Festschrift zum 20-Jährigen Bestehen des IHI Zittau erschienen

Unter dem Titel »Werkstatt europäischen Denkens – 20 Jahre Internationales Hochschulinstitut Zittau« haben wir dieser Tage einen Sammelband mit 22 Beiträgen von Zittauer Doktoranden bei TUDpress und Qucosa herausgebracht. Kern dieser Festschrift sind die beiden Beiträge der Professoren Albert Löhr und Thorsten Claus, die über die Entwicklung des IHI Zittau sowie das dort etablierte kooperative Promotionsmodell berichten. Ergänzt werden die Ausführungen durch die Chronik der einstigen unabhängigen universitären Einrichtung, die heute eine Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität Dresden ist.

Der gesamte Band steht unter Creative Commons Lizenz (cc by) und ist über die Open Access Plattform Qucosa (hoffentlich) auch längerfristig verfügbar: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-152171

Buchcover »Werkstatt europäischen Denkens - 20 Jahre Internationales Hochschulinstitut Zittau«

Terezin 2014 – reviewed

Since a few days we are back home from the conference Films from Ghettos and Camps: Propaganda – Clandestine Messages – Historical Source that was held at the Terezin Memorial Estate in Czech Republic. Thanks to Natascha Drubek who organized the event we got the great opportunity to introduce our project “Thereseienstadt explained” to the international audience of historians, film scholars, and people from different archives. Last but not least we could met Karel Margry – the most proven expert of the film that we augmenting to a learning resource. For us it became clear that we will need some further financial support in order to assess the content quality of our productions as well as to translate the content for a broad audience. Therefore “Theresienstadt explained” will be resided as a regular research project at the International Institute in Zittau of Dresden University of Technology.

The hand-out that we gave out at the conference.

Meine Empfehlungen zum Neißefilmfest: Open Access, Liga Terezin, Sieniawka

Zum 11. mal und wieder kaum zu übertreffen: das räumlich verteilte und raumumspannende Filmfest im Dreiländereck Polen, Tschechien, Deutschland. Ja, DAS Neissefilmfest. Es lohnt im Programm zu stöbern. Ich möchte einige Filme empfehlen, wenngleich ich nicht immer die Gelegenheit haben werde, sie zu sehen:

Vidkryty Dostup / Open Access
Die politische und gesellschaftliche Etablierung von Open Access schreiten hierzulande mit großen Schritten voran. Wie es in einem nicht-so-westlichen Land darum bestellt ist, verspricht dieser Film zu erzählen. Da es um die Ukraine geht, dürfte die anschließende Diskussion Oleksandra Bienert und Andreas Schönfelder in mehrfacher Hinsicht interessant werden.
UA 2013 | 98 min | BR | OF + eUT + dtÜ
Siehe auch NGO Centre UA
09.05. 20.00 h KUNSTBAUERKINO 2, GROHEDO

Im Jahr 2011 wurde das Gesetz des Zugangs zu öffentlichen Informationen in der Ukraine verabschiedet. Zu einem Zeitpunkt, wo die demokratischen Rechte ignoriert wurden und die Korruption wucherte, beschlossen fünf Filmemacher, das System herauszufordern. Der Mangel an Transparenz und Verantwortung durch die Anführer des Landes und deren Gleichgültigkeit und Ignoranz – das ist, was die Dokumentationen bezeugen. Die Protagonisten leben in verschiedenen Teilen der Ukraine. Was sie verbindet aber ist der Wunsch, den Zugang zu freien Informationen zu schaffen. Diese Anthologie beinhaltet: “Mezhyhirya”, “Afghanischer Kriegsveteran”, “Schule”, “Haus der Chimären”, “In Bedrängnis”.

 

Liga Terezin
Angesichts des diesjährigen Schwerpunkt auf dem jüdischen Leben in Ost(und Mittel?)europa erwarte ich mir von diesem Film nicht nur Erkenntnisse für meine Arbeit am interaktiven Film(projekt) „Theresienstadt explained“. Liga Terezin erzählt eine unglaubliche Geschichte vom Fußball im KZ Theresienstadt wohl auch vom Versuch zu einem Alltag zu finden.

