Im SOOC13 läuft gerade eine Blogparade bei der Professoren und Wissenschaftlichen Mitarbeiter gefragt werden, warum sie bloggen.
Aber warum? Blogposts werden auf keiner Publikationsliste erwähnt. Blogposts werden bei Anträgen um Drittmittel nicht berücksichtigt. Blogposts werden vielleicht noch nicht einmal von den eigenen Mitarbeitern oder Studenten gelesen. Oder doch?
Für mich hat das Bloggen nur teilweise mit dem Job an der Uni zu tun. Zum einen habe ich bereits während meines Studiums (2007) bzw. während der Schulzeit (1999) mit dem Bloggen bzw. „Homepage füllen“ begonnen und zum anderen gehen die in meinem Blog dargestellten Themen weit über die Spezialisierung meiner Forschung und Lehre hinaus. Ein Blog ist für mich zunächst nur ein Weg, Inhalte ins WWW zu stellen und dabei die Kontrolle über die Daten zu behalten. Hier eine Reihe von Gründen, die mich bislang trotz oder aufgrund von 33 Feed-Abonnenten und täglich >100 Besuchern (~600 page views) dazu bewogen haben 262 Beiträge schreiben:
- Media Richness: Auf einer Webseite lassen sich Dinge darstellen, die eine Paper/Konferenzbeitrag (noch?) nicht vermitteln kann (z.B. interaktive Software). Aber auch beim bloggen gerate ich zunehmend an die Grenzen des darstellbaren. Die Ausdruckskraft der gegenwärtigen Systeme hält mit den gestalterischen Asudrucksformen (DataViz/D3, Layered Video, Infografiken, Motion Graphics, SVG, …) nicht mehr mit. Wer „heute digitale Avantgarde sein will“, so sagte Markus Hündgen auf der re:publica, „braucht einen Kanal bei YouTube“ und einiges mehr, so meine ich. Texten ist Neunziger.
- Flüchtigkeit vs. Transparenz: Im Vergleich zu Vorträgen, Demos usw. manifestieren sich Inhalte in Blogposts viel besser über längere Zeit hinweg. Die Manifestation schafft eine Transparenz der eigenen Aktivität.
- Denken durch Schreiben: Einen Beitrag für eine Zielgruppe zu schreiben und dabei eine bestimmte Absichten zu verfolgen kann man als komplexes Problemlösen oder gar problemlösendes Lernen bezeichnen. Wenn ich einen kurzen Blogpost schreibe, ordne ich meine Gedanken zu einem Thema. Das hilft mir, falls ich später einen umfassenderen Text verfassen möchte. Es hilft auch, um Fragestellungen und Argumentationslinien während des Schreibens zu finden.
- Speicher voll Wissen: Die Funktionen von Social Bookmarking Diensten hat mir noch nie ausgereicht, um Zusammenhänge und Einordnungen von Ressourcen festzuhalten. Ich nutze die Kombination aus Kategorien, Tags, Blogpost und die Verweise auf ähnliche Beiträge als _eine_ Form des persönlichen Wissensmanagement.
- Medaille²: Neben diesem öffentlichen Teil meines Logbuchs gibt es seit nunmehr drei Jahren einen privaten Teil, der als lokales, persönliches Forschungstagebuch ([1]) fungiert. Zusammen bilden die Blogs zwei Seiten einer Medaille. Inhalte wechseln dabei des öfteren die Seiten und sind gegenseitig inspiriert.
- Wirkung: In bestimmten Themenbereichen kann ich mit einem Blogpost Vertreter von Verwaltung und Presse erreichen und mit ihnen in Dialog treten. Das kann soweit führen, dass ein Blogpost öffentliche Debatten im Reallife auslöst und dadurch Handlungsdruck erzeugt (z.B. [1], [2], [3]). Mit wissenschaftlichen Beiträgen auf Tagungen und in Journalen wäre (mir) dies nicht möglich, weil sich ja kaum ein Journalist oder Kommunalpolitiker die Zeit oder das Geld nimmt, um an der Wissenschaft teilzuhaben.
- Tiefe in der Breite: Wie bereits oben erwähnt, gönne ich mir die Freiheit über Dinge zu schreiben, die mich als Privatmensch bewegen, ohne auf Gutachten, Deadlines oder Autorenrichtlinien angewiesen zu sein. Über die Jahre haben sich dabei Themenstränge entwickelt, deren Inhalte ich wie ein Kurator zusammenstelle und kommentiere, oder die ich neu beitrage. Über die Zeit entsteht eine thematische Tiefe aus der ich und andere schöpfen können.
- Prokrastination: Es kommt gelegentlich vor, dass ich hier und da [1, 2] Beiträge schreibe und dadurch die wirklich wichtigen Arbeiten aufschiebe. Bloggen ist wie Bleistiftspitzen oder Teekochen.