Wandzeichen in den Zittwerken

Über die ehemaligen Zittwerke und die dortige Filiale des Konzentrationslager Groß-Rosen hatte ich schon einmal berichtet. Der Forschungsstand zum Komplex der Zittwerke einschließlich aller dort gewesenen Lager ist nur teilweise zufriedenstellend.

In einem Kaserenengebäude des riesigen Areals waren 1944/45 KZ-Häftlinge untergebracht. Das Gebäude ist total ruiniert. Das Dach ist halb offen, Fenster gibt es keine und das Mauerwerk bröckelt. Im Keller haben sich Schatzsucher an Schächten und ähnlichem versucht.
In zwei Räumen finden sich Schriftzüge in Fraktal, dazu einige Zeichnungen und Verzierungen. Die Zeichnungen lassen sich zeitlich nicht eindeutig eingrenzen. Die Schriftart deutet auf eine Zeit vor 1945 hin. Der Spruch “O Heimat, wie bist du schön” hat wenig Bezug zu den dort festgehaltenen Juden oder Zwangsarbeiter. Der folgende Spruch könnte eher im Zusammenhang mit einem KZ stehen:


Wenn das haus einmal eingefallen sein wird, sind auch solchen Spuren verwischt.

Sachsen, Schlesien, Oberlausitz und doch Europa

Aktuell läuft eine Online-Petition gegen das in der Sächsichen Verfassung benannte “schlesische Gebiet” innerhalb Sachsens. Untermauert wird diese Formulierung durch die Gleichberechtigung der schlesischen Farben (gelb/weiss) und des schlesischen Wappens in eben diesen Gebieten.

Was steht in der Sächsischen Verfassung bezüglich Schlesien?
In der Präambel:

Anknüpfend an die Geschichte der Mark Meißen, des sächsischen Staates und des niederschlesischen Gebietes, gestützt auf Traditionen der sächsischen Verfassungsgeschichte,
ausgehend von den leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer und kommunistischer
Gewaltherrschaft, eingedenk eigener Schuld an seiner Vergangenheit, […], hat sich das Volk im Freistaat Sachsen dank der friedlichen Revolution des Oktober 1989 diese Verfassung gegeben.

Die Formulierung der Präambel ist in der Tat etwas verwirrend, denn die drei Staatsgebilde existierten nicht gleichzeitig.
Mit “Mark Meißen” ist die Markgrafschaft Meißen gemeint. Sie erstreckte sich im 11. Jahrhundert sehr wohl auch auf das Gebiet der heutigen deutschen Oberlausitz. Etwas unklar ist die Erwähnung eines “Sächsische Staates”. Das sächsische und Fürsten-, Kurfürstentum und Königreich war bis 1918 ein souverainer Staat. Wesentlich bedeutsamer für den heutigen Freistaat ist sein Ursprung als Freistaat in der Weimarer Republik. Zwischen 1934 und 1945 sowie zwischen 1952 und 1990 existierte der Freistaat Sachsen nicht. Bei der Neugründung 1945 kam ein Teil Niederschlesiens zu Sachsen, während der östlich der Neiße gelegene Teil der Oberlausitz an Polen ging.
Die heutige Argumentation, dass aus die Erwähnung Niederschlesiens auf die heute polnischen Ländereien anspiele, trift analog auf die Oberlausitz zu. Wer von der Oberlausitz redet, könnte sich auch auf den polnischen Teil zwischen Neiße und Queiß beziehen. Eine Berufung auf die Oberlausitz in der Präambel der Sächs. Verfassung hätte den selben revisionistischen Beigeschmack wie die Erwähnung Schlesiens aktuell.

§2 (4) Im Siedlungsgebiet der Sorben können neben den Landesfarben und dem Landeswappen
Farben und Wappen der Sorben, im schlesischen Teil des Landes die Farben und das Wappen
Niederschlesiens, gleichberechtigt geführt werden.

Dies verwundert, zumal der “schlesische Teil” in der jüngeren Geschichte vor dem Wiener Kongress 1815 ein Teil Sachsens war. Es stellt sich die Frage, welchen zeitlichen Bezug die Verfasser der hier beimessen. Es bezieht sich wohl auf die zweite Gründung des Freistaat Sachsen 1945. Damals wollte man wohl den Einwohner der hinzugekommenen Gebiete dabei helfen, sich mit dem neuen Staatsgebilde zu identifizieren. Aus der Sicht von 1992, dem Jahr in dem die aktuelle Sächsichen Verfassung in Kraft trat, scheint dieser Verweis auf Schlesien jedoch überflüssig. Die zweifelhaften Initiatoren der oben genannten Petition unterstellen hier gleich einen Zusammenhang mit dem Bund der Vertriebenen und der NPD, welche sich nun beide auf den Fortbestand Schlesiens in der Verfassung berufen können. Dem Geschichtsrevisionismus sei Tür und Tor geöffnet. Unsere Kinder durch NPD-Agitatoren in Gefahr, das Märchen von Schlesien zu glauben. So die verkürzte Argumentation.

Um beim nächsten Mal alles richtig zu machen, müssten in der Verfassung alle möglichen Strömungen fremder Besetzungen Erwähnung finden. Im Fall der Oberlausitz wären da mindesten Ungarn, Böhmen, Polen, Schweden und Sowjetrussland zu nennen. Gerade diese vielfältigen Strömung prägen diesen Landstrich und seine Bewohnerinnen. Die Stadt Görlitz könnte sich dann mit weitaus mehr Fahnen schmücken und sich getrost einmal auf ihre europäische Geschichte im Spannungsfeld der genannten Nationen berufen. Gleiches gilt für die Sächsische Verfassung, in der die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in §12 eine Würdigung erfährt:

Das Land strebt grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit an, die auf den Ausbau
nachbarschaftlicher Beziehungen, auf das Zusammenwachsen Europas und auf eine friedliche
Entwicklung in der Welt gerichtet ist.

EUROPEADA 2012

Durch die Couchsurfing-Gruppe “Oberlausitz – Upper Lusatia” erfuhr ich zufällig von der Fußballeuropameisterschaft der autochthonen, nationalen Minderheiten in Bautzen. Vom 16. bis 24. Juni spielen die Mannschaften in weltbekannten Spielstätten wie Panschwitz-Kuckau, Crostwitz oder Neschwitz, das Finale findet dann in Bautzen statt:

  • group A : Lusatian Sorbs (GER), German minority from Poland (POL), Carinthian Slovenes (AUT), Selection of the minorities from Estonia (EST)
  • group B : Roma from Hungary (HUN), Germans from Russia (RUS), Rhaeto-Romanians (SUI), Slovak minority from Hungary (HUN)
  • group C : Croat minority from Serbia (SRB), Western Trace Turks (GRE/GER), Ladins (ITA), North Frisians (GER)
  • group D : German-speaking minority of South Tyrol (ITA), Germans from Hungary (HUN), Karachay (RUS), German minority from Denmark (DEN)
  • group E : Danish minority from Germany (GER), Cimbrians (ITA), The Welsh (GBR), Occitans (FRA)

Mehr dazu: http://europeada2012.sorben.com/

Jelenia Gora – Ausflug in eine andere Wissenschaftskultur


Jelenia Gora, eine Kleinstadt im Südwesten Polen. Am Zusammenfluss von Bober und Zack gelegen, erheben sich ganz in der Nähe die noch schneebedeckten Gipfel des Riesengebirges.


Der Rynek (Marktplatz) mit seinen Lauben, Kaffees und den laufenden Theaterfestspielen.

Das Flair herbstlicher Gebäudesubstanz im Zusammenspiel mit einer lebendigen Innenstadt hat Charme, finde ich.

ACC – Young Scientist 2012


Zu Gast als Redner auf der diesjährigen Young Scientist Konferenz. Alljährlich veranstaltet das Academic Coordination Centre das Treffen für Promovierende und Absolventen der Universitäten in der Euro-Region-Neisse:

Meine Teilnahme hat sich gelohnt. Lohnenswert, wegen des Einblick in die Wissenschaftskulturen der vertretenden osteuropäischen Universitäten. Lohnenswert zu vor allem, um Kontakte zu knüpfen und fachliche Anknüpfungspunkte zu eruieren. Das ich trotz relativ kurzfristiger Beteiligung für meinen Vortrag im Technology-Track gleich mit dem ersten Preis ausgezeichnet werde, hätte ich nicht erwartet.

Zugegebenermaßen erschien mir der Tagungsablauf in Hinblick auf die genannten Möglichkeiten miteinander ins Gespräch zu kommen noch verbesserungswürdig. Das Zeitfenster von fünf Stunden ermöglichte nicht die nötigen Gelegenheiten, um mit mehreren Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. Eine Ausweitung auf zwei Tage inklusive social events wäre eine Bereicherung. Gänzlich konträr zum westlichen Verständnis eines wissenschaftlichen Diskurses empfand ich den Ansatz der Null-Diskussionen. Die Vortragsfolge glich einer TV Sendung ohne Programmwahl. Dies war weder dem besseren Verständnis der Zuhörer, noch der Gewinnung von Hinweisen für den Referenten zuträglich. Der wissenschaftliche Dialog im realen Miteinander blieb damit hinter den Gegebenheiten der virtuellen Kommunikation per Skype, E-Mail und Blogs zurück. Die Veranstalter gelobten Besserung und  ließen einem durch ihre freundliche und herzliche Art alles vermeintlich negative andere vergessen. Gerade diese Herzlichkeit ist es,  um die wir unsere eigene Konferenzkultur bereichern könnten. Das ist freilich schwerer, als die Einführung eines Diskussionsslots.