über den Rand geschrieben), die man mit \linebreaks mühevoll per Hand suchen und beseitigen muss, um dann ebenso unschöne “underfull hboxes” (zu große Wortzwischenräume) zu bekommen. Dies wäre nicht weiter schlimm, wenn dieser Vorgang nicht immer eine erneute Compilation bedürfte. Ich frage mich allerdings, warum Latex sich nicht einfach strickt an die Seitenränder hält? Ebenso umständlich gestaltete sich die Entfernung von Schusterjungen (auf der letzten Zeile einer Seite begonnener Absatz) und Hurenkindern (letzte Zeile eines Absatzes zu Beginn einer neuen Seite). Auch dafür sollte es ein Package geben. Darüber hinaus beansprucht die Verarbeitung hochauflösender Bilder sehr viel Zeit und führt zu einer unglaublichen Dateigröße (bei mir 90MB).
Nun habe ich einerseits viel Erfahrung gesammelt wie man am besten mit Latex hantiert und dazu noch eine prima Vorlage für künftige Texte/Bücher gewonnen, doch irgendwie muss es mit Indesign, Pagemaker und den Open-Source-Tools inkslide und skribus auch funktionieren. Doch wenn man sich einmal ans texen [techen] gewöhnt hat, bleibt man dabei. Briefe und Bewerbungen schreibe ich schon lang mit Tex. Auch beim Satz meiner Diplomarbeit wird die Wahl auf kein anderes Satzprogramm fallen.