Darf der BND alle Verbindungsdaten überwachen?

Es wird immer wieder angeführt, dass der BND keine totale Überwachung der Internetkommunikation zwischen der BRD und dem Ausland vornehmen darf. Die Befugnisse des BND seien damit im Vergleich zum us-amerikaischen NSA weit mehr eingeschränkt und mit unseren Grundrechten vereinbar. Im so genannen G10-Gesetz steht in §10, Absatz 4:

In den Fällen der §§ 5 und 8 sind die Suchbegriffe in der Anordnung zu benennen. Ferner sind das Gebiet, über das Informationen gesammelt werden sollen, und die Übertragungswege, die der Beschränkung unterliegen, zu bezeichnen. Weiterhin ist festzulegen, welcher Anteil der auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität überwacht werden darf. In den Fällen des § 5 darf dieser Anteil höchstens 20 vom Hundert betragen.

Zur Sammlung von Informationen darf der Anteil der zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität höchstens 20% betragen. Unter Kapazität versteht man im Kontext von Datenübertragung die maximal mögliche Rate der Daten, die fehlerfrei über einen Kanal übertragen werden kann. Diese Datenübertragungsrate bezeichnet die Menge an Daten je Zeiteinheit. Der BND darf also maximal 20% der Daten sammeln, die je Zeiteinheit übertragen werden.

Schaut man sich nun einmal an, wie sich die über das Internet übertragenen Daten zusammensetzen, stellt man zunächst fest, dass ein Großteil durch die Übertragung von Multimediaangeboten (Video on Demand, Videokonferenzen) und File-Sharing zustande kommt. Man kann also annehmen, dass ein Großteil der Daten ohnehin nicht gespeichert werden muss, weil er im Netz verfügbar ist, d.h. unabhängig von einer Überwachungsmaßnahme abrufbar ist. Nicht zuletzt aufgrund effektiven Verschlüsselungsmethoden, konzentrieren sich Geheimdienste auf Verbindungsdaten. Diese eigenen sich beispielsweise zur Erstellung von Bewegungs- und Kommunikationsprofilen und werden aus den Headern der IP-Pakete entnommen, ohne die wesentlich größeren Inhalte der Pakete analysieren zu müssen. IP-Pakete sind die kleinste Einheit von Daten, die im Internet zirkuliert. IPv4-Header sind zwischen 20 und 60bytes (160-480Bits) groß, IPv6-Header sind ungefähr doppelt so groß. Ein IP-Paket inkl. Header kann bis zu 65,535 bytes groß sein.
Wenn der BND also auch nur 5% der übertragenen Daten sammelt und auswertet, dann ist der Datenbestand immer noch ausreichend groß, um alle Verbindungsdaten von E-Mails, Video-Telefonate und Seitenaufrufe im WWW, etc. zu protokollieren. Man muss natürlich bedenken, dass die über Deutschland gerouteten Daten nur einen kleinen Teil des gesamten Datenaufkommens im WWW ausmachen.
In puncto Überwachung des auswärtigen Internetverkehrs wurden dem BND in Deutschland ähnliche Freiheiten eingeräumt, wie der NSA in den USA. Das Ausmaß der Überwachung ist aufgrund des hiesigen Traffics zwar geringer, doch kann die Datenerfassung laut Gesetz ebenso effizient erfolgen wie in den USA. Das würde erklären, warum die Bundesregierung schier regungslos den öffentlichen Forderung zur Aufklärung der NSA-Ausspähungen gegenüber steht. Wer im Glashaus des Panoptikums sitzt, wird nicht mit Steinen werfen.

Friedensnobelpreis für Eduard Snowden

Seit Bekanntwerden des Überwachungsprogramms PRISM durch die NSA (National Security Agency / No such agency) wurden wir wieder daran erinnert, dass E-Mail, Google-Dienste, Facebook und Skype keinen sicheren Datenaustausch ermöglichen. Es ist in sofern auch nicht neu, dass amerikanische Geheimdienste die Kommunikation von Ausländern mithören. Ein Minderheit wird sich noch an die ECHOLON-Debatten (Abhörung der Satellitenkommunikation Fax, E-Mail, ect.) in Deutschland und der EU und den Vorwürfen der Menschenrechtsverletzung erinnern.
Neu ist hingegen der Umfang der Überwachungsmaßnahmen angesichts der gegenüber 2001 gewachsenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung von IKT, Internet und speziell dem Social Web.

Die mediale Berichterstattung konzentriert sich leider zu sehr auf einzelnen Überwachungsskandale, anstatt die historische Entwicklung staatlicher IKT-Überwachung in den Blick zu nehmen. Man täte gut daran die vermeintlich kleinen zivilisatorischen Brüche im Zusammenhang zu sehen und damit scheinbar nicht zusammenhängende totalitäre Tendenzen zu erkennen. Auch der Projektkontext von PRISM im Rahmen von Stellar Wind ist noch nicht aufgearbeitet. Gleichwohl ungeklärt sind Bezüge bzw. Parallelen zum europäischen Forschungsprojekt INDECT.

Fest steht jedoch, dass die jetzigen und kommenden Debatten zu PRISM und vergleichbaren Diensten nicht ohne den Mut und den zivilen Ungehorsam von Eduard Snowden in Gang gekommen wären. Ich kann mich deshalb nur der Forderung anschließen, Eduard Josef Snowden (im Kontrast zu Barack Obama) den Friedensnobelpreis zu verleihen. Snownden hat außerordentlichen Mut bewiesen Verstöße gegen Bürger- und Menschenrechte anzuprangern, wie sie im Zeitalter der digitalen Vernetzung und Kommunikation typisch sind und sein werden. Eine Ehrung mit dem Nobelpreis würde Snowden vielleicht einen überstaatlichen Schutz vor übermäßiger Bestrafung (u.U. Todesstrafe) gewähren.