Neue Fotos vom KZ-Außenlager Görlitz und einigen Überlebenden

Auf einen älteren Beitrag hier im Blog erreichte mich im Juni 2017 ein Kommentar und vor wenigen Tagen dann ein Anruf von einem Nachfahren eines Überlebenden des KZ-Außenlagers Görlitz. Von persönlichen Andenken, die über die Zeit in den KZs hinweg gerettet wurden, und von Fotos, die nach der Befreiung entstanden sind, war die Rede. Heute nun erreicht mich ein dicker Brief mit Leihgaben von Bilder, Schreiben und beeindruckenden Erinnerungsstücken.

Die Herkunft einiger Bilder bzw. der Ort der Aufnahme muss in einigen Fällen noch ermittelt werden. Zwei Bilder wurden im KZ Dachau aufgenommen (siehe [1]). Die Namen der abgebildeten Personen bzw. Überlebenden ist teilweise auch nicht bekannt.

Ich bin sehr dankbar für diese außergewöhnliche Leihgabe.

Einweihung der Denkmalanlage “Stelen der Erinnerung” auf dem Jüdischen Friedhof zu Görlitz

Vor fünf Jahren hatte ich die fehlenden Namenszeichen auf dem Görlitzer Jüdischen Friedhofs hier angemahnt und damit einen Stein ins Rollen gebracht. Die Friedhofsverwaltung der Stadt Görlitz, insbesondere Frau E. Mühle, hatte sich der Sache angenommen und viele Unterstützer für die Schaffung einer würdigen Denkmalanlage gewonnen und mit viel Einsatz die Schaffung eines neuen Denkmals koordiniert.
Am 1. September 2015 um 16:00 wird dieses Denkmal auf dem Jüdischen Friedhof eingeweiht. Grußworte und Ansprachen von Stanislaw Tillich, Dr. Nora Goldenbogen von der Jüdischen Gemeinde Sachsen, OB Siegfried Deinege und dem Überlebenden Monik Mlynarski geben der Einweihungsfeier einen würdigen Rahmen. Ich persönlich freue mich auf dieses Ereignis.

Auf ein Wort zur Namensgebung:
Stele bedeute so viel wie Grabstein, was angesichts der auf dem Jüdischen Friedhof noch bestehenden MassenSammelgräber der KZ-Gefangenen eine treffende Bezeichnung ist. “Stelen der Erinnerung” gibt es u.a. in Offenbach/Main (Synagoge), Beelen (Friedhof) und Geltow (gefallene Bundeswehrsoldaten).

Beitrag im Sammelband »Die Juden von Görlitz« erschienen

In dem vom Markus Bauer und Siegfried Hoche herausgegebenen Sammelband »Die Juden von Görlitz. Beiträge zur jüdischen Geschichte der Stadt Görlitz.« ist auch eine kurzer Beitrag von mir enthalten. Er trägt den Titel »Das KZ-Außenlager Görlitz« und stellt eine Zusammenfassung der noch nicht erschienenen dritten Auflage des fast gleichnamigen Buches dar. Die übrigen Beiträge sind wahrscheinlich noch weitaus lesenswerter und keinesfalls ein Exzerpt bestehender Schriften. Die Lektüre lohnt nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Bezüge zu den aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen über die einstigen und gegenwärtigen Ausdrucksformen jüdischen Lebens in Görlitz.

Am Montag, dem 22. September 2014, 16:00 wird das Buch in der Synagoge zu Görlitz offiziell vorgestellt.

 

Das Buchcover des Sammelbands »Die Juden von Görlitz«, herausgegeben von M. Bauer & S. Hoche, erschienen im Verlag Gunter Oettel, Görlitz 2014.

Die Jüdische Kultusgemeinde zu Görlitz 1946

Es ist noch gar nicht so lange her, da entbrannt in Görlitz eine Streit über die erneute Nutzung der Synagoge als Gotteshaus. Eine Gruppe von Görlitzern wollte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Überwindung zweier Diktaturen wieder eine Jüdische Gemeinde Gründen. Damals glaubte man, dass sich nach 1945 nie wieder eine Gemeinde in der Stadt gebildet hatte. Diese Ansicht kann ich nun anhand von Archivmaterialen des International Tracing Service in Bad Arolsen widerlegen.

Meine Recherchen im Dezember 2013 brachten drei Listen [4] zutage, auf denen 22 Name von Mitgliedern der „Judischen Kultusgemeine Görlitz“ verzeichnet sind. Die Liste umfasst 15 Männer und sieben Frauen im Alter von 22 bis 86 Jahren. Fünf von ihnen sind gebürtige Görlitzer, die größte Gruppe (8) stammt jedoch aus Breslau. In einer der Listen ist explizit angegeben, dass 16 Personen Überlebende von Konzentrationslagern („K.Z.“) sind. Mindestens vier von ihnen waren im KZ-Außenlager Görlitz (Moses Mandelbaum, Paul Levy, Leo(n) Hecht, Janusch Oborowitz). Drei Personen, darunter die zwei Görlitzer Jakob Abramowitz und Anneliese Getzel sind als „Sternträger“ bezeichnet. Anneliese Getzels Mann Heinrich wäre der vierte Sternträger gewesen, wenn er nicht „auf dem Weg zur Heimat“ verstörben wäre. Drei weitere Personen werden als „Sonstige“ klassifiziert.

Copy of Doc. No. 78785299#1 (3.1.1.3/0001-0197/0077/0065) in conformity with the ITS Archives, 16.12.2013, Archivnummer: 5013

Die Wohnadressen der Gemeindemitglieder

Interessant sind auch die Adressangaben, die alle im Westteil der Stadt zu verorten sind. Die Breitscheidstraße und die Schulstraße konnte ich bisweilen noch nicht in Görlitz ausfindig machen. Es könnte sein, dass diese mit Löbau und Zittau in Zusammenhang stehen und die betreffenden Personen nach Görlitz reisten.

Bereits bekannte Gemeindemitglieder

Janush Oborowitz war ein ehemaliger Häftling des KZ-Außenler Görlitz. Er lebte mindestens bis 1948 in Görlitz, da er im gleichen Jahr als Zeuge im Prozess gegen den Görlitzer Oberbürgermeister Meinshausen und NSDAP-Kreisleiter Malitz aussagte.

Dieses Foto zeigt vermutlich Janusch Oborowitz auf der Zeugenbank im Malitz-Meinshausen-Prozess in der Görlitzer Stadthalle

Anneliese Getzel war laut Kabus [1] mit dem jüdischen Notar Heinrich Getzel verheiratet. Beide lebten angeblich bis 1944 gemeinsam in Göritz. Nach dem sie 1944 von der Gestapo aus ihrer Wohnung verwiesen wurden, kamen sie beim Rechtsanawalt und Notar Dr. Walter Schade unter. Schade vertrat nach Getzels Berufsverbot Görlitzer Juden in Rechtsangelegenheiten und wurde deshalb von den Nazis als »Judenanwalt« bezeichnet. Er half auch anderen Görlitzer Juden und müsste vielleicht auch als einer der „Gerechten unter den Völkern“ geehrt werden.

Hans Hiller War laut Roland Otto im Ghetto Tormersdorf, 15 km nördlich von Görlitz zur Zwangsarbeit verpflichtet worden [3].

Jakob Abramowitz führte laut dem Görlitz Adressbuch von 1912/13 ein Herren- und Knaben-Garderoben-Geschäft am Obermarkt 18. Im Jahre 1946 war er 86 Jahre alt und das älteste Mitglied der Gemeinde.

Ida Biederstädt wohnte einst auf der Bautznerstr. 1 . Ihre Familie war mindestens seit 1913 in Görlitz ansässig.

Offene Fragen

  • Haben sich die 1946 in Görlitz lebenden Juden wirklich als eine Gemeinde angesehen und gemeinsam ihren Glauben gelebt?
  • Haben die Gemeindemitglieder die Synagoge nutzen können?
  • Wie lange verblieben die zugezogenen Juden in Görlitz? Kann man im Einwohnermeldeamt weitere Informationen über sie in Erfahrung bringen?
  • Wo finden sich weitere Informationen über Dr. Walter Schade und die Getzels?

Literatur

[1] Ronny Kabus (2011): “… weine ich täglich um meinen Vater”: In der Gewalt Stalins und der SED. Books on Demand.

[2] Judenarbeitslager Tormersdorf

[3] Roland Otto: „Die Verfolgung der Juden in Görlitz unter der faschistischen Diktatur 1933–1945“. Stadtverwaltung Görlitz (Hrsg.). Görlitz 1990.

[4] Originalquellen der drei Listen der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Görlitz (1946) sowie ein Verzeichnis der extrahierten Personen. ITS Bad Arolsen.

2. Auflage: Die KZ-Außenlager Görlitz und Rennersdorf

Heute vor 67 Jahren wurde das KZ-Außenlager Görlitz durch Soldaten der Roten Armee befreit. Anläßlich dieses Jahrestages möchte ich die zweite, überarbeitete Auflage meines Buches “Die KZ-Außenlager Görlitz und Rennersdorf” an dieser Stelle veröffentlichen.


Offiziere und Soldaten der Roten Armee, kurz nach der Befreiung des Lagers.

Anliegen des Buches ist es, die Gräuel des NS-Terrors jenseits von Buchwald und Auschwitz anhand der Erscheinung der KZ-Außenlager Görlitz und Rennersdorf exemplarisch zu vergegenwärtigen. Wer etwas über den Holocaust erfahren will, braucht nicht unbedingt in eine der bekannten KZ-Gedenkstätten fahren, wenn sich dutzende stille und unscheinbare Erinnerungs- und Gedenkorte in unmittelbarer Nachbarschaft befinden. Die in diesem Werk dokumentierten Geschehnisse leisten einen Beitrag für eine regionale und öffentliche Auseinandersetzung mit den zurückliegenden Diktaturen im Sinne einer zeitgemäßen Erinnerungsarbeit. Nicht zuletzt, um fremdenfeindlichen Tendenzen in der Oberlausitz entgegenzuwirken und den europäischen Dialog zu fördern.

DOWNLOAD (133 MB)

Für die Herausgabe einer zweiten Auflage habe ich zwei Gründe. Erstens waren die 500 Exemplare der ersten Auflage im Neisse Verlag innerhalb von neun Monaten beim Verlag vergriffen und zweitens erlangte ich durch Leserbriefe, Rezensionen und nicht zuletzt durch die Auszeichnung mit dem Sächsischen Landespreis für Heimatforschung (Jugendpreis) vielfache Hinweise, das bestehende Werke zu verbessern und gewisse Abschnitte zu vertiefen.
Um die Verfügbarkeit künftig länger aufrecht zu erhalten, habe ich mich bewusst für eine digitale Publikation unter der freien Lizenz von Creative Commons entschieden. Neue Erkenntnisse sollen somit schneller zum Leser gelangen

Eine Übersicht über die Änderungen dieser Version sind im changelog verzeichnet.

Neue Fotos von der Befreiung des Freiung des KZ-Außenlager Görlitz aufgetaucht

Dr. Jan Kinrus hinterließ der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem fünf Fotos, die er am Tag nach der Befreiung des KZ-Außenlager Görlitz gemacht hat. Auf den Bildern ist er zusammen mit Soldaten und Offizieren der Roten Armee, aber auch mit anderen Ärzten und ungarischen Jüdinen zu sehen.

Hier ein erstes Bild:

Wahrscheinlich liegen die Bilder schon seit einem guten Jahrzehnt in den Archiven von Yad Vashem. Meine Anfragen aus dem Jahre 2005 ergaben jedoch keine Hinweise auf die Existenz solcher Dokumente. Angesichts der Menge an Anfragen aus aller Welt ist es auch nicht verwunderlich, oberflächliche Rechercheergebnisse mitgeteilt zu bekommen. Die vorhandene Software im Archiv (Sapir), so musste ich feststellen, macht es den Nutzer und Angestellten auch nicht gerade leicht.
Um so erfreulicher ist die Nachricht, die Fotobibliothek nun im Internet durchsuchen zu können. Ein interessantes Detail bei der Suche ist die Limitierung der Treffer mit hinterlegtem Bild. Es bedarf sehr variantenreicher Suchbegriffe, um auch alle vorhandenen Bilder auf der Webseite (= Google Search) zu finden (z.B. “Goerlitz”, “Görlitz”, “Kinrus”, “Dr. Kinrus”, “Kinrus Red”). Sapir ist in dieser Hinsicht besser.
Der Fotos wegen hätte ich also nicht nach Jerusalem kommen brauchen. Wohlgemerkt gibt es noch 131 andere Dokumente, vor allem Testimonies, im Bestand.