KZ-Baracke neben der Heilig-Kreuz-Kirche Görlitz

Heute wurde öffentlich, was Albrecht Goetze und mich schon ein gutes halbes Jahr bewegt: ein vergessener Erinnerungsort.

Der vergessene Erinnerungsort findet sich neben der Synagoge. Es ist ein unscheinbarer, verfallender, südseitig besprayter Schuppen. Nur wenigen Görlitzern ist bekannt, welches Geheimnis der Schuppen in sich trägt und an welchem Ort er bis 1945 stand. Es handelt sich um die ehemalige Krankenbaracke des Lagers, die 1949/50 durch ihre transportable Architektur im Biesnitzer Grund abgebaut und hinter der Pfarrei der Heilig-Kreuz-Kirche zur Nutzung als Jugendhaus wieder aufgebaut wurde. Über 67 Jahre trotze die Baracke dem Verfall und überstand sogar einen Baumschlag während des Orkans „Kyrill“ im Jahre 2007. Die Baufälligkeit ist unübersehbar und bisweilen auch durch einen Schutz als Denkmal im Ensemble der Heilig-Kreuz-Kirche kaum aufgehalten.
Nach 67 Jahren Durchhalten scheint dieses Bauwerk wie ein einzigartiges Geschenk an das historische Gedächtnis der Stadt. Die Baracke ist das wahrscheinlich einziger materieller Zeugnis des Lagersystems und vielleicht sogar die einzige erhaltene Baracke dieser Art in ganz Sachsen.

Sanitätsbaracke des KZ-Außenlager Görlitz

 

Die Sanitätsbaracke wurde 1949/50 auf dem Geländer der Heilig-Kreuz-Kirche auf ein neues Fundament gesetzt und unter dem Namen »Don Bosco« als Gemeinde- und Jugendhaus geweiht. Bis in die 1970er Jahre hinein fanden in der Baracke verschiedene Gemeindeveranstaltungen statt, so zum Beispiel Faschingsabende, Jugendblasorchester und Kommunionsunterricht. Als die beiden Kaplane und auch der Küster in den 1970er Jahren abgezogen wurden und ihre beiden Wohnungen in der Pfarrei frei wurden, hielt man die Veranstaltungen fortan nicht mehr in der Baracke, sondern in der Pfarrei ab. Seit dem wird die Baracke als Abstellraum, u.a. für Gartengeräte genutzt.

Derzeit befindet sich die Baracke in einem sehr baufälligen Zustand. Durch den zerstörten Giebel auf der Seite der Synagoge regnet und schneit es herein. Die Decke und Dieleung sind morsch. Überreste einer Feuerstelle zeugen davon, wie jemanden darin Schutz und Obdach suchte.

Blick auf die Baracke mit dem baufälligen Giebel. Im Hintergrund ist das Pfarrhaus zu sehen.
Blick durch den kaputten Giebel auf die Synagoge

Im Ensemble der Heiligkreuzkirche und der Synagoge steht die Baracke heute unter Bestandsschutz, bestätigte mir Frau Junge von der Unteren Denkmalschutzbehörde Görlitz. Somit kann das Gebäude nicht abgerissen werden. Erstaunlicher Weise ist die Existenz der Baracke der Behörde seit einigen Jahren bekannt. Niemand geringeres als Peter Mitsching, der Leiter der Görlitzer Denkmalschutzbehörde, brachte den Stein ins Rollen.
Bei einer Check-Übergabe für die weitere Sanierung der Synagoge fragte Michael Kretschmer, MdB, was da für ein unschöner Schuppe zwischen Synagoge und Kirche stehe. Herr Mitsching antworte, was bislang noch nicht öffentlich bekannt war. Herr Kretschmer trug die Antwort weiter. Der Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde, Norbert Joklitschke, erfuhr erst durch unserem Besuch im Sommer 2012 von der Geschichte des Gebäudes hinter seinem Pfarrhaus. Durch uns erfuhr auch die Sächsische Stiftung für Gedenkstätten von diesem sensationellen Erinnerungsort.

Heute eine Rümpelkammer und morgen eine Gedenkstätte?

 

Vision

Während es bis vor Kurzem noch schien, als wenn eine Erinnerungskultur in Bezug auf das KZ-Außenlager Görlitz am ehesten im WWW seinen Platz fände, gibt es nun Hoffnung auf eine realen Repräsentanz im Herzen der Stadt. Mit der Wiederentdeckung der ehemaligen Krankenbaracke könnte schon bald in Nachbarschaft zur Synagoge nach Wroclawer Vorbild ein Quartier der Toleranz als Zentrum der Dokumentations- und Erinnerungsarbeit entstehen und den Weg für eine Gedenkstätte bahnen. Ob dies gelingen kann hängt nun davon ab, ob der Verfall schnell genug aufgehalten werden kann.

Weitere Links:

  • Die Baracke wurde wahrscheinlich durch Christoph & Unmack Werke in Niesky produziert. Das Unternehmen leistete seit den 1882 Pionierarbeit in der Entwicklung standardisierter, fabrikmäßig gefertigten Holzhäuser. Zwischen 1939 und 1945 stellte das Unternehmen in seiner Holzbausparte fast ausschließlich Baracken her. Vgl. Rug, W. (2006). Lebensdauer von Holzhäusern am Beispiel von Christoph & Unmack AG, Niesky. Wissenschaftliche Berichte
    Hochschule Zittau/ Görlitz, Heft 90 (III. Umgebindehaus- Kolloquium, 21/22. September
    2006).
  • Ein weiteres Buch:  Baracken als industrielle Bauform der Christoph & Unmack AG Niesky
  • Niels Seidel: Die KZ-Außenlager Görlitz und Rennersdorf (2. Auflage)