Mit dreizehn Passagieren ratterte der Dieselmoter durch die mit grünen Wassenpflanzen überwucherte Bucht hinaus zu den schwimmenden Insen der Uros. Dieser indigene (Quechua-)Stamm verdankt seine Eigenart auf den ersten Blick dem Totora Schilf, welches nicht nur zu deren Lebensraum, den schwimmenden Inseln, verflochten wird, sondern auch zum Bau von Booten und Hütten dient, sowie für Mensch und Tier als schmackhaft süße Nahrungsergänzung taugt. Ein vegetarische Eierlegendewollmilchsau also. Gegen einen Eintritt von drei Soles zeigten uns ein paar der Stammesangehörigen wie sie zu leben scheinen: Innerhalb der Inseln haben sie kleine Fischbecken und halten sich zudem Meerschweinchen (= essbar). Ganz nebenbei verkaufen sie hunderte Souveniers und Getränke, haben eine Pseudotelefonzelle, Vorhängeschlösser vor ihren Schilfhütten und ein Seeklo. Die Kinder müssen etwas von Fotomodellen gelernt haben; sie lassen sich für ein paar Soles ablichten und erscheinen weltweit in Hochglanz-Fotoalben. Wie Stars werden die Uros von einem Touristenschiff nach dem anderen bestaunt. Wer will, kann sich von zwei Frauen auf einem Kitschboot zur nächsten Insel rudern lassen. Verblüfft beobachten wir eine Demonstration der Inselbauweise. Mit Stricken verbundene Wurzelballen werden kreuzweise mit Schilf bedeckt und verflochten. Alles zusammen schwimmt und federt beim Laufen, als würde man auf einem Kissen gehen. Die Sonne brennt immer heißer.
Month: May 2007
Puno
Es war Freitag und mich erwartete das, was man Wochenende nennt und mir in den letzten Jahren abhanden gekommen ist. Ich wollte nach Puno an den Titikakasee fahren und die Schule hinter mir lassen. Claudia beschaffte mir spontan die Bustickets für die nächtliche Überfahrt. Geschlafen hatte ich kaum, doch bei der Ankunft am Hafen war alle Müdigkeit vom Morgengrauen verschleiert. Die Luft war sauber, der Himmel klar von Sternen übersät und allmälig begrüßten die Vögel die sich andeutenden Sonnenstrahlen am Horizont. Die ersten Käpitäne grochen aus ihren Booten und fragten zugleich, ob ich mit ihnen hinausfahren möchte, um einige der Inseln zu sehen. Das erste, von Sonne und Wind gegerbte Gesicht lächelte freundlich unter der bunten Bommelmütze hervor. Der Mann lud mich in seine warme Kajüte und erzählte mir, was mich auf den einzelnen Inseln erwarten würden. Mir war klar, dass es in ein paar Stunden ein riesen Ansturm auf die Boote geben würde und ich deshalb eine möglichst wenig frequentierte Insel für die Übernachtung finden musste. Ich handelte eine Tour zu den Inseln Ursos, Amantani und Taquile für schlappe 20 Soles (6 Euro) aus. Er wollte gegen halb neun starten, sobald sein Boot voll ist.Nach dem bezaubernden Sonnenaufgang wollte ich mir Puno ansehen und sprang deshalb auf eine der vorbeifahrenden Rikschas auf. Der arme Kerle hatte keine Schaltung am Rad und begann kurz vor dem Plaza de Armas an zu schieben, weshalb ich sogleich absprang und ihm einen Soles mehr gab. Freundlich zeigte er mir den gesuchten Geldautomaten. Unmittelbar davor hatte, in Pappe gehüllt, eine Mutter mit ihrem Kleinkind die kalte Nacht verbracht. Ein paar Meter weiter schlief ein Mann zwischen den Kirchenmauern. Ich fühlte mich unwohl und gänzlich asozial, als ich 300 Soles aus dem Automaten zog und ihnen vor lauter 50er-Scheinen nichts zu essen kaufen konnte (soviel können die meistens nicht wechseln). Auf dem Berg schallte ein Feuerwerk und unterbrach die offenbar freudige Musik einer Blaskapelle. Viele Leute tanzten zur Musik. Lange Zeit lief ich durch die eintönige Stadt, deren Häusern man nicht ansehen konnte, ob sie sich noch im Bau befinden oder bereits wieder verfallen. Zahlreiche Hunde schwänzelten durch die Straßen und machten ihre Pfützen ebenso, wie ihre scheinbaren Herren. Eine Reihe von Straßen verwandelte sich in einen zunehmens geschäftigen Markt. Souvenierfrei boten die Händler allerhand nützliches und essbares an. Werkzeuge, Rohre, Gummi, verschiedene Früchte und wunderbar duftende Blumen (Sonntag war ja Muttertag) an. Zwischendrin entstand eine Suppenküche, an der sich sogleich ein gutes Dutzend Leute zum Frühstück einfanden.Die Sonne stieg schnell hinauf und es wurde heiß. So langsam sollte mein Boot ablegen. Vom Geruch und Dreck der Stadt hatte ich soweit genug, dass ich mir Sonntags höchstens noch das Coca-Museum ansehen würde.
Cusco
Eine Beschreibung der Bilder folgt demnächst, wenn ich Gelegenheit habe, mir Cusco etwas genauer anzusehen.
Nueva casa
Vom ersten Moment an fühlte ich mich bei meiner Gastfamilie heimisch. Für die nächsten vier Wochen wird ihr kleines Reihenhaus samt Hund und Garten mein zu Hause sein. Vollpension im Hotel Mama2 mit eigenem Zimmer, Bergblick und Sprachtraining inklusive. Darüber hinaus hat mir Mama2 alias Isabel schon gezeigt, wie ich mich in die witzigen Minibusse zwängen kann, um in die Stadt zu fahren. Papa2 kenne ich nicht, denn der hat sich scheiden lassen. Dafür habe ich nun ein älteres Schwesterchen namens Claudia. Sie arbeitet in einer Reiseagentur und ist für mich also der perfekte Ansprechpartner, wenn ich mir was angucken möchte. Sie freut sich mit mir Englisch reden zu können und ist brennend daran interessiert, wie man Google überlistet, um ihre geplante Unternehmung auf Platz 1 der Cuscoer Reiseagenturen zu bringen. Ich denke, ich werd ihr ein paar Sachen programmieren und im Gegenzug eins zwei Ausflüge in der Umgebung für lau bekommen. Cusco ist überaus kommerziell in Sachen Tourismus. Es gibt keine Inkastätte, für die man nicht löhnen muss. Am schlimmsten verhält es sich mit dem Inka-Trail und Machu Pichu. Die Unesco reklementiert den Pfad zur Inkakultstette auf 500 gelichzeitige Wanderer, so dass die Verknappung (vielleicht auch zu gunsten der Natur) zu einem erheblichen Preisanstieg führte (500 $). Gleichzeitig besitzt ein schweizer Bahnunternehmen das Monopol auf die einzige Verkehrsanbindung (Eisenbahn) nach Machu Pichu. 100 km kosten schlappe 75 $ für Touristen, wobei Peruaner nicht in den Touristenwagen fahren dürfen und Ausländer nicht in den Wagen der Einheimsichen, deren Tickets nur ein Bruchteil kosten. Aber dazu spärter mehr.
Reise nach Cusco
Nach den rasanten Flügen wollte ich etwas langsamer reisen und buchte bereits von Deutschland aus eine Busreise von Lima nach Cusco. Leider verweigerte mir der Webserver des Busunternehmens CRUZ DEL SUR eine Bestätigungs-E-Mail samt Buchungsnummer, so dass ich letztere telefonisch in Lima erfragen musste. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man wie ich kein Spanisch spricht und geschlagene zehn Minuten damit verbringt, der Frau am anderen Ende der Leitung, die eigene E-Mail-Adresse zu buchstabieren. N like nothing, I like Ice, E like Elephant, L like Lima, S like South, underscore ähm.. bether: punto, S like South, yes again S, E like Elephant, yes one more Elephant, I like Ice, D like Door, E like Elephant, L like Lima, @ like an A with a circle around it (?? no comprende). Irgendwann half mir das Zimmermädel aus’m Hostel. Mir wurde entgültig klar, dass ich ohne Spaniskenntnisse in Lima verloren bin. Genug Motivation, um in Cusco Spanisch zu lernen. Mit französischem Brot und Käse plus Chillischoten bestückt ließ ich mich zum Busbahnhof fahren. Dort wimmelte es nur so von Sicherheitspersonal. Das Handgepäck wurde einer gründlichen Kontrolle unterzogen, ein jeder mit einem Metalldetektor untersucht und mehrfach per Video aufgezeichnet. Dieser Aufwandt wirkte auf mich eher beruhigend, denn im “Lonley Planet” wurde vor Übernachtfahrten gewarnt, da es schon mehrfach zu Überfällen an Straßensperren gekommen ist. Erst am Morgen erzählte mir ein Armene, wie er im Taxi von einer Meute Jugendlicher mit Schlagstöcken aufgehalten wurde, als er aus dem Jungel kam. Geld rettete ihn. Wie auch immer, CRUZ DEL SUR zählt, so versicherten mir Einheimische, zu den sichersten und kompfortabelsten Busunternehmen des Landes. In den Prospekten weist man stolz darauf hin, dass die Busse nicht nur doppelte Achsen haben, sondern auch über GPS und WLAN verfügen. OK, das mit dem WLAN war wohl gelogen – wäre aber interessant zu wissen, wie das funktionieren soll. Gegen sechs Uhr verschwand die Sonne und mit ihr das hektische Lima samt der Smogwolke und wir fuhren ‘gen Süden auf der berühmten Pan Americana bis nach Nascar. Nebenher liefen abwechselnd englischsprachige Filme mit spanischen Untertiteln und spanischsprachige Filme mit englichen Untertiteln. Diesmal jedoch nicht so kitschige Streifen, wie bei der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca. Die Verköstigung mit Fertigfutter erinnerte mich jedoch wieder an Avianca, abgesehen vom Mate de Coca (Tee aus dem Coca-Gehölz), der angesichts der Höhe durchaus angebracht war. Binnen 20 Stunden stiegen wir mindestens 3400 Meter auf. Die Luft wurde merklich dünner und bei einigen Touristen stellten sich Kopfschmerzen ein. Um so herrlicher wurde die Landschaft mit den teils schneebedeckten Bergen und den mühsam bewirtschafteten Feldern der Indios. Auf der Straße wanderten mehr Esel, kämpfende Mini-Kühe, kleine Schweinchen und witzig dreinschauende Lamaherden, als Fahrzeuge. Hin und wieder sah man die bunt gekleideten Indios, wie sie ihre Tiere hüteten oder mit dem Ochsen ihr Feld bestellten. Die Vegetation, so farbenfroh und befremdlich zugleich, schmiegte sich beharrlich an die steilen Berge. Ergreifenden Panoramen, deren Anblicke mich fast zu Tränen rührten. Schwerlich in Worte zu fassen. Ich hatte das Gefühl angekommen zu sein. Als mich in Cusco meine GastMama überaus freundlich empfing, bestätigte sich dieser Eindruck.
Die ersten Eindrücke von Lima
Es ist meine erste Reise, auf der mich der berüchtigte australische Backpacker-Guide “Lonley Planet” begleitet. Die europäischen Ausgaben dieser Serie habe ich stets wegen ihrer Oberflächlichkeit verabscheut. Zudem verstehe ich jetzt, warum all die Amerikaner und Australier, die ich in Polen und Rumänien traf, so viel Zeit im Hostel verbrachten, anstatt auf Tour zu gehen. Liest man sich die Absätze “Danger and Annoyances” durch, möchte man am liebsten wieder heim fahren. Entsprechend paranoid habe ich das eingezäumte Hostel verlassen, um mir beim nächst besten Geldautomaten ein paar Soles (1€ = 4,30 Soles) zu verschaffen. Meine Kleidung empfand ich nicht gerade angepasst, sondern eher auffällig im Vergleich zu den entweder verwaschenen oder dezent-geschäftlich gekleideten Einheimischen. In einem Monat werde ich mich bestimmt wie ein Kamelion durch die Straßen bewegen können. Doch jetzt brauchte ich erst einmal Kleingeld für’s Telefon, doch der Geldautomat spukt nur Papier aus, somit war ich gezwungen ein Lokal aufzusuchen. Ein Capuccino sollte es sein. Ich dachte es sei einfach: Uno Capuccino par favor, doch die Frau am Schalter stellte zu viele Fragen. Peinlicher weise verstand ich nicht mal die Frage nach meinem Namen. Ganz lässig schnappte ich mir zum Capuccino eine Tageszeitung und rätselte fleißig, was da geschrieben stand. Danach ging ich schleunigst wieder ins Hostel und stürzte mich, ein paar E-Mails wegen, auf den atemberaubend schnellen Rechner. Im Obergeschoss gab es ein offenes WLAN, wie mir mein Handy mitteilte. Leider hatte ich meine Laptop schon auf dem Flug ausgesaugt und mußte auf das im Rucksack verstaute Ladegerät warten. Das Surfen per Handy taugt nur für ein paar Nachrichten. Der Hunger trieb mich dann doch noch mal nach draußen. Ich folgte der Avenida Jorge Chavez bis zu Klippen von Miraflores. Auf einem kleinem Grünstreifen entlang der Klippen säumten sich einige Palmen, ein Leuchtturm bot sich mir als Landmarke nebst der vielen Hochhäuser im Hintergrund. Das Meer schlug seine Wogen und trug dutzende Surfer auf den Wellen umher. In westlicher Manier liefen sich einige Leute die Kilos vom Bauch. Ich turnte eine Weile an den stehenden Reck- und Barrenstangen, die dort aller Meter zu finden waren, und erfreute mich lange Zeit einer Lektüre, die zeimlich gut zu meiner Unternehmung passte: Der Alchemist von Paolo Coelho.
Madrid – Bogota – Lima
Der Flieger hatte gute eineinhalb Stunden Verspätung, aber wenn man erst einmal fliegt vergeht die Zeit bekanntlich wie im Fluge. Ich saß vor dem Notausgang – neben mir ein etwa gleichaltriger Spanier. Der werten Frau Stewardess war es jedoch nicht recht, einen dem Spanisch unkundigen dort sitzen zu haben – wie sollte ich im Notfall den Fluggästen klar machen, wie sie am Besten auf die Tragflächen springen? Mein Nebenmann versicherte seine Unterstützung und ich durfte meinen geräumigen Platz behalten. Homez – so der Name des Spaniers – wollte als “Environmental Scientist” ein ländliches Entwicklungshilfeprojekt in Ecuador unterstützen. Wir unterhielten uns ausgezeichnet während des 10-Stündigen Fluges. Seinen Anschlussflug nach Quieto/Ecuador sollte nicht nicht mehr erreichen, somit war ihm eine Nacht in der kolumbianischen Haupstadt vergönnt. Mein Flieger nach Lima stand schon in den Startlöchern, so dass ich im Eiltempo einer Flughafenangestellten folgen musste, um die Maschine noch zu erwischen. Meinen Rucksack konnte, wie sich in Lima herausstellte, niemand so schnell nachreichen. Mittlerweile war es 1:30 Ortszeit, die europäische Nacht hatte ich überdauert und schlief nun getrost in Decken gehüllt auf drei Sitzen.
An der Gepäckrückgabe in Lima erwarten einen Männer in Uniform mit braunen Hosen und beschfarbenden Hemden, auf deren Schulter “SS” (Servicio Securidad) steht. Später erfahre ich, dass sich der Flughafen in privater Trägerschaft befindet. Über die Anteilseigner werd ich mich mal informieren. Avianca – meine Fluggesellschaft – hatte also meinen Rucksack in Kolumbien liegen lassen. Es folgt nur noch etwas Papierkram und dann entliess mich der “SS”-Mann ohne auch nur einen Blick auf mein Visum geworfen zu haben, in die Menge der schreienden Taxifahrer. Auf großen Schildern wurde mehrfach vor dieser gierigen Meute gewarnt. Zum Glück hatte mein Hostel einen Fahrer des verlässlichen Unternehmens TAXI GREEN bestellt, der mich mit meinem Namen begrüßte und zugleich zu seinem Wagen geleitete. Auch wenn sein Auto nicht so richtig gut fuhr, cheuffierte er mich sicher durch das bedrohlich wirkende Callao und die westlich anmutenden Stadtteile San Isidro und Miraflores zum gleichnamigen GUEST HOUSE hinterm Eisenzaun. Fast in völliger Dunkelheit lozte mich der ‘Nachtwächter’ durch dunkle Gänge in ebenso dunkle und muffige Räume, die er nur zögerlich erhellen wollte. Ich war schon irgendwie froh hinter Schloss und Riegel zu sitzen. Der Aufenthalsraum des Hostels hatte zwar kein Dach, aber wozu auch – in Lima regnet es nur einmal im Jahr.