Die schon am IHI Zittau gepriesene Kleinheit kommt in Midreshet Ben-Gurion voll und ganz zum tragen. Die Wege sind kurz und alles Lebensnotwendige ist verfügbar. Mit 200 Studierenden und 1600 Einwohnern ist der Ort recht klein. Man kennt sich und grüßt darüber hinaus. Das Durchschnittsalter ist sehr niedrig und die Geburtenrate (wie überall im Land) mit 2,4 Kinder pro Frau recht hoch. Hinzu kommt ein ausgewogenes Maß an Ablenkung: Das Cafe und die zwei Bars haben nicht jeden Tag geöffnet, während mehre Sportplätze, eine Turnhalle, ein Freibad und der Nationalpark zum Wandern einladen. Bemerkenswert ist die gelebte Schenk- und Tauschökonomie: im Waschsalon finden sich täglich neue Gebrauchtkleider zum mitnehmen; in einer Open Library kann man Bücher einstellen und mitnehmen; jeden Samstag organisieren Leute ein Cafe mit selbstgebackenen Kuchen und Getränken. Sicherlich sind diese Gemeinschaftsformen auch durch den enorm teuren Lebensunterhalt motiviert (siehe Milki-Protest [1]).
Auch die Unterkünfte sind klein, so dass man gar nicht in die Verlegenheit kommt ein Übermaß an Dingen zu horten, deren Pflege und Benutzung Zeit beansprucht. Zu dritt bewohnen wir weniger als 30m². Jede Ecke des Raumes hat eine Funktion: Kochen, Arbeiten, Schlafen, Ausspannen/Spielen, Bad. Der Inhalt unserer zwei Koffer füllt nicht einmal die Schränke, doch es fehlt uns an nichts.
Am südlichen Ortsrand erstreckt sich ein Tal, was sich Richtung Westen zum Canjon von En-Avdat verengt. Durch diese Mondlandschaft bahnt sich ein paar mal im Jahr ein Fluss, oder besser gesagt Wadi, namens Nahal Zin seinen Weg. Wir hatten das Glück dieses Schauspiel im Januar zu erleben. Straßen wurden unpassiebar und riesige Wasserfällen entstanden aus dem Nichts.
So wie fast täglich Kampfflugzeuge ihre Pirouetten über uns drehen, stellt auch der Anblick von Bunkern etwas Alltägliches dar. Diese mussten die Einwohner zuletzt während des Gaza-Konflikts im Sommer 2014 aufsuchen. Sicherheitskontrollen an Bahnhöfen und Einkaufzentren sowie voll bewaffnete Soldaten, die zwischen ihrer Basis und dem Heimatort pendeln, sind hier Normalität. Die ständige Bedrohungslage führt jedoch auch zu einer besonderen Fürsorge. Israelis passen aufeinander auf und kümmern sich um ihre Mitmenschen. Das beginnt schon auf der Straße, wo man einander grüßt und den Blickkontakt sucht. Wer Hilfe benötigt, bekommt sie ohne ein Nörgeln und in einer zuvorkommenden Weise.