rC3 talk: Demokratische Entscheidungen in Online Communitys

Ich bin hoch erfreut, auch in diesem Jahr wieder einen Vortrag bei der CCC Jahrestagung halten zu dürfen. Zusammen mit Alexander Hacker werde ich euch Probleme und Lösungsansätze für die demokratische Entscheidungsfindung in Online Communitys vorstellen. Alexander hat zu dem Thema seine Bachelorarbeit bei mir geschrieben. Das Thema selbst beschäftigt mich aber schon ein paar Jahre: Zum einen in meinem Kurs »Gestaltung Kooperativer Systeme« an der FU Hagen und zum anderen auch ein klein wenig in der Forschung.

Termin: 29.12.2020, 12:00

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Abstract Viele soziale Netzwerke und kooperative Systeme bieten Räume für den öffentlichen Diskurs und die Meinungsbildung. Dabei fällt auf, dass die Betreiber allein darüber bestimmen, wie diese Räume gestaltet sind, wer sie betreten darf und welche Regeln für ihre Nutzung gelten. Obwohl diese Systeme und Plattformen Online Communitys beherbergen, entziehen sie sich weitgehend dem Einfluss der jeweiligen Gruppe oder Gemeinschaft. Im Vortrag vergleichen wir Online Communitys und virtuelle Gruppen mit demokratisch organisierten Strukturen und stellen die Frage, warum wir uns immer noch als “Nutzer” der Gunst von Plattformbetreibern unterwerfen, anstatt als mündige Bürger im Web demokratisch Einfluss auszuüben.

Agile Software Entwicklung in der Lehre

Agile Software Entwicklung im Team kann man nicht anhand von Lehrbüchern vermitteln. Die Prinzipien, Regeln und die Gebrauch entsprechender Werkzeuge muss vielmehr in einem realen Szenario über einen längeren Zeitraum erfahren werden.

Am Lehrgebiet Kooperative Systeme haben wir uns in diesem Wintersemester wieder dieser Herausforderung gestellt und sind mit 17 auf drei Teams verteilte Studierende an den Start gegangen. Der Kickoff zur Vorbereitung musste Corona-bedingt virtuell stattfinden. Über vier Tage hinweg gab es sieben Impulsvorträge der Studierenden, einen Design Workshop, mehrere Akte eines Rollenspiels mit einem fiktiven Auftraggeber, ein Planning Game, kurze Demonstrationen zur Nutzung von Git, GitLab, VS Code und Docker sowie ein paar Spiele zur Verdeutlichung von Problemen in der digitalen Zusammenarbeit.

Ziel der Veranstaltung war es, die Teams auf eine umfangreiche Programmieraufgabe vorzubereiten, die sie im Anschluss über 7 Iterationen bzw. 14 Wochen bearbeiten. Damit das gelingen kann, mussten sich die Mitglieder der Teams kennenlernen, die notwendigen technischen Voraussetzungen auf ihrem lokalen Rechner und einer Virtuellen Maschine schaffen, sich technische Grundlagen gegenseitig beibringen, ein gemeinsames Verständnis der Aufgabenstellung erlangen und User Stories bzw. GitLab Issues für die 1. Iteration festlegen. Zur Erreichung dieser Ziele hatten wir – Marc Burchart und ich – knapp 26 Stunden zu Zeit.

Aufgabenstellung

Die Aufgabenstellung eines jeden Teams bestand darin, eine kooperative Anwendung für die Lernplattform Moodle zu entwickeln. Welche Art von Anwendungen das sind, werde ich zu Beginn des nächsten Jahres an dieser Stelle vorstellen.

Lessons learned

Das grundlegende Konzept dieser Lehrveranstaltung wird schon seit vielen Jahren an unserem Lehrgebiet erfolgreich eingesetzt. Ich selbst hatte nun zum vierten mal das Vergnügen. Für die gänzlich virtuelle Gestaltung der Veranstaltung hatte ich meine Erfahrungen aus den EuroPLoP 2020, DELFI/ECTEL, der CSEDM und dem Workshop Next Generation LMS einfließen lassen. Folgende Ansätze haben sich grundsätzlich bewährt, sind jedoch auch noch nicht technisch perfekt gelöst:

  • Startpunkt: Es braucht ein Dokument, von dem aus alle verwendeten Werkzeuge erreichbar sind, die Agenda nachvollzogen und Neuigkeiten mitgeteilt werden können. Besser wäre es, wenn man eine Anwendung hätte, die die nachfolgenden Tools in sich vereint.
  • Kollaboratives Schreiben via Sciebo/OnlyOffice: Sowohl im Plenum, als auch in den Teams müssen Ergebnisse schriftlich manifestiert werden. Ein Shared-Text-Editor ist essentiell.
  • Dateiablage via Sciebo/OwnCloud
  • Shared Whiteboard via miro: Nicht alles lässt sich in Worte fassen. Flussdiagramme, Schaubilder der Software Architektur oder auch das Teambuilding mittels Standogrammen erfordern flexible Zeichenwerkzeuge. In miro konnte man Zeichnungen auf Papier als Foto einstellen und mündlich (via Zoom) wie schriftlich diskutieren. In miro verliert man manchmal die Orientierung und arbeitet auf unterschiedlichen Zoomstufen. Pfeile lassen überhaupt nicht nutzen und die Markierung mehrerer Objekte ist sehr umständlich. Für das Schreiben von Texten ist miro abgesehen von den Sticky Notes gänzlich ungeeignet.
  • Kommunikationsräume via Zoom (durch die FernUni (vor)gegeben): Die Beteiligten müssen sich im Plenum und auch innerhalb ihrer Teams austauschen können. Leider kann sich in Zoom nur der Host frei zwischen den Räumen bewegen, während die teilnehmenden Studierenden und Lehrenden wie eine Kindergartengruppe von Raum zu Raum bugsiert werden muss. Nervig waren auch die häufigen Session-Abstürze, unter denen alle Beteiligte zu leiden hatten. Alternativen wie Discord oder Wonder.me bieten leider nicht die notwendige Bild und Tonqualität oder, wie MS Teams, verfügen über keine Gallerieansicht aller Teilnehmenden.

Spiele, oder besser serious games

Um mögliche Probleme einer räumlich getrennten Zusammenarbeit im Hinblick auf die Aufgabenstellungen zu verdeutlichen, haben wir uns in diesem und in den letzten Jahren eine Reihe von Spielen überlegt. Grundsätzlich nehmen die Studierenden hierbei die Rolle der Spielenden und der Beobachtenden ein. Letztere Rolle ist wichtig, um das Erlebte zu reflektieren und Erkenntnisse für die Gestaltung sozio-technischer Systeme zu ziehen.

  • Zählen bis 20: Alle Teilnehmer können sich in einem Konferenzsystem sehen und hören. Sie sollen nun abwechselnd von 1 bis 20 zählen. Sobald sich mehrere Personen einander ins Wort fallen, muss wieder bei eins zu zählen begonnen werden.
    Lernziel: Dieses Spiel ist in Präsenz bereits ein Herausforderung. Im Digitalen kommt die Latenz bei der Übertragung von Bild- und Toninformationen erschwerend hinzu. Latenz ist ein Problem in der synchronen Zusammenarbeit. Die Beteiligten erfahren zudem die Bedeutung von Group Awarenss (dt.: Gruppenwahrnehmung) für die Koordination von Aktivitäten in der Gruppe. Mangels Absprachen gibt es keine festgelegte Reihenfolge und auch keine Konvention darüber, wie eine zeitliche Sperre für die Beanspruchung des Audio-Kanals den anderen kommuniziert werden kann.
  • Irrdeka: In einem Labyrinth sind verschiedene Objekt platziert, zu denen ein Spieler einem zweiten Spieler, der ein leeres Labyrinth vor sich sieht, leiten muss.
    Lernziel: Ohne eine Verständigung über die Vorgehensweise (Orientierung, Bezugspunkte, Kommandos) und eine präzise Kommunikation gelingt die Navigation durch das Labyrinth nicht.
  • Kreuzsatzrätsel: Man nehme eine 3×3 Matrix und lassen den neun Teilnehmenden jeweils ein Kästchen der Matrix mit einem Satz füllen, so dass die Sätze je Zeile (von rechts nach links) und Spalte (von oben nach unten) einen sinnvollen Zusammenhang ergeben. Während des Schreibprozesses können sich alle Beteiligten per Audio (in dem Fall Zoom) abstimmen, während Sie in einem kollaborativen Schreibwerkzug (miro oder Sciebo) die Matrix in Form einer Tabelle ausfüllen.
    Lernziel: Beim kollaborativen Schreiben folgt ein Text einer lineare Abfolge von Absätzen und Sätzen. Orthogonal dazu muss jedoch ein Abgleich mit der Argumentation und der verwendeten Begrifflichkeit erfolgen. Diese orthogonal verlaufenden Dimensionen sind durch die Spalten und Zeilen der Kreuzsätze repräsentiert.
Ergebnis eines Kreuzsatzrätsels
Das Anfertigen von Papier-Prototypen stellen wir als zentrale Entwurfsmethode in Mittelpunkt der Lehrveranstaltung. Papier ist geduldig, unkompliziert, schnell nutzbar. Änderungen lassen sich einfach umsetzen und, zumindest in Präsenz, können sich alle Beteiligten in den Gestaltungsprozess einbringen, ohne ein Zeichenwerkzeug am Rechner erlernen/bedienen zu müssen. Wir haben via Zoom alle gemeinsam Entwürfe erstellen können. Die besten drei von zehn Entwürfen je identifizierten Gestaltungsproblem wurden in miro hochgeladen.

Vortragsankündigung: Verarbeitung kontinuierlicher und periodischer Datenströme in adaptiven Lernumgebungen, CampusSource 2020, TU Dortmund

CampusSource e.V. ist ein Zusammenschluss von Hochschulen in NRW, der die Entwicklung und den Einsatz von Open Source Produkten im Bildungsbereich zum Ziel hat. Die beteiligten Hochschulen arbeiten gemeinsam an Anwendungen und stellen Quellcode sowie ihre Erfahrungen der Allgemeinheit zur freien Verfügung.

NEUER Termin: 24. September 2020

Einmal jährlich treffen sich die an der Initiative beteiligten Menschen zu einer Tagung. In diesem Jahr findet die CampusSource Tagung an der TU Dortmund statt. Ich werde dort etwas über unsere Projekte APLE und auch LA-Diva berichten:

Verarbeitung kontinuierlicher und periodischer Datenströme in adaptiven Lernumgebungen
– Niels Seidel, FernUniversität in Hagen –

In einer Lernplattform wie Moodle lässt sich das Verhalten der Lernenden in Form von detaillierten Logdaten erfassen. Adaptive Lernumgebung können anhand dieser kontinuierlichen Datenströme und den daraus berechneten Kennzahlen, Clustern und erkannten Mustern regelbasierte Entscheidungen treffen, um die Lernenden durch Empfehlungen und Interventionen in ihrem individuellen Lernprozess zu unterstützen. Neben den Logdaten können auch weniger veränderliche und periodisch anfallende Daten wie etwa Prüfungsleistungen oder Kursbelegungen in den Adaptionsregeln Berücksichtigung finden.

Die Herausforderung besteht jedoch darin, die kontinuierlichen und periodischen Datenströme auch für große Studierendenkohorten mit geringer Latenz zu verarbeiten und dabei auch umfangreichere Berechnungen durchzuführen. In dem Vortrag stellen wir unseren Lösungsansatz vor und berichten von unseren Erfahrungen im Projekt Adaptive Personalized Learning Environment (APLE) an der FernUniversität in Hagen.

Demokratische Entscheidungen in WordPress-Communities

In einer virtuellen Gemeinschaft gibt es viele Entscheidungen zu treffen: Wer darf der Gemeinschaft beitreten? Wer soll ausgeschlossen werden? Welche Regeln gelten innerhalb der Gemeinschaft? Welche Informationen sollen nach draußen gelangen? Wer hat welche Rollen inne und darf über was entscheiden?

Üblicher Weise werden Fragen dieser Art irgendwie einvernehmlich geklärt und Konsens angestrebt. Ab einer gewissen Anzahl von Mitgliedern funktioniert das jedoch nicht mehr. Erst recht nicht, wenn die von der Gemeinschaft gewählte oder ihr auferlegte Plattform keine ausreichenden Kommunikations- und Abstimmungsmittel bereitstellt. Im Schlimmsten Fall wird die Gemeinschaft autokratisch gelenkt. Nicht selten profitieren dabei diejenigen, die die Kompetenz und Kontrolle über die technischen Systeme inne haben – die Administratoren oder Moderatoren.

Alexander Hacker hat sich in seiner Bachelorarbeit durch meine Anregung mit der Frage auseinander gesetzt, wie virtuelle Gemeinschaften bindende demokratische Entscheidungen fällen können. Ausgehend von einschlägigen Vorarbeiten (bspw. die Wikipedia), Studien und politikwissenschaftlichen Analysen von Abstimmungsmethoden hat Herr Hacker zusammen mit einer existierenden virtuellen Gemeinschaft Anforderungen und Lösungsansätze für bindende demokratische Entscheidungen entwickelt und in Form eines WordPress-Plugins implementiert. Neben Diskussionen, klassischen Abstimmungen und dem N-Augen-Prinzip hat er auch Losverfahren und eine Proxy-Voting umgesetzt. Bemerkenswert ist dabei nicht nur der Umfang an demokratischen Partizipationsmöglichkeiten, sondern auch die Konsequenz mit der diese Verfahren greifen. So ist es bspw. möglich dem WordPress-Administrator den Zugriff auf die von der Gemeinschaft erstellten Beiträge und Seiten zu entziehen.

Dass solcherlei Ansätze nur in der Theorie funktionieren, jedoch in der Praxis keinen Anklang finden, kann man Hacker’s Arbeit nicht vorwerfen. Das von ihm entwickelte Plugin befindet sich seit mehreren Monaten im Einsatz und wird von mehreren Dutzend Personen regelmäßig genutzt.

Ich freue mich, dass Alexander Hacker nun den Code seines WordPress Plugins auf GitHub bereitgestellt hat und hoffe, dass auch andere Entwickler und weitere Gemeinschaften daran Interesse bekunden.

https://github.com/mystryx1337/wordpress-democracy

Die wichtigsten Funktionen sind in diesem Video erklärt: https://www.youtube.com/watch?v=aUoLF-jrC50&feature=youtu.be

Sammelband (endlich) erschienen: Erinnerungs- und Gedenkorte im sächsischen Dreiländereck Polen – Tschechien – Deutschland

Im Herbst 2010 nahm ich an einer Tagung mit dem Titel »Erinnerungs- und Gedenkorte (nicht Landschaften!) im Dreländereck Polen – Tschechien – Deutschland« teil. Die Tagung fand in Großhennersdorf statt und wurde von der dort ansässigen Umweltbibliothek unter der Leitung von Andreas Schönfelder ausgerichtet. Ich hatte damals auch hier darüber berichtet und meine Vortragsfolien zur Verfügung gestellt.

Im Anschluss an die Tagung wurde ein Tagungsband kuratiert, der nun endlich vorliegt. Wie unterschiedlich die Geschwindigkeiten sein können, in denen wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht werden, überraschte mich sehr. In der Informatik kommt es auf wenige Monate an, in der Geschichtswissenschaft kommt es auf Jahre und Jahrzehnte nicht so sehr an – so lange einen die Geschichte nicht wieder einholt. Gerade in Sachsen gilt es die Erinnerungs- und Gedenkkultur zu weiter zu entwickeln. Nach dem die meisten Zeitzeugen der NS-Zeit verstummt sind, finden wir nur noch Ort vor, die uns ohne eine historische Aufarbeitung und intensive Forschung kaum ansprechen. Es handelt sich oftmals um Orte, die heute einer anderen Nutzung überführt wurden oder brach liegen. Diese Ort können uns aber etwas mitteilen, wenn wir mit ihnen vergangene Geschehnisse verbinden und mit ihnen Menschen in Beziehung bringen können. Das vorliegende Buch vermag uns helfen, von Orten und Plätzen im Dreiländereck angesprochen zu werden, die uns zuvor bedeutungslos erschienen.

Diese Publikation geht zurück auf eine Tagung zur Erinnerungs- und Gedenklandschaft im Dreiländereck Polen – Tschechien – Deutschland. Es werden Forschungsarbeiten, dokumentierte Spurensuche-Projekte und auch die Arbeit von Gedenkstätten in der Grenzregion vorgestellt. Um Lesern den Kontext und die Relevanz der mit dem Band verbundenen Thesen plausibel zu machen, wurden zusätzlich Darstellungen ausgewiesener Kenner der nationalen Prozesse für eine Erneuerung der jeweiligen Erinnerungs- und Gedenkkulturen seit den großen Umbrüchen von 1989/1990 aufgenommen.

Der Sammelband ist kostenlos bei der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung zu erhalten.

Studienfahrt nach Theresienstadt

Im Rahmen des Projektes Theresienstadt explained haben wir zusammen mit Forschenden und Studierenden mit einer Reihe von spannenden Anwendungen entwickelt, die nun im Feld evaluiert werden sollen. Eine weiter Gelegenheit dazu bietet uns dazu die Studienfahrt nach Theresienstadt. Zusammen mit Armin Pietsch werden wir den Theresienstadter NS-Propagandafilm vorstellen und mit den Teilnehmenden analysieren.

Termin: 13. bis 15. März, Terezin, CZ

Organisiert wird die Studienfahrt von Beatrice Pätzold (Brücke|Most-Stiftung) und Stefanie Stange (Ev. Luth. Landesjugendpfarramt Sachsen) in Kooperation mit dem Freundeskreis Theresienstadt e.V.

Weitere Information finden sich auch dem Veranstaltungsflyer.