[Ein Nachruf auf unserer Radiosendung vom 16.12.2004 bei freeFM]
Warum schenkt man sich an Weihnachten Dinge?
Die Frage ist relativ einfach zu beantworten, wenn man auf den Ursprung des christlichen Weihnachtsfestes zurückschaut. Damals am Tage der Geburt Christi folgten die heiligen drei Könige dem heiligen Stern am Himmel bis hin zu jener Grippe, in der die Jungfrau Maria ihr Kind gebar. Die heiligen drei Könige schenkten dem Kinde, das fortan als Jesus Karriere machte, Myrre Weihrauch und Gold. Später schrieb man außerdem in die Bibel, dass Jesus selbst ein Geschenk an die Menschheit sei und allgegenwärtig in jedem von uns steckt. Vielleicht rührt daher unser Vermögen, uns selbst durch unsere Anwesenheit, an jemanden zu verschenken. Schließlich kann man einer anderen Person seine Aufmerksamkeit und seine Zeit schenken. Nicht von Ungefähr ist auch die Doppelbedeutung des englisch-lateinischen Wortes “present”, was im Deutschen mit Geschenk oder mit Gegenwart/Anwesenheit übersetzt wird. In Zeiten ortsunabhängiger Kommunikationsmöglichkeiten ist die Anwesenheit weniger eine notwendige Voraussetzung für diese Form des Schenkens, als die dafür notwendige Zeit. In jedem Fall gehört diesen dematerialisierten Formen des Schenkens die Zukunft, wenn man sich verallgegenwärtigt, dass wir bei unseren gegenwertigen Energie- und Ressourcenverbrauch zwei Planeten bräuchten, um die 6,5 Mrd. Menschen mit unseren Lebensstandard zu bescheren.
Aber wie ist das jetzt mit dem Schenken und beschenkt werden?
Bei Geschenken handelt es sich leider all zu oft um Dinge. Diese stehen immer wieder mal im Verdacht Ersatz zu sein, zu betäuben oder künstlich geschaffene Bedürfnisse zu befriedigen. Vor dem Konsum mancher Dinge wird sogar gewarnt – außer an Weihnachten, da freut sich nämlich nicht nur der Handel, sondern auch alle anderen, die dieses Fest auf diese Art begehen. Ganz besonders natürlich die Kinder; denen ist’s nämlich auch vollkommen Schnuppe wie, warum und wann man ihnen etwas schenkt – Hauptsache es ist genau das, was auf dem Wunschzettel steht. Für sie erzeugen Geschenke Wirklichkeiten, in denen sie sich wieder finden und ihrer Fantasie freien Lauf lassen können. Für Erwachsene hingegen haben Geschenke fast immer einen Bezug zur Wirklichkeit und dem Alltag. Denn nicht jeder ihrer Wünsche lässt sich erfüllen. Oder kennt ihr jemanden, der Arbeitsplätze, Traumreisen, oder Eigenheime verschenkt? Auch Gesundheit, Glück und Frieden, sowie ein langes Leben lassen sich nicht in Geschenkpapier hüllen. Insbesondere die Liebe sollte man an Weihnachten nicht verhüllen oder in Kartons packen, sondern vielmehr offen zeigen und auch mal als Geschenk ansehen.
Beim Schenken kommt es auch darauf an, wie man schenkt. Für den Beschenkten hat das Ritual des Schenkens oftmals eine größere Bedeutung, als das Geschenk selbst. Die meisten besitzen ohnehin schon die 40.000 Dinge, die sie UNBEDINGT zum Leben brauchen und sind so gut ausgestattet, dass sie sich eigentlich nur noch Überflüssiges oder Nutzloses schenken können (H. D. Thoreau lässt grüßen). Die für uns wichtigen Gebrauchsgegenstände suchen wir uns nach unserem eigenen Geschmack lieber selber aus, um bei der Bescherung niemanden Dankbarkeit vorgaukeln zu müssen, falls nicht der richtige Pulli auf dem Gabentisch liegt.
Problematisch wird’s auch dann, wenn die Geschenke ein gewisses Maß übersteigen, so dass der liebe Weihnachtsmann Sachen hervorzaubert, die wir uns lieber selbst erarbeitet oder angeschafft hätten. Solche Geschenke verletzen unseren Stolz, der in dem Fall auf unserer eigenen Leistung, unserem Verdienst und letztlich auf unseren persönlichen Anschaffungen beruht.
Außerdem besteht die Gefahr, dass der Beschenkte ein schlechtes Gewissen bekommt, weil er ein solch großes Geschenkt nicht erwidert hat oder gar nicht erwidern könnte. Psychologen bezeichnen dies als den Effekt der Reziprozität.
Als letzten Punkt möchte ich anführen, dass jedes erhaltene Geschenk eine Beurteilung des Beschenkten darstellt. Dahinter verbirgt sich eine Gefahr, denn nicht um sonst heißt es: “Jeder bekommt das, was er verdient” – mit der Rute oder aus’m Sack des Weihnachtsmanns. Im Idealfall erhält man genau das, was man sich gewünscht hat. Anders sieht es aus, wenn kein konkreter Wunsch geäußert wurde oder dem Wunsch schlicht nicht nachgekommen werden konnte. Dann nämlich orientiert sich der Schenker bei der Auswahl eines Geschenks an der Person, dem Leben und Handeln der betreffenden Person bzw. an den Interessen derselben. Besonders bei scheinbar leidenschaftslosen oder langweiligen Menschen weiss man oft nicht, was man schenken soll und wenn man meint etwas gefunden zu haben, ist damit die Gefahr groß, ein falsches Urteil abzugeben und den Beschenkten in eine Situation zu drängen, in der er Freude und Dankbarkeit aus Höflichkeit nicht vorenthalten kann. Und dann, genau dann hat man Weihnachten verschenkt.
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