IL 2012 | 52 min
10.05. 11.00 h KUNSTBAUERKINO 2, Großhennersdorf

Von 1942 bis 1944 trugen jüdische Häftlinge unzählige Fußballspiele auf improvisierten Spielfeldern in unmittelbarer Nähe ihrer Baracken im Ghetto Theresienstadt aus. Es war der Versuch, sich der traurigen Realität ihrer aufgezwungenen Notlage entgegen zu stemmen. Die Nazis machten davon Filmaufnahmen, um sie für Propagandazwecke zu nutzen. Ausgehend von diesen Aufnahmen spannt der Film einen Bogen zu aktuellen antisemitischen Tendenzen in holländischen Stadien.

Sieniawka
D/PL 2013, 126 min., DCP OF dt UT
08.05. 15.00 h KRONENKINO, ZITTAU
In der Umgebung von Zittau kann ich mir kaum einen misteriöseren Ort vorstellen, als den ehemaligen Kasernenkomplex in Sieniawka (ehm. Kleinschönau). Das Anwesen ist vielen noch als Sitz des Kraftverkehrs und Tankstelle bekannt.. Manche wissen um die Geschichte als Produktionsort der ersten Düsentriebwerke durch die Firma Junkers im Jahre 1945. Nur wenige sind dagegen mit der düsteren Vergangenheit als Entbindungsheim von Groß-Rosener KZ-Häftlingen, dem Wirken von Dr. Mengele und andern SS-Größen sowie der Nutzung als Lager des sowjetischen NKWD vertraut. Einige Enthusiasten vermuten in den unterirdischen Produktionsstätten Nazischätze, wie das Bernsteinzimmer. In diesem Film geht es jedoch um die heute dort zu findende Psychatrie.

Ein Tagebau, ein herumstreunender Kosmonaut. Eine Betreuungsanstalt für psychisch Normabweichende. Erst Essensausgabe im Speisesaal, dann Zigarettenausgabe im Raucherzimmer. Lufttennis im Garten und ein altes Kino aus Vorkriegszeiten.
Ein aus der Zeit gefallener Ort namens Sieniawka, bekannt für seinen Grenzübergang und für eine lokale Psychiatrie an der polnisch-deutschen Grenze bildet das schwerelose Zentrum dieses kinematografischen Bildermonoliths. Eine experimentelle Mischung aus Science-Fiction und Dokudrama. Sieniawka, 5 Minuten Fußweg von Zittau entfernt – Leben auf einem fremden Stern.

Darüber hinaus:
Rublak. Die Legende vom vermessenen Land (08.05. 20.00 h KULTURFABRIK, MITTELHERWIGSDORF)
One Fine Line (09.05. 17.30 h KUNSTBAUERKINO 1, GROHEDO)

Crowdfunding in der Wissenschaft: The Good, the Bad and the Ugly

Als ich vor einem Monat gefragt wurde über meine Erfahrungen im Crowdfunding für ein Forschungsprojekt in einer der E-Science Saxony Lectures zu berichten, habe ich diesen Blogpost bis heute zurückgehalten. Ich wollte nichts vorweg nehmen. Im folgenden schreibe ich nun meine Erfahrungen nieder, die trotz erfolgreicher Finanzierung des Projekts Theresienstadt explained recht kritisch ausfallen. Mir ging es dabei auch um einen Vergleich zur konventionellen Finanzierung von Forschungsprojekten durch sogenannte Drittmittel.  Als Fazit halte ich fest:

  • Der Aufwand ist immens hoch,
  • Als Forscher unterliegt man einer ökonomischen Verselbstständigung.
  • Der frühzeitige Dialog mit Nutznießern des Forschungsvorhaben beeinflusst das Ergebnis positiv.

The Good

#1: Das Gute zeigt sich in den zwei Seiten der Medaille des Crowdfundings: einerseits kann man damit Vorhaben finanzieren und andererseits selbige auch bekannt machen. Während meiner Kampagne habe ich über 160 E-Mails versendet, dutzende Leute via twitter und einige blog posts geschrieben angeschrieben. Somit bin ich frühzeitig mit der Zielgruppe in Kontakt getreten, die von unseren Ergebnissen einmal profitieren sollen.

#2: Ohne die Kampagne wäre ich vielleicht nicht so früh und offensiv an die Öffentlichkeit gegangen. Üblicher Weise wartet man, bis die finalen Ergebnisse vorliegen und mehrere Prüfungen durchlaufen haben. Damit haben wir uns einerseits versucht, dass unsere Projektziel und der Weg der Umsetzung auf Zustimmung stoßen. Andererseits konnten wir dadurch auch die Prinzipien eines Partizipativen Designs anwenden, in dem Anwender unsere Produktentwicklung begleiten und uns helfen iterativ zu überarbeiten.

#3: Terezin explained brachte mir einige wichtige Kontakte für Vorträge und Vorstellungen der Projektergebnisse. Aber auch weitere Quellen für die Projektumsetzung erreichten mich über diese Kanäle und durch die Recherche nach potenziellen Unterstützern.

#4: Positiv sind die vielen wertvollen Hinweise der startnext-crew hervorzuheben. Die haben sich genau angeguckt, was ich da zu erst in englisch und dann auf deutsch geschrieben habe. Dabei lernte ich den konstruierten, aber steuerrechtlich wichtigen Unterschied zwischen Spende und Unterstützung kennen.

#5: Sehr entgegenkommend ist die relative Freizügigkeit in der Verwendung der Mittel im Sinne des Projektziels. Das Budget ist weder einzelnen Posten zugeordnet, noch werden die Ausgaben durch einzuholende Angebote bürokratisch erschwert. In unserem Fall bedeutet dies zum Beispiel, dass wir uns Gutachten von Experten bestellen können oder vielleicht noch einen Designer beauftragen.

The Bad

Die erste Enttäuschung hat nichts mit startnext zu tun. Ich wollte die Kampagne eigentlich bei kickstarter initiieren, um die großen Jüdischen Gemeinden in den USA besser erreichen zu können. kickstarter ist jedoch auf Personen mit Wohnsitz in den USA beschränkt, die zudem neben einem Bankkonto auch eine Kreditkarte dort vorweisen müssen. Diese Barriere konnten meine besten Kontakte in die Staaten nicht aushebeln. Die deutsche Alternative zu kickstarter war aus lokalpatriotischer Sicht keine Schlechte: das Unternehmen startnext ist in Dresden registriert. Wer jedoch denkt bei startnext schnell zum Zuge zu kommen, sollte besser eine Webseite aufsetzen und mit einem PayPal-Spendenaufruf verbinden.

#1: Der Prozess von der Anmeldung über die Startphase bis zu den ersten Unterstützungen kostete mich über einen Monat Zeit und Nerven. Zeit beanspruchte weniger die Beschreibung des Vorhabens (2h) und die Produktion zweier Videos (2h + 3h), sondern die vielleicht typisch deutsche Internetbürokratie in einem System aus von einander abhängigen Genehmigungen und Statuswechseln. Der Name ist Programm und sollte rekursiv als [you could] start [ if you fulfil our] next [requirement] verstanden werden.

#2: Neuland war für mich das Pitch-Video, in dem man sich mit seiner Idee persönlich den möglichen Unterstützern vorstellt. Obwohl ich bereits zwei mal solche Videos (1, 2) produziert hatte, war ich mit dem Ergebnis nicht sonderlich zufrieden. Ein gutes Pitch-Video in einer vertretbaren Zeit zu produzieren ist durchaus eine Herausforderung. Die Kompetenz, die eigene Forschung in Form eines Videos darzustellen ist zwar seit einigen Jahren auf Tagungen im Bereich Human Computer Interaction gefragt, doch darüber hinaus kaum verbreitet. Wer kann mir einen Kurs „How to produce a scientific Pitch-Video“ empfehlen?

#3: Als jemand, der es gewohnt ist keine Bedienungsanleitungen zu lesen überraschte mich die erzwungene Startphase, in der man unter den registrierten Nutzern (= Projektinitiatoren) eine bestimmte Anzahl relativ zum benötigten Geldbetrag einholen musst. 25 Fans sollte ich finden. Nach einer Zeit stellte ich fest, dass das Prinzip Geben und Nehmen greift und man einfach nur ein paar andere Projekte gutheißen muss, um Fans zu sammeln. Das hätte man sich auch sparen können. Oder besteht da ein Nebenziel von startnext darin, Außenstehende zur Registrierung zu bewegen?

#4: Aufwand und Nutzen standen in meinem Fall in keinem guten Verhältnis. In Anbetracht von gut 60 Arbeitsstunden in einem Zeitraum von 75 Tagen, müsste der Förderbetrag eigentlich höher angesetzt werden. Abgesehen von der Entwicklung des Konzepts inklusive Videos, schlägt vor allem der Aufwand für die Kommunikation (Recherche von Multiplikatoren, Mailverkehr) und die Beobachtung der Finanzierungsphase zu Buche. Auch die Abschlussphase, in der man die Unterstützer über den Stand des Projekts informieren und schlussendlich mit Dankeschöns beliefert, kostet noch einmal extra Zeit. Um festzustellen, welcher Aufwand gerechtfertigt ist, müsste man die Aufwendung für das Crowdfunding in der Forschung mit dem vollständigen Zyklus eines Drittmittelprojekts vergleichen.

The Ugly

#1: Angesichts der zeitgemäßen Skepsis gegenüber der Bankenbranche wurde ich bei startnext mit einer (mir) unbekannten Bank namens Fidor konfrontiert. Wer sein Projekt finanziert bekommen will, kommt um Fidor nicht herum. Leider bietet startnext keine Alternativen bzw. stellen die bekannten Banken keine Alternative zu Fidor dar, um das Geld der Unterstützer bis zum Zustandekommen der Finanzierung treuhänderisch zu verwalten.

Persönlich störte mich dabei das etwas unglücklich verzahnte Procedere bei der Anmeldung dieses Kontos und der Erfüllung der Anforderungen für den Wechsel in die Startphase bei startnext. Das Online-Ident-Verfahrung zur Verifikation meiner Identität zog sich allein über zwei Wochen. Grund waren unpräzise Angaben, welche Unterlagen für das Verfahren benötigt werden sowie bankbürokratische Wartezeiten von drei Tagen je Revisionszyklus.

#2: Wer schon ein paar Jahr im Drittmittelgeschäft tätig ist und vielleicht schon mehr als ein Dutzend Arbeits- bzw. Verlängerungsverträge unterzeichnen musste, dem dürften die Parallelen zu einer selbstständigen oder freiberuflichen Arbeit bekannt sein: Man bewirbt sich um Ausschreibungen, stellt Finanzpläne auf, präsentiert sich auf Messen, beschäftigt Subunternehmer, kooperiert mit unterschiedlichen Organisationen, bearbeitet mehrere Aufträge gleichzeitig und beschäftigt sich mit der Außenwirkung in Gestalt von Webseiten, Flyern und Publikationen. Der Unterschied zwischen Wissenschaft und Unternehmertum schwindet beim Crowdfunding noch weiter. Dies betrifft die persönliche Haftung und die korrekte Versteuerung.

Bei erfolgreicher Finanzierung geht man ein persönliches geschäftliches Verhältnis mit den Unterstützern ein. Wer also aufgrund von Krankheit, Misserfolg, Fehlplanung o.ä. nicht liefern kann, muss unter Umständen das gesamte Geld zurückzahlen. Solch einen Fall ist angeblich noch nicht vorgekommen, doch theoretisch muss man sich dieses Risikos bewusst sein.

Die zweite Klippe heißt Finanzamt. Für die Verwendung der Unterstützungen kann das Finanzamt eine Gewinn- und Verlustrechnung fordern. Die Gewinne sind für Privatpersonen, Einzelunternehmer und Unternehmer in Personengesellschaften (GbR) einkommenssteuerpflichtig. Gewinne sollte man daher tunlichst vermeiden. Das Crowdfunding-Budget ist zudem umsatzsteuerpflichtig, sofern man mit all seinen Umsätzen über 17.500 Euro hinaus kommt. Speziell muss man auch bei den Dankeschöns aufpassen und z.B. für eine Unterstützung von 300 Euro mehr als ein Grußwort oder eine Postkarte liefern. Steht einer Unterstützungen keine geldwerte Leistung gegenüber, ist das als eine steuerpflichtige Schenkung zu betrachten. Nicht umsonst empfiehlt startnext einen Steuerberater heranzuziehen.

 

Tag-Nacht-Zeit: Wenn die Uhr nach der Sonne tickt

Dieser Tage freut man sich, dass die Tage zunehmend wieder länger werden. Man erlebt kurze Tage, die nur für wenige Stunden mit Sonnenlicht erfüllt sind und gut doppelt so lange Nächte. Dabei entfernt sich die aufgrund der Beleuchtungszeit wahrgenommene natürliche Zeit von der tatsächlichen, d.h. physikalischen Zeit. Dieser Effekt ist jeweils an den Sonnenwenden am deutlichsten und zur Tag-Nacht-Gleiche nicht mehr zu spüren.

Die Idee der Tag-Nacht-Zeit (TNZ)

Würde man jedoch annehmen, dass ein Tag laut Uhrzeit genau so lange dauert wie ein Nacht, ergibt sich eine Uhr die um die Wintersonnenwende tagsüber langsamer und nachts schneller läuft. Zur Sommensonnenwende verhält sich die Uhr genau andersherum: Nachts läuft die Uhr schneller als tagsüber.

Im Winter würde sich damit die (reale, physikalische) Arbeitszeit verkürzen und im Sommer verlängern. Während man an den hellen Tagen im Sommer weniger Zeit zum Ruhen bekäme, hätte man im Winter um so mehr.  Über das Jahr hinweg wäre die Bilanz gegenüber einer konstanten physikalischen Zeitmessung ausgeglichen.

Die resultierende Varianz in der Dauer einer Sekunde ist akzeptierbar, bedenkt man die subjektive Wahrnehmung der Zeit ohne den Abgleich mit einen Zeitmesser (Uhr).

Wie berechnet man die Tag-Nacht-Zeit?

Eine Uhr dieser Art funktioniert folgender Maßen:

  1. Ermittlung der Sonnenauf- und untergangszeiten
  2. Tags multipliziert man die Sekunden seit Sonnenaufgang mit dem Verhältnis aus 12 Stunden und der tatsächlichen Dauer des Tages, und addiert es zur Sonnenaufgangszeit.
  3. Abends, d.h. nach Sonnenuntergang, multipliziert man die Sekunden seit Sonnenuntergang mit dem Verhältnis aus 12 Stunden und der tatsächuchen Dauer der Nacht (24h – Tagdauer) und addiert sie zur Sonnenuntergangszeit.
  4. Morgens, d.h. vor Sonnenaufgang, multipliziert man die Sekunden seit Mitternacht mit dem Verhältnis aus 12 Stunden und der tatsächuchen Dauer der Nacht (24h – Tagdauer).

Die obige Formel weist noch einige Ungenauigkeiten, aufgrund der konstanten Faktoren auf. Um an den Übergängen von Tag- und Nachtzeit keine Brüche oder Überschneidungen zu erhalten, kann man statt der konstanten Faktoren auf ein Polynom zurückgreifen, dessen Nullpunkte den Sonnenauf- und Untergangszeiten entsprechen.

Diskussion

Weichen die persönlichen Schlafgewohnheiten von den gesellschaftlich, z.B. durch festgelegte Arbeitszeiten, vorgegebenen Tagesrhythmus zu stark ab, kommt es zu einem sozialen Jetleg. Jemand, der von sich aus dazu neigt sehr spät ins Bett zu gehen und demzufolge morgens länger schlafen würden, fehlt es u.U. an Schlaf, wenn er sehr früh zur Arbeit gehen muss. Im Hinblick auf den individuellen Biorhythmus des Menschen und die damit zusammenhängende Gleichverteilung der Schlafmitte (Mitte zwischen der Einschlaf- und Aufwachzeit) bringt die TNZ keinen Vorteil, um den sozialen Jetleg auszugleichen. Das Problem des sozialen Jetleg kann also nicht durch eine bestimmte Zeitrechnung, sondern lediglich durch gesellschaftliche Änderung (z.B. flexible Arbeitszeiten) gelöst werden.

Der Vorteil der TNZ besteht einzig darin, dass man an langen Tag aktiver ist als an kurzen Tagen und somit seine Hauptaktivität um die Sommersonnenwende konzentriert, während man im Winter vermehrt in den Winterruhemodus findet. Im Kirchenjahr ist dies zumindest in der Adventszeit auch so vorgesehen.

In wie weit die Idee einer TNZ praktisch umsetzbar ist, bedarf eines Selbstversuchs. Eine App könnte einem Helfen die TNZ nicht aus den Augen zu verlieren. Unabhängig von einem Selbstversuch sind sind Synchronisationsprobleme mit der sozialen Umwelt vorprogrammiert. Dennoch ist die TNZ ein interessantes Gedankenexperiment für eine dynamischere, vom Licht abhängige Tagesgestaltung.

 

Das Kind im Glashaus

Durch Joachim Scharloths Vortrag beim CCC Kongress bin ich auf ein Märchen von Heinrich Oswald (Struwelpeter) gestoßen, welches Jermy Bentham Vorstellung eines Panopticon ähnelt. »Das Kind im Glaushaus«, so der Titel des Märchens, beschreibt wie ein Glasermeister seine ungezogene Tochter in ein Glaushaus sperrt, damit sie sich nicht mehr gegen das Waschen sträubt. Im Glaushaus nehmen alle Passenten von ihrem Geschrei notitz, wenn sie sich jedoch brav verhält bemerkt sie keiner.
Erstaunlich ist, dass Oswalt dieses Märchen bereits 1877 publizierte und die Moral der Geschichte heute, insbesondere durch Überwachung im Internet, eine neue Bedeutung erlangt hat.