Salkantay Treck

Mama2 hat mir gerada Apfelmus mit Roter Beete und einer Art cordon bleu samt Spinat serviert. Und ich dachte schon meine Art zu kochen sei experimentell. Na gut, alles für sich hat geschmeckt und ich nehm’ mit was geht. So wollte ich mir es auch nicht nehmen lassen zu Fuss nach Machupicchu zu gehen. Die Inka wählten bei ihrer Flucht vor den Spaniern diesen, nach ihnen benannten ‘Trail’ aus. Heute wird dieser Fluchtweg als besonders schön gepriesen, und eine jede der 500 Lizenzen den Pfad zu beschreiten teuer verkauft. Doch viele Wege führen nicht nur nach Rom und so gibt es bestimt ein Dutzend Wegelchen, die man zu Fuß, per Rad und im Rafting-Boat nach Machupicchu einschlagen kann. Auf Anraten von Claudia – meiner Gastschwester – entschied ich mich zusammen mit Pia für die Salkantay-Tour. Pia war vier Tage nach dem urumbambastialen Hühnerfraß immer noch nicht fit und auch mir hatte sich zwei Tage vor Antritt des Marsches nach maßlosem dinieren noch einmal der Magen umgedreht. Es erschien mir als eine Lehre, doch für Pia tat’s mir abermals Leid. Nun saß ich, an meinen Rucksack gekuschelt, im arschkalten Bus nach Mollepata. Nach und nach schleppten die einzelnen Agenturen ihre angeworbenen Teilnehmer herzu. Darunter viele Paare und natürlich unsere Guides, Köche und Pferdeführer (zusammen 6 für 15 Wanderer). Als mir früher Verwandte von ihrer Wanderung auf den Kili erzählten, wie sie mit Trägern und Köchen den Berge erklommen, erschien mir das als halbe Leistung und herrlich im Sinne des Wortes. Nun sollte ich das Dilemma verstehen, was einem untrainierten, aber dennoch wanderfreudigen Touristen widerfährt, wenn er mangels Zeit und Angebot gar nichts anderes über sich ergehen lassen kann. Zunächst behielt ich meine sieben Sachen im Rucksack und ertrug selbigen auf sonntäglich leichten Wegen, hinauf auf 2900m. Zwischendrin gab’s ein einfaches Frühstück und ein ebenso simples, wenn auch dreigängiges Mittagessen nahe Cruzpata. Der Himmel war grau und wolkenverhangen, alles wirkte nicht gerade fotogen oder malerisch. Der Weg windete sich in seiner leichten Steigung schier unendlich oft. Die landschaftlichen Langeweile bot somit ausreichend Gelegenheit, die Leute in der Gruppe etwas kennenzulernen. Darunter einige Kurzurlauber (< 3 Wochen) aus den Staaten, Kanada und Deutschland; ein Paar aus England, welches sich nach einjähriger Reise beruflich völlig neu orientieren wollte; ein kalifornischer Voluntär und ein interessanter Soziologieprofessor aus Sofia, der sich von einer Konferenz aus Buenos Aires abgeseilt hatte. Alle samt sympathisch. Es wurde langsam dunkel und vor uns bauten sich massive Gletscher auf. In der auf 2900m gelegenen (Soray)Pampa schlug man unsere Zelte auf. Zugleich belohnten wir uns mit einer Flasche Cusquena-Bier und warteten im zugigen Essenszelt den Beginn des Abendmals ab. Spätestens nach dem Briefing um 20 Uhr wollte ich schlafen, denn schließlich hatte ich die letzte Nacht schon fast durchgemacht. Mein Schlafsack erwies sich jedoch als viel zu warm.

Der nächste Morgen ließ auf viel Sonne hoffen und so liefen wir ihr noch vor ihrem Erscheinen entgegen. Ein Adler beobachtete, wie wir uns schweren Schrittes die Serpentinen hinauf bewegten. Vorbei an einem Bergsee erreichten wir noch vor dem Mittag den Pass am Berge Salkantay.

Bergsee, kurz vor dem Pass.

Pass auf 4600m Höhe.

Der Berg Saikantay.4600 Meter über’m Meer war die Luft derart ausgedünnt, dass ich bei einem Nickerchen im sonnigen Windschatten mehrmals aus atemnot aufwachte. Ich hatte offenbar nicht tief genug ein- und ausgeatmet und glaubte fast zu ersticken. Nach zwei Stunden waren dann auch die letzten unserer Gruppe eingetrudelt und nach kurzem Verschnaufen gings bergab nach Huayracmachay zum Mittagessen am Bach. Umzingelt von Schweinen, Hunden und Pferden kochten unsere Köche ein Schmackofatz. Viel Zeit zum Verdauen sollte uns nicht bleiben, denn in drei Stunden wurd’s dunkel.

Etwas Jungel.Endspurt war angesagt. Bergab – zum Glück. Auf einem schmalen Trampelpfad wanderten wir zügigen Schrittes aus der bergigen Landschaft in zunehmens grünere Gefilde – auch Jungel genannt. Einzig die vielen Mulis und Pferde bremsten unser Vorankommen. Vorbeikommen war schwierig, wenn man Respekt vor Huftritten hatte und den Besitzer nicht  zu überzeugen wußte. In einem Tal (Challway) glänzten unsere Zelte im Abendlicht. Diesmal gab’s sogar fließend Wasser aus Rohren und ein duftes französisches Plumsklo. Kühles Bier war uns jedoch zunächst wichtiger. Am dritten Tag blieben uns die schmalen Pfade samt Packtieren erhalten, wenngleich die Vegetation um so blütenreicher und dichter wurde. Ein gutes dutzend Bäche und Wasserfälle galt es auf Steinen oder Holzstegen zu überqueren. Das Geröll auf dem Weg glitzerte zunehmens – es war Silber, wie unser Guide versicherte. Die Anwohner schöpften ihren Lebensunterhalt jedoch aus dem Verkauf von Getränken, Schockoriegeln und Früchten. Die angebotenen Bergtomaten, Grenadillas, Bananen, Avocados und Papayas wuchsen gleichsam am Wegesrand. In Lluscamayu nahmen wir zusammen mit gut hundert Tourismusstudenten (die kein Wort Englisch sprachen!!) unsere mittägliche Malzeit ein. Anschließend fuhren wir mit einem geborgten Van zu einem Termalbad. Während der Fahrt wechselte der Fahrer mehrmals mit einer entgegenkommenden Person. Der letzte Austauschfahrer hatte vor einer Kurve vergessen zu hupen und deshalb fast einen Motorradfahrer aufgegabelt. Naja, wir gammelten nun den Rest des Tages in lauwarmen Wasserbecken, die zum Schwimmen zu warm und zum Erholen zu kalt waren. Bier entpuppte sich als die eindeuitig besser temperierte Flüssigkeit – ebenso am Abend im nahegelgenen Zeltlager in Santa Teresa. Mit Ruman, dem bereits erwähnte Professor aus Sofia, habe ich mich gut und lang über sein Forschungsgebiet – die Ausbildung von Lehrern – unterhalten.

Unser Zeltlager in Santa Teresa. Der folgende Tag war etwas unzureichend organisiert – zumindest war lediglich eine zweistündige Wanderung nach Hidro Electrica angesetzt. Mit zügigem Schritt gingen wir durch ein wüstenähnliches Tal. Die Sonne brannte heiß und einigen überkam ein Sonnenbrand. Nur wenige Oasen boten schatten und eine wahre Pflanzenbracht. Als beeindruckend empfand ich einen Wasserfall, der dem schwäbischen Blautopf gleich, bei einem Durchmesser von 15 Metern so viel Wasser aus der Felswand hinausdrückte, das ein ganzer Fluss hätte entstehen können.

“Bahnhof” in Hydra Electra.In Hidro Electrica erwatete uns nicht mehr als ein Wasserkraftwerk und der Anfang jener, über Machupicchu/Aguas Calientes nach Cusco führenden Bahnstrecke. In einem Abstand zu den Schienen standen Holzbuden, in denen so manches verkauft wurde. Unweit davon aßen wir zu Mittag. Außer Ruman und mir schien allen die Sonne zu sehr auf’s Gemüt, weshalb sie es vorzogen mit dem Bummelzug nach Aguas Calientes zu fahren, anstatt auf den malerisch schattigen Eisenbahngleisen zum Fuße des Machupicchu zu wandeln. Wir genossen die Stille und Schönheit der Natur inmitten der beiderseitigen Bergriesen, die in ihrer Form mehr und mehr dem bekannten Huyanapicchu glichen.

Anhalter auf den Gleisen.

Über Aguas Calientes möchte nicht viele Worte verlieren. Der Ort ähnelt einem Kurort und besteht fast gänzlich aus Restaurants und Hotels. Jeweils eins davon war an diesem Tage für uns bestimmt. Erwähnenswert ist, dass es dort abgesehen von 27 Bussen die hinauf zur Inkastadt fahren, keine Autos gibt und statt dessen alle Waren mit Sackkarren transportiert werden.

Isla Amantani

Wir legen an. Vor uns ein kahler Berg mit spärlicher Vegetation und verstreuten Häusern. An der Anlegestelle erwarten uns die Einheimischen in ihrer alltäglichen, bunten Tracht. Eigentlich sollten wir jetzt gemäß eines strickten Plans den einzelnen Gastfamilien zugeteilt werden, doch unser “Lonley Planet”-Buch sagte, es sei nicht gut. Schließlich versuchen wir grüppchenweise selbst ein Quartier zu finden, wuden jedoch gleichsam unweigerlich zugeteilt. Unser Gastvater scheint sehr engagiert und führte uns zu seinem Haus nebst Garten. Seine Kinder rennen umher. Sie und seine Frau begrüßen uns mit einem sanften Händedruck – sowas ist hier wohl nicht üblich und stattdessen erlernt. Im ersten Stock des Hauses zeigt man uns unser Zimmer. Drei Betten, zwei kleine Fenster und Stühle erwarten uns hinter der niedrigen Tür. Wir sind nur zu zweit, dass heißt David – ein Chinese, der in den Staaten studiert – und ich. Stolz weißt uns der Herr des Hauses auf eine Art Lizenz hin, Touristen zu beherrbergen.Abermals kann ich mein Spanisch testen und mich nachher ärgern, was ich falsch gesagt habe. Ich versteh, wann es essen gibt und was so über’n Tag zu ansteht.Zunächst gab’s Mittagessen: als Vorspeise eine fade Suppe mit Kartoffeln und Ei drin. Dann einen Teller mit vier verschiedenen Sorten Kartoffeln und einem Tunfisch-Zwiebel-Brei. Es hat alles recht gut geschmeckt, wenngleich ich nicht hätten sehen wollen, unter welchen Umständen es zubereitet wurde. Die Küche glich einem Erdloch mit Feurstelle. Fließend Wasser gab es sowie so nicht und Strom ausschließlich aus Batterien. So liefen beispielsweise ein paar Kinder mit einem Ghetto-Blaster entlang – eine trug eine Musikbox und zwei eine große Autobaterie.Wir trafen die anderen auf dem Plaza – sechs Schwaben, zwei Däninnen, zwei Kanadier und ein Engländer. Alle saßen sie schon mit uns in einem Boot und jetzt sollten wir gemeinsam ein paar Inka-Ruinen bestaunen. Es dauerte nicht lang, da verfolgte uns ein Trupp musizierender Kinder. Die Musik war schön, doch gleich hielten sie ihre bunte Mütze für ein paar Doller auf.

Die im Vergleich zu Cusco hinzugewonnen 400 Höhenmeter wurden fast auf 4000 Meter aufgerundet. Entsprechend hing uns beim Erklimmen der seichten Stufen die Zunge aus dem Hals. Als ich daheim in Deutschland mit dem Finger über die Landkarte fuhr, hatte ich mir diesen Ort wesentlich anders vorgestellt. Nun überkam mich ein Gefühl, all das schon einmal gesehen zu haben. Nahe dem Gipfel erstreckte sich ein Netz von geschichteten Steinmