Isla Taqila

Im Gegensatz zur Isla Amantani war dieses bergige Eiland überaus grün. Die Menschen begegneten uns freundlich ohne nach Geld zu betteln. Das Treppensteigen und Erzwingen, der mit Ruinen bestückten Berge, war abermals kräftezehrend.Nach knappen drei Stunden legten wir ab und gegen 15 Uhr gelangten wir zurück nach Puno, wo ich zugleich ein Ticket für einen frühen Bus besorgte. Dieser wurde jedoch nicht gleich voll, weshalb wir in der nächsten Stadt so lang rumstanden, bis der Busfahrer mit seinen ”A Cusco”-Geschrei den Bus voll hatte. Nach dutzenden Zwischenstopps kam ich gegen 1 Uhr völligst gerädert in Cusco an.

Isla Amantani

Wir legen an. Vor uns ein kahler Berg mit spärlicher Vegetation und verstreuten Häusern. An der Anlegestelle erwarten uns die Einheimischen in ihrer alltäglichen, bunten Tracht. Eigentlich sollten wir jetzt gemäß eines strickten Plans den einzelnen Gastfamilien zugeteilt werden, doch unser “Lonley Planet”-Buch sagte, es sei nicht gut. Schließlich versuchen wir grüppchenweise selbst ein Quartier zu finden, wuden jedoch gleichsam unweigerlich zugeteilt. Unser Gastvater scheint sehr engagiert und führte uns zu seinem Haus nebst Garten. Seine Kinder rennen umher. Sie und seine Frau begrüßen uns mit einem sanften Händedruck – sowas ist hier wohl nicht üblich und stattdessen erlernt. Im ersten Stock des Hauses zeigt man uns unser Zimmer. Drei Betten, zwei kleine Fenster und Stühle erwarten uns hinter der niedrigen Tür. Wir sind nur zu zweit, dass heißt David – ein Chinese, der in den Staaten studiert – und ich. Stolz weißt uns der Herr des Hauses auf eine Art Lizenz hin, Touristen zu beherrbergen.Abermals kann ich mein Spanisch testen und mich nachher ärgern, was ich falsch gesagt habe. Ich versteh, wann es essen gibt und was so über’n Tag zu ansteht.Zunächst gab’s Mittagessen: als Vorspeise eine fade Suppe mit Kartoffeln und Ei drin. Dann einen Teller mit vier verschiedenen Sorten Kartoffeln und einem Tunfisch-Zwiebel-Brei. Es hat alles recht gut geschmeckt, wenngleich ich nicht hätten sehen wollen, unter welchen Umständen es zubereitet wurde. Die Küche glich einem Erdloch mit Feurstelle. Fließend Wasser gab es sowie so nicht und Strom ausschließlich aus Batterien. So liefen beispielsweise ein paar Kinder mit einem Ghetto-Blaster entlang – eine trug eine Musikbox und zwei eine große Autobaterie.Wir trafen die anderen auf dem Plaza – sechs Schwaben, zwei Däninnen, zwei Kanadier und ein Engländer. Alle saßen sie schon mit uns in einem Boot und jetzt sollten wir gemeinsam ein paar Inka-Ruinen bestaunen. Es dauerte nicht lang, da verfolgte uns ein Trupp musizierender Kinder. Die Musik war schön, doch gleich hielten sie ihre bunte Mütze für ein paar Doller auf.

Die im Vergleich zu Cusco hinzugewonnen 400 Höhenmeter wurden fast auf 4000 Meter aufgerundet. Entsprechend hing uns beim Erklimmen der seichten Stufen die Zunge aus dem Hals. Als ich daheim in Deutschland mit dem Finger über die Landkarte fuhr, hatte ich mir diesen Ort wesentlich anders vorgestellt. Nun überkam mich ein Gefühl, all das schon einmal gesehen zu haben. Nahe dem Gipfel erstreckte sich ein Netz von geschichteten Steinmauern und Terrassen. Obenauf ein zweifaches Quadrat aus eben diesen Steinmauern (Panchamama == Mutter Erde). Sofort erinnerte ich mich an die Aron-Islands in Irland. Es war, als hätte ich das falsche Boot genommen.Einzig die schneereichen Gipfel der bolivianischen Cordilleren und die umgebende Szenerie, erinnerten mich daran, wo ich hier gelandet bin. Es war bereits dunkel, als wir uns mit einem Coca-Tee die Hände gewärmt hatten und den “compra” (kauft) rufenden Frauen mit ihren Alpaka-Mützen, -Pullovern, und -Decken entkamen. Fast im Tal angelangt, erschienen mehr und mehr Kinder und fragten nach Dollern. Dieses dreiste und unbegründete Betteln hat uns ganz schön genervt. Wer solchen Bestrebungen nachgibt sollte sich zweier Dinge bewusst sein: (1) Geld für’s Nichtstun verdirbt die Arbeitsmoral (Pavlov) und (2) hilft eher den (zum großen Teil alkoholabhängigen) Vätern. Nachdem uns vor dem Mittagessen der Gastvater mit seiner Frau einen Besuch abstattete, um uns drei Mützen und fünf Freudschaftsbänder zu verkaufen, erschien nach dem Abendesse (Suppe+Reis mit Bohnen) der älteste Sohn mit seiner Panflöte. Ich wollte mich weitestgehend mit ihm unterhalten, doch er kam nur, um uns ein paar Soles wegen, ein Ständchen zu spielen. Wie schade, die Natürlichkeit blieb abermals auf der Strecke. Für den Abend hat man uns alle zum Tanz ins Gemeindehaus eingeladen. Es gab auf der Insel neun Gemeinden mit je 12 Familien. Mit einer dachten wir dort zu feieren, aber es waren abgesehen von den Musikanten nur Touristen da, die Ringelreihe zur Musik umhersprangen. Ich hätte glaub ganz bisschen Alkohol gebraucht, um mich diesem Treiben hingeben zu wollen. Wir glaubten uns im falschen Film. Unser Gastvater war inzwischen irgendwie und irgendwo besoffen geworden. Einem von uns gings wegen des Essens schlecht. Naja, wir plauderten amüsiert bis 10 Uhr, dann war Zapfenstreich, dass heißt, es wurde Zapfenduster – die Gaslampe wurd’ ausgemacht und wir standen da, mit Ponchos behangen und von bunten Mützen bedeckt. Die mit mir gereisten waren jedoch sehr interessante Gesprächspartner. Die Deutschen hatten teils bereits ein Voluntariat in Peru hinter sich, bzw. waren noch dabei. Einer bereitete sich in Arequipe auf seine Diplomarbeit bei einem Stromversorger vor. Ich befand mich also unter Gleichgesinnten. Mit David habe ich auf’m Zimmer noch sehr lang über China gesprochen.

Ich weiß nicht warum, aber seit ich in Peru bin wache ich täglich gegen 6 Uhr – zum Sonnenaufgang – auf. Nach dem Frühstück fuhren wir sogleich zur Isla Taquile.

Isla Uros

Mit dreizehn Passagieren ratterte der Dieselmoter durch die mit grünen Wassenpflanzen überwucherte Bucht hinaus zu den schwimmenden Insen der Uros. Dieser indigene (Quechua-)Stamm verdankt seine Eigenart auf den ersten Blick dem Totora Schilf, welches nicht nur zu deren Lebensraum, den schwimmenden Inseln, verflochten wird, sondern auch zum Bau von Booten und Hütten dient, sowie für Mensch und Tier als schmackhaft süße Nahrungsergänzung taugt. Ein vegetarische Eierlegendewollmilchsau also. Gegen einen Eintritt von drei Soles zeigten uns ein paar der Stammesangehörigen wie sie zu leben scheinen: Innerhalb der Inseln haben sie kleine Fischbecken und halten sich zudem Meerschweinchen (= essbar). Ganz nebenbei verkaufen sie hunderte Souveniers und Getränke, haben eine Pseudotelefonzelle, Vorhängeschlösser vor ihren Schilfhütten und ein Seeklo. Die Kinder müssen etwas von Fotomodellen gelernt haben; sie lassen sich für ein paar Soles ablichten und erscheinen weltweit in Hochglanz-Fotoalben. Wie Stars werden die Uros von einem Touristenschiff nach dem anderen bestaunt. Wer will, kann sich von zwei Frauen auf einem Kitschboot zur nächsten Insel rudern lassen. Verblüfft beobachten wir eine Demonstration der Inselbauweise. Mit Stricken verbundene Wurzelballen werden kreuzweise mit Schilf bedeckt und verflochten. Alles zusammen schwimmt und federt beim Laufen, als würde man auf einem Kissen gehen. Die Sonne brennt immer heißer.

Puno

Es war Freitag und mich erwartete das, was man Wochenende nennt und mir in den letzten Jahren abhanden gekommen ist. Ich wollte nach Puno an den Titikakasee fahren und die Schule hinter mir lassen. Claudia beschaffte mir spontan die Bustickets für die nächtliche Überfahrt. Geschlafen hatte ich kaum, doch bei der Ankunft am Hafen war alle Müdigkeit vom Morgengrauen verschleiert. Die Luft war sauber, der Himmel klar von Sternen übersät und allmälig begrüßten die Vögel die sich andeutenden Sonnenstrahlen am Horizont. Die ersten Käpitäne grochen aus ihren Booten und fragten zugleich, ob ich mit ihnen hinausfahren möchte, um einige der Inseln zu sehen. Das erste, von Sonne und Wind gegerbte Gesicht lächelte freundlich unter der bunten Bommelmütze hervor. Der Mann lud mich in seine warme Kajüte und erzählte mir, was mich auf den einzelnen Inseln erwarten würden. Mir war klar, dass es in ein paar Stunden ein riesen Ansturm auf die Boote geben würde und ich deshalb eine möglichst wenig frequentierte Insel für die Übernachtung finden musste. Ich handelte eine Tour zu den Inseln Ursos, Amantani und Taquile für schlappe 20 Soles (6 Euro) aus. Er wollte gegen halb neun starten, sobald sein Boot voll ist.Nach dem bezaubernden Sonnenaufgang wollte ich mir Puno ansehen und sprang deshalb auf eine der vorbeifahrenden Rikschas auf. Der arme Kerle hatte keine Schaltung am Rad und begann kurz vor dem Plaza de Armas an zu schieben, weshalb ich sogleich absprang und ihm einen Soles mehr gab. Freundlich zeigte er mir den gesuchten Geldautomaten. Unmittelbar davor hatte, in Pappe gehüllt, eine Mutter mit ihrem Kleinkind die kalte Nacht verbracht. Ein paar Meter weiter schlief ein Mann zwischen den Kirchenmauern. Ich fühlte mich unwohl und gänzlich asozial, als ich 300 Soles aus dem Automaten zog und ihnen vor lauter 50er-Scheinen nichts zu essen kaufen konnte (soviel können die meistens nicht wechseln). Auf dem Berg schallte ein Feuerwerk und unterbrach die offenbar freudige Musik einer Blaskapelle. Viele Leute tanzten zur Musik. Lange Zeit lief ich durch die eintönige Stadt, deren Häusern man nicht ansehen konnte, ob sie sich noch im Bau befinden oder bereits wieder verfallen. Zahlreiche Hunde schwänzelten durch die Straßen und machten ihre Pfützen ebenso, wie ihre scheinbaren Herren. Eine Reihe von Straßen verwandelte sich in einen zunehmens geschäftigen Markt. Souvenierfrei boten die Händler allerhand nützliches und essbares an. Werkzeuge, Rohre, Gummi, verschiedene Früchte und wunderbar duftende Blumen (Sonntag war ja Muttertag) an. Zwischendrin entstand eine Suppenküche, an der sich sogleich ein gutes Dutzend Leute zum Frühstück einfanden.Die Sonne stieg schnell hinauf und es wurde heiß. So langsam sollte mein Boot ablegen. Vom Geruch und Dreck der Stadt hatte ich soweit genug, dass ich mir Sonntags höchstens noch das Coca-Museum ansehen würde.