El Gran Vilaja

Mittlerweile in Chochapoyas angekommen, entschloss ich mich gegen die Weiterreise nach ans Meer (Piura, Mancora) und für eine dreitägige Treckingtour in der Gran Vilaja Region. Sven wollte mitkommen, denn seine Frau Mindi wollte nach dem Unfall-Schock und den Strapazen der letzten Tage etwas ausspannen. Für 360 Soles (84 Euro) bekamen wir innerhalb von 10 Stunden, also praktisch übernacht, unseren eignen Guide. Deutsche brauchen normalerweise keinen Führer, doch ohne genaues Kartenmaterial, auf dem alle Wegelchen verzeichnet sind, lässt es sich nunmal nicht wandern. Nun gut, CESAR* sollte uns führen! Er war in der Region aufgewachsen, kannte die Situation der Menschen und den Hochlandjungel. Mit dem Taxi fuhren wir zunächst nach Pirquilla, um uns die vier Sarkopharge in den Felswänden anzusehen, und danach ins Valle Huaylle Belen. Der Rio Belen schlängelte sich in perfekten Meandern durch stoppelige Wiesen. Kühe und Pferde standen vereinzelt auf den weiträumigen Grünflächen. Die Ruhe und Windstille war einzigartig. Die Straßen im Nebelwald zogen sich wie Narben durch die Landschaft, aus denen gelbe Erde blutete. Auf einigen Hügeln wucherten lediglich Farne und wenige Sträucher und auch der sonstige Wald war recht jung. Insbesondere die Farne sind es, die durch ihren schnellen und dichten Wuchs andere Pflanzen hindern empor zu kommen (Anmerkung von Steffen K.). Man kann sie deshalb durchaus als Plage ansehen. Alte und starke Bäume waren nicht zu sehen. Ganz offensichtlich war die (Brand-)Rhodung zu gunsten der Land- und Viehwirtschaft längst Normalität.


Huaylle Belen

Auf einer alten Chochapoya-Straße wanderten wir durch Nebel und Wald nach Congon. Entlang des Weges säumten sich die Ruinen und Mauern von Pirquilla.

Pirquilla – kaum zu glauben, dass sich in unmittelbarer Nähe über tausend solcher Rundbauten befinden.

Congon selber ist zwar ein Dorf, doch liegen die Häuser sehr verstreut im Flusstal. Elektrischen Strom gibt es seit einem Jahr. Seit kurzen gibt es auch einen Fernseher im Dorf. Die Leute treffen sich da öfters, um ein bisschen in die Welt zu schauen. Funkmasten fürs Handy oder Telefonkabel gibt jedoch noch keine. Ein Satelitentelefon muss reichen.

Circa acht Stunden Fussmarsch von Congon entfern, am Rio Miriñon, befinden sich grosse Coca-Plantagen. Ein lokaler Drogenbaron hat dort ein ganzes Dorf unterworfen und zur Zwangsarbeit in den Plantagen und zum Stampfen der Blaetter verpflichtet. Sein Terretorium regiert er durch die Gewalt von min. 80 Paramilitärs. Wer nicht folgt wird erschossen. Cesars Vater arbeitete bis vor kurzen noch als Lehrer in dem Dorf. Touristen sind dort natürlich nicht willkommen.

In Congon ist die Welt diesbezüglich noch in Ordnung. In einem länglichen Bauernhaus mit langer Veranda erhalten wir Kost und Logie. Unser Zimmer muffelt kräftig nach Pferd, doch wenn ein Lüftchen durchzieht, merkt man das gar nicht. Hinsichtlich der Hygiene drückten wir einige Augen zu, wenn Hühner und Hunde durch die Küche schlichen oder die freilaufende Meerschweinchenkolonie unter dem Herd mit herabfallenden Kartoffelschalen gefüttert wurde. Die Hunde waren lieb und stets hungrig. Der kleinste von den Dreien fraß sogar Insekten; am liebsten die großen Nachfalter. Fleisch gab’s natürlich keins für die Tiere. Auch für uns gabs einfache Kost, die teilweise etwas gewöhnungsbedürftig war (stinkendes Trockenfleisch). Absolut lecker hingegen: der selbst angebaute Kaffee!

Am zweiten Tag wanderten wir zusammen mit dem Hausherren und einem Jungen aus dem Dorf zu den Sarkopharge Curra Secreto. Diese waren mitten im Jungel an einer Felswand. Ein Schullehrer hatte vor 15 Jahren mit seine Klasse die Mumien zerstört und geplündert, so dass heut nur noch die Knochenhaufen und ein paar Stoff- und Seilreste rumliegen. Man kann also einen anatomischen Exkurs veranstalten und ein menschliches Skelet zusammensetzen. Archäologen scheinen von dem Chochapoya-Friedhof in den Felse von Concon zu wissen, hielten es bislang jedoch nicht für nötig die Funde zu sichern. Peru hat so viele archäologische Schätze, dass sie derzeit mit den zur Verfügung stehenden (finanziellen) Mitteln nicht gesichert werden können. Seit vier Jahren spielen nun schon Touristen wie wir mit den Knochen und stören die Ruhe der Toten. Zwei Mumien sind noch vollständig erhalten, da sie sich in schier unerreichbarer Höhe im Felsen befinden.

Als nächstes kämpfte wir uns mit der Machete zu einem Wasserfall durch. Dahin führte kein Weg und alles war dicht zugewachsen. Richtiger Urwald eben. Sogar große, alte Bäume standen gab es. Der Wasserfall war jedoch nicht mehr als ein Wasserfall. Ok, 50-70 Meter hoch. Oben drüber sollte es noch einen geben. Wir machten uns auf, ihn zu suchen. Unsere Guids kannten ihn (angeblich?) auch noch nicht. Der Aufstieg war nicht einfach, doch lohnenswert. Der Wasserfal war noch größer. Später sahen wir, dass oben drüber noch weitere Wasserfälle seien müssten. Wesentlich spektakulärer sind jene Wasserfälle jedoch während der Regenzeit. Dieser Tage träufelt vergleichsweise wenig Wasser hinunter. In diesem Zusammenhang möcht eich noch anmerken, dass es anscheinend noch einige “unbekannte” Wasserfälle gibt. Vor wenigen Jahren entdeckte ein Deutscher ganz in der Nähe den weltweit dritthöchsten Wasserfall. Den Einheimischen war selbiger natürlich schon ewig bekannt, nur haben sie sich nichts daraus gemacht.

Für den letzten Tag stand ein harter Fussmarsch nach … an. Recht spät, nämlich gegen 6:30, liefen wir schnellen Schrittes los. Vielleicht etwas zu schnell, denn als sich nach 3 Stunden die ersten Berge vor uns stellten, fehlte mir plötzlich die Kraft zum Weitergehen. Wahrscheinlich hatte ich bis dahin das (magere) Frühstück verbrannt und meinen Koerper an die schnelle Zuckerzufuhr (Weizenmehl) gewöhnt. Ich musste zehn Minuten schlafen und eine Unmenge Bonbons essen, bevor ich wieder in Schwung kam. Auf halben Wege, nahe den Ruinen von Lauche, tauschte zum Glück ein Gasthaus auf. Nach zwei Supen und ein paar Schockoriegeln war meine Energiekriese endgültig ueberstanden. Trotzdem hatten wir kaum Gelegenheit die Landschaft in vollen Zügen zu geniesen, da wir bis 15 Uhr in … seinen mussten, um einen Minibus nach Chochapyas zu erwischen. Die Wanderung entwickelte sich zum Gewaltmarsch. Mir verging die Lust am Fotografieren, da wir nicht mal beim Erreichen der Passhoehe eine Pause einlegten und statt dessen in 30 Minuten 650 Hoehenmeter ins Tal ranten. Nicht etwa, dass mir dieser Downhill auf den sandigen Weg keinen Spass gemacht hätte, aber mit Wandern hatte es nichts mehr zu tun.


* Cesar Espeso Chavaz, cesarech27-4[at]hotmail.com

Kuelap (Teil II)

Relativ früh am nächsten Morgen fuhren wir hinauf zur Festung von Kuelap. Von Weitem recht unscheinbar, wirken die 21m hohen Mauern der Festungsanlage um so beeindruckender, wenn man direkt vor ihnen steht. Eine gewisse Ähnlichkeit mit europäischen Festungen des Mittelalters ist unverkennbar, wenngleich es statt großer Tore hier nur zwei Eingangsscharten gibt. Eindringlinge konnten von oben beschossen oder zur gegenüberliegeden Scharte wieder herausgetrieben werden. Bereits vor den Mauern stolpert man fast über Tonscherben. Das Innere der Festung gleicht einem wilden Terrassengarten mit Rundbeeten und Wegen, die gleichsam durch Steine begrenzt sind. Alpacas bremsen den Wildwuchs der Gräser, doch die Bäume überschatten längst weite Teile der Anlage. Auf den erwähnten Terrassen waren einst verschiedene Gesellschaftsklassen angesiedelt.

Die Rundbeete sind die Grundmauern der chochapoya-typischen Rundhäuser mit konischem Dach. Bislang wurde eines dieser Häuser rekonstruiert. Auffällig ist, wie dicht diese Häuser beieinander standen und wie verwinkelt und eng die Gassen zwischen ihnen gewesen sein müssen. In jedem Haus befand sich ein Malstein und eine zylindrische Vertiefung, welche als ‘Kühlschrank’ diente. Unklar ist mir die Funktion, des ebenfalls in den Häusern befindlichen (Luft-/Rauch-) Schachtes. Neben den Rundbauten gibt es auch eine wenige rechteckige Häuser, die man auf die gegenüber den Chochapoyas siegreichen Inkas zurückführt. Im östlichen Teil der 580m langen Anlage befindet sich ein sonderbarer Bau, der aufgrund seiner Form als Tintenfass bezeichnet wird. Derweil versucht man das Bauwerk zu stabilisieren. Seine Funktion ist unklar. Im inneren fanden sich Knochen von Raubtieren. Man mutmaßt, dass jener obere Tel der Festungsanlage den Priestern vorbehalten war und auch zu astronomische Beobachtungen diente. In der Umgebung der Stadt Chachapoya gibt es eine ganze Reihe von Ruinen, die zwischen 800 und 1300 n.Chr. durch die Chochapoyas gebaut wurden. Kuelep scheint die mächtigste Verteidigungsanlage zu sein. Sie bot Platz für etwa 3000 Menschen. Trotzdem ist das, 1843 von einem lokalen Richter wiederentdeckte, Kuelap nur ein Bauwerk von tausenden in der Region. Gene Savoy entdeckte 1984 die größte prekolumbianische Stadt Südamerikas – etwa einen Tagesmarsch von Kuelap entfernt. Ihr Name: Gran Vilaya. Bereits 1965 entdeckte er die Stadt Gran Pajaten im heutige Nationalpark Rio Abiseo, weit im Süden von Kuelap.

Wer nach Kuelap reist, braucht keinen Führer. Man kann sich belesen oder einen der Archäologen vor Ort fragen. Auch das winzige Museum hilft aufkommende Fragen zu klären. Am einfachsten erreicht man Kuelap von Chochapoyas aus mit einem Collectivo oder einem Taxi. Von Maria aus kann man innerhalb eines Tages nach Congon (Gran Vilaja) laufen. Sven und ich sind den Berg hinunter nach Tingo gewandert. Es war ein schöner Weg, den ich aufgrund seiner Steilheit jedoch ungern in umgekehrter Richtung gehen würde. Kurz vor Tingo sahen wir in einem Garten wie einige Männer zwei Esel um eine Art Presse trieben. Sie pressten Zuckerrohr. Wir sollten herein kommen und den süßen Saft probieren. Schnell merkten wir, wie besoffen diese Bande war. Über dem Lagerfeuer wollten sie sicher noch mehr Schnaps brennen.

John hatte während der Abfahrt einen Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug, was ohne zu hupen etwas zu eng die Kurve geschnitten hatte. Zum Glück kam niemand zu (körperlichen) Schaden. Angesichts des Zustands der Straßen und der Fahrweise, der meisten Leute, wundert es, dass nicht noch mehr passiert. In der örtlichen Polizeistation weigerte man sich den Schaden aufzunehmen. Der Kotfluegel hatte sich samt der Tür verschoben, so dass sich selbige nicht mehr öffnen liess. Um die Sachen nicht noch weiter zu verkomplizieren, wollten ich mit Sven allein nach Chochapoyas fahren. Dafür kamen Taxis, Minibusse oder eben LKWs in Frage. Ein Kaffee-Laster erschein, wie gerufen. Oben drauf saß ein aufgeweckter Bauer namens Jose. Er erzählte viel von seiner Kooperative und dem Leben in der Region, in der es nur ein Satelitentelfon gibt, jedoch keinen Strom. Er plauderte von Schamanen und Medizinstudenten, die jeweils für ein Jahr in sein Dorf (Puraznillo, Distr. Pisuquia, Prov. Luya) abgeordnet werden. Ebenso berichtete er von den Schwierigkeiten seinen ökologisch einwandtfreien Kaffee zertifizieren zu lassen und ohne Zwischenhändler in Chiclajo direkt an einen Exporteur zu verkaufen. Er zeigte uns sein Feuerzeug, welches aus einem trockenen Stück Holz und einem Feuerstein bestand. Natürlich kaute er Coca mit Kalk (=Katalysator), damit liesse es sich besser und schneller arbeiten, meinte er. Wir sollten ihn doch unbedingt mal in seinem Dorf, nahe des Rio Mariñon besuchen. Es wären schon einmal ein paar Deutsche da gewesen, denn schliesslich gebe es dort auch so etwas, wie Kuelap; nur viel viel größer (Los Geutunes). Archologen wuerden den Ort noch nicht kennen, fuegte er hinzu. Wir sagtem ihm, er solle doch als Touristen-Guide arbeiten – so gut und interessant, wie er erzählen kann. Gern hätten wir das Gespräch mit ihm fortgeführt, doch an der Kreuzung nach Chochapoyas mussten wir abspringen und weiter trampen.

Jose mit seinem “Zigarettenanzünder”

Wie John die Sache mit seinem Mietwagen geregelt bekommen hat, würde mich sehr interessieren. In den Mietkondtionen stand eindeutig, dass er nur auf asphaltierten Strassen fahren darf. Nach Chochapoyas führt keine durchgehende Asphaltstrasse. Der arme John hat das sicher nicht so genau gelesen. Gegen Ende war er so weit verwirrt, dass er seine Brille und paar seiner Antidepressiva verloren hatte. Ich emfand es sehr tragisch, zu sehen, wie ein solch herzensguter und urkomischer Optimist durch einen einzigen Zwischenfall so aus der Bahn geworfen wird.

Puno

Es war Freitag und mich erwartete das, was man Wochenende nennt und mir in den letzten Jahren abhanden gekommen ist. Ich wollte nach Puno an den Titikakasee fahren und die Schule hinter mir lassen. Claudia beschaffte mir spontan die Bustickets für die nächtliche Überfahrt. Geschlafen hatte ich kaum, doch bei der Ankunft am Hafen war alle Müdigkeit vom Morgengrauen verschleiert. Die Luft war sauber, der Himmel klar von Sternen übersät und allmälig begrüßten die Vögel die sich andeutenden Sonnenstrahlen am Horizont. Die ersten Käpitäne grochen aus ihren Booten und fragten zugleich, ob ich mit ihnen hinausfahren möchte, um einige der Inseln zu sehen. Das erste, von Sonne und Wind gegerbte Gesicht lächelte freundlich unter der bunten Bommelmütze hervor. Der Mann lud mich in seine warme Kajüte und erzählte mir, was mich auf den einzelnen Inseln erwarten würden. Mir war klar, dass es in ein paar Stunden ein riesen Ansturm auf die Boote geben würde und ich deshalb eine möglichst wenig frequentierte Insel für die Übernachtung finden musste. Ich handelte eine Tour zu den Inseln Ursos, Amantani und Taquile für schlappe 20 Soles (6 Euro) aus. Er wollte gegen halb neun starten, sobald sein Boot voll ist.Nach dem bezaubernden Sonnenaufgang wollte ich mir Puno ansehen und sprang deshalb auf eine der vorbeifahrenden Rikschas auf. Der arme Kerle hatte keine Schaltung am Rad und begann kurz vor dem Plaza de Armas an zu schieben, weshalb ich sogleich absprang und ihm einen Soles mehr gab. Freundlich zeigte er mir den gesuchten Geldautomaten. Unmittelbar davor hatte, in Pappe gehüllt, eine Mutter mit ihrem Kleinkind die kalte Nacht verbracht. Ein paar Meter weiter schlief ein Mann zwischen den Kirchenmauern. Ich fühlte mich unwohl und gänzlich asozial, als ich 300 Soles aus dem Automaten zog und ihnen vor lauter 50er-Scheinen nichts zu essen kaufen konnte (soviel können die meistens nicht wechseln). Auf dem Berg schallte ein Feuerwerk und unterbrach die offenbar freudige Musik einer Blaskapelle. Viele Leute tanzten zur Musik. Lange Zeit lief ich durch die eintönige Stadt, deren Häusern man nicht ansehen konnte, ob sie sich noch im Bau befinden oder bereits wieder verfallen. Zahlreiche Hunde schwänzelten durch die Straßen und machten ihre Pfützen ebenso, wie ihre scheinbaren Herren. Eine Reihe von Straßen verwandelte sich in einen zunehmens geschäftigen Markt. Souvenierfrei boten die Händler allerhand nützliches und essbares an. Werkzeuge, Rohre, Gummi, verschiedene Früchte und wunderbar duftende Blumen (Sonntag war ja Muttertag) an. Zwischendrin entstand eine Suppenküche, an der sich sogleich ein gutes Dutzend Leute zum Frühstück einfanden.Die Sonne stieg schnell hinauf und es wurde heiß. So langsam sollte mein Boot ablegen. Vom Geruch und Dreck der Stadt hatte ich soweit genug, dass ich mir Sonntags höchstens noch das Coca-Museum ansehen würde.