Workshop: Neue Lehre für Neue Medien

Am Freitag veranstalteten wir an der TU Chemnitz den ersten Teil unseres Workshops „Neue Lehre für Neue Medien“. Wir, das sind drei Mediendidaktiker des sächsischen Verbundprojekts „Lehrpraxis im Transfer“, welches durch das Hochschuldidaktische Zentrum Sachsen koordiniert wird. Der Workshop ist deshalb auch Bestandteil des aktuellen Kursprogramms.

Unser Ziel bestand darin, den Teilnehmern Beispiele erfolgreicher mediengestützter Lehr-Lern-Szenarien vorzustellen, die sie direkt für ihre Lehre adaptieren können. Die Neuen Medien sollen dabei keinen Selbstzweck erfüllen, sondern als Mittel zum Zweck einer guten Lehre dienen. Aus diesem Grund war es uns wichtig auf aktuelle Herausforderungen der Lehrenden einzugehen und stets den Mehrwert und Mehraufwand im Blick zu behalten.
Die realen Szenarien haben wir in kompakter Form jeweils auf zwei Seiten zusammengefasst und dabei die didaktischen, organisatorischen und technischen Besonderheiten herausgestellt:

  • Lerntagebuch via Mahara, OPAL oder moodle
  • kollaboratives Schreiben via Google Docs, Zoho oder etherpad
  • Podcast Wiki Physik als ein Beispiel für Wikis und Lernvideos
  • SOOC als Beispiel für einen cMOOC mittels Blogs
  • Twitterwall als günstige Variante eines classroom response systems
  • Lernmanagementsystem

Während des ersten Workshop-Tages hatten die Teilnehmer zwei Arbeitsaufträge zu bewältigen. Im ersten machten sie sich mit einem der sechs Szenarien vertraut und bereiteten es zu einem Poster auf, was sie den übrigen Teilnehmern im Anschluss präsentierten. Der zweite Arbeitsauftrag bestand darin, eines der vorgestellten Szenarien auszuwählen und es auf eine eigene Lehrveranstaltung zu übertragen oder in eine solche zu integrieren. Zu diesen vorgestellten Ideen gab es abschließend ein Feedback der Gruppe und von uns natürlich.

Auch wenn nicht jedes Szenario sofort Begeisterung weckte (Twitterwall, SOOC), war die Resonanz auf die Veranstaltung recht positiv. Vor allem die angebotenen Freiräume zur Entwicklung von Ideen für mediengestützten Lehr-Lern-Szenarien wurde gut aufgenommen.

Bis zum zweiten Workshop-Termin in zwei Wochen sind wir nun gespannt, wie die Teilnehmer ihrer Ideen konkretisieren. Bislang gewannen wir jedoch den Eindruck, als würden die Teilnehmer ihre Ideen tatsächlich in die Tat umsetzen wollen. Perspektivisch planen wir weitere Szenarien zu sammeln und in einer Falldatenbank anzubieten.

Wir suchen also weitere Beispiele für gelungene Anwendungen Neuer Medien in der Lehre. Könnt ihr uns welche empfehlen?

#SOOC13 Hilfe, mein Prof blogt! Texten ist Neunziger.

Im SOOC13 läuft gerade eine Blogparade bei der Professoren und Wissenschaftlichen Mitarbeiter gefragt werden, warum sie bloggen.

Aber warum? Blogposts werden auf keiner Publikationsliste erwähnt. Blogposts werden bei Anträgen um Drittmittel nicht berücksichtigt. Blogposts werden vielleicht noch nicht einmal von den eigenen Mitarbeitern oder Studenten gelesen. Oder doch?

Für mich hat das Bloggen nur teilweise mit dem Job an der Uni zu tun. Zum einen habe ich bereits während meines Studiums (2007) bzw. während der Schulzeit (1999) mit dem Bloggen bzw. „Homepage füllen“ begonnen und zum anderen gehen die in meinem Blog dargestellten Themen weit über die Spezialisierung meiner Forschung und Lehre hinaus. Ein Blog ist für mich zunächst nur ein Weg, Inhalte ins WWW zu stellen und dabei die Kontrolle über die Daten zu behalten. Hier eine Reihe von Gründen, die mich bislang trotz oder aufgrund von 33 Feed-Abonnenten und täglich >100 Besuchern (~600 page views) dazu bewogen haben 262 Beiträge schreiben:

  • Media Richness: Auf einer Webseite lassen sich Dinge darstellen, die eine Paper/Konferenzbeitrag (noch?) nicht vermitteln kann (z.B. interaktive Software). Aber auch beim bloggen gerate ich zunehmend an die Grenzen des darstellbaren. Die Ausdruckskraft der gegenwärtigen Systeme hält mit den gestalterischen Asudrucksformen (DataViz/D3, Layered Video, Infografiken, Motion Graphics, SVG, …) nicht mehr mit. Wer „heute digitale Avantgarde sein will“, so sagte Markus Hündgen auf der re:publica, „braucht einen Kanal bei YouTube“ und einiges mehr, so meine ich. Texten ist Neunziger.
  • Flüchtigkeit vs. Transparenz: Im Vergleich zu Vorträgen, Demos usw. manifestieren sich Inhalte in Blogposts viel besser über längere Zeit hinweg. Die Manifestation schafft eine Transparenz der eigenen Aktivität.
  • Denken durch Schreiben: Einen Beitrag für eine  Zielgruppe zu schreiben und dabei eine bestimmte Absichten zu verfolgen kann man als komplexes Problemlösen oder gar problemlösendes Lernen bezeichnen. Wenn ich einen kurzen Blogpost schreibe, ordne ich meine Gedanken zu einem Thema. Das hilft mir, falls ich später einen umfassenderen Text verfassen möchte. Es hilft auch, um Fragestellungen und Argumentationslinien während des Schreibens zu finden.
  • Speicher voll Wissen: Die Funktionen von Social Bookmarking Diensten hat mir noch nie ausgereicht, um Zusammenhänge und Einordnungen von Ressourcen festzuhalten. Ich nutze die Kombination aus Kategorien, Tags, Blogpost und die Verweise auf ähnliche Beiträge als _eine_ Form des persönlichen Wissensmanagement.
  • Medaille²: Neben diesem öffentlichen Teil meines Logbuchs gibt es seit nunmehr drei Jahren einen privaten Teil, der als lokales, persönliches Forschungstagebuch ([1]) fungiert. Zusammen bilden die Blogs zwei Seiten einer Medaille. Inhalte wechseln dabei des öfteren die Seiten und sind gegenseitig inspiriert.
  • Wirkung: In bestimmten Themenbereichen kann ich mit einem Blogpost Vertreter von Verwaltung und Presse erreichen und mit ihnen in Dialog treten. Das kann soweit führen, dass ein Blogpost öffentliche Debatten im Reallife auslöst und dadurch Handlungsdruck erzeugt (z.B. [1], [2], [3]). Mit wissenschaftlichen Beiträgen auf Tagungen und in Journalen wäre (mir) dies nicht möglich, weil sich ja kaum ein Journalist oder Kommunalpolitiker die Zeit oder das Geld nimmt, um an der Wissenschaft teilzuhaben.
  • Tiefe in der Breite: Wie bereits oben erwähnt, gönne ich mir die Freiheit über Dinge zu schreiben, die mich als Privatmensch bewegen, ohne auf Gutachten, Deadlines oder Autorenrichtlinien angewiesen zu sein. Über die Jahre haben sich dabei Themenstränge entwickelt, deren Inhalte ich wie ein Kurator zusammenstelle und kommentiere, oder die ich neu beitrage. Über die Zeit entsteht eine thematische Tiefe aus der ich und andere schöpfen können.
  • Prokrastination: Es kommt gelegentlich vor, dass ich hier und da [1, 2] Beiträge schreibe und dadurch die wirklich wichtigen Arbeiten aufschiebe. Bloggen ist wie Bleistiftspitzen oder Teekochen.

Wikipedia Academy in Eigenregie

Die auf der letzten Wikimania (2011) vorgestellte Initiative der Wikipedia Academy zielt darauf, Studierende Wikipedia-Artikel verfassen zu lassen. Die aus Haifa/Israel mitgebrachte Idee hielt ich für nachahmenswert. Eine erste Gelegenheit zur Erprobung des Lehrkonzepts hat sich im Rahmen der Lehrveranstaltung “Lehren und Lernen mit Neuen Medien” ergeben. Teilnehmende waren Doktoranden aus den Bereichen Wirtschaftswissenschaft, Informatik und Maschinenbau des Internationalen Hochschulinstitut Zittau. Die Veranstaltung lief über drei Tage und wurde durch ein Medienpraktikum komplettiert.
Eine Aufgabe im Praktikum bestand darin, einen ungenügenden oder noch nicht vorhandenen Artikel in der Wikipedia zu identifizieren und diesen dann zu verbessern bzw. ihn überhaupt erst einmal zu schreiben. Thematisch habe ich das Themenspektrum auf Lernen mit Neue Medien eingegrenzt.

Meine anfängliche Vermutung, Artikel aus diesem Themenbereich wären besonders fundiert, hatte sich bereits in der Vorbereitung des Seminars zerschlagen. Das Gegenteil war der Fall. In Bezug auf die pädagogischen Psychologie sowie Bildungstechnologien mangelte es an basalen Begriffen (z.B. Kompetenz) und verbreiteten Technologien (hier in Sachsen z.B: OPAL als Lernmanagementsystem).
Sechs der 15 Seminarteilnehmer fügten der Enzyklopädie einen neuen Artikel hinzu, wobei es oftmals eine englischsprache Vorlage gab. Alle übrigen machten sich an die nicht minder schwere Aufgabe, einen vorhandenen Artikel auf seine Schwächen hin zu analysieren und strukturell sowie inhaltlich zu verbessern.
Als besonders gelungene Artikel möchte ich folgende Beiträge hervorheben:

Als besonders beliebt erwiesen sich unter den Teilnehmer Artikel zu Service-Produkten im E-Learning (Khan Academy, Connexion, iTunes U, OpenLearn, OpenCoursWare …). Auch wenn diese Dienste während der Veranstaltung eine gewisse Beachtung fanden, hätte ich eine geringere Resonanz erwartet. Immerhin bewegen sich die Artikel oft haarscharf an der Grenze zur Werbung für die entsprechenden Angebote. Prinzipiell muss man sich fragen, in wie man man sie als relevant ansehen kann.

Als Herausforderung im Rahmen des Themengebietes begriff ich neben den drei bereits erwähnten, die Artikel über das Peer Assessment und Kognitivismus.

In den Ergebnissen traten dann auch so manche Defizite im Umgang mit der Wikipedia und seiner Gemeinschaft zu Tage. Zum einen betraf dies die Einbindung von anderen Medien (Bilder, Videos, …). Angesichts der text-dominierten Wissensgesellschaft war dies zu erwarten. Die mangelnde Repräsentanz von Videos ist in der Wikipedia seit langem bekannt. Betreffs der Gemeinschaft der Wikipedianer (einschließlich ihrer Bots) sorgten die Schutzvorrichtungen vor Vandalismus für die meisten Irritationen unter den Teilnehmern. So warteten neue Artikel wochenlang auf eine Markierung durch einen Admin. Auch die Vertrauens-Mechanismen, etwa bei der Verschiebung von Artikel durch neue Benutzer, behinderte die Arbeit. Fast Gänzlich ungenutzt blieben die Diskussionsseiten – leider in einem Falls auch dann, als eine halber Beitrag von einem anderen Wikipedianer gelöscht wurde. Als betreuender Dozent habe ich mich in solchen Fällen weitestgehend zurückgehalten, um keine Verzerrungen gegenüber den realen Konflikten und Problemen zu bewirken. Einzig ein Nagtivfeedback im Sinner der wikipedianischen Diskussionskultur hinterließ ich auf den Diskussionsseiten. Lob und Wertschätzung floßen auf anderen Kanälen.

Die von der Wikipedia empfohlene Vorgehensweise konnte ich nur bedingt anwenden:

  1. Am­bas­sa­dor Training => die Trainings konnten nicht leider nicht als virtuelle Lerhveranstaltungen angeboten werden
  2. Pla­nung (Am­bas­sa­dor + Dozent) => war aus zeitgründen unmöglich
  3. Ein­füh­rung in der Lehr­ver­an­stal­tung (Ge­brauch der Wi­ki­pe­dia / best practice) => 15 min + Selbststudium
  4. Ana­lyse exis­tie­ren­der Wikipedia-Artikel zur Iden­ti­fi­ka­tion feh­len­der oder un­voll­stän­di­ger Informationen => Mitteilung per E-Mail
  5. Re­se­arch: Literaturrecherche => eigenständig
  6. Schrei­ben: ein­zeln oder als Gruppe meh­re­rer Studierender => binnen eines Monats
  7. Eva­lua­tion: ver­fas­sen eine re­flek­ti­ven Ar­ti­kel buw. ei­ner Prä­sen­ta­tion über den Ent­ste­hungs­pro­zes­ses des Wikipedia-Artikels in der Lehrveranstaltung. => in der Blockveranstaltung war dies im Nachhinein nicht möglich

Als Fazit kann ich festhalten, dass sich die Erprobung der Wikipedia Academy auch in Eigenregie lohnt. Der Gewinn an Erfahrungen mit der Wikipedia dürfte auf beiden Seiten nicht unerheblich gewesen sein. Meine Hoffnung besteht nun darin, dass die Teilnehmer, aber auch einige Kollegen dieses Lehrszenario in ihrer eigenen Lehre anwenden und somit einen kleinen Beitrag für die Wissensallmende leisten, anstatt wie bisher Seminararbeiten für den Papierkorb oder das persönliche Datenarchive schreiben zu lassen. In Hinblick auf die erzielte Qualität besteht sicher noch keine Vergleichbarkeit mit wissenschaftlichen Enzyklopädien. Doch immerhin eröffnen die in diesem Seminar bearbeiteten Artikel die Chance künftigen noch weiter verbessert zu werden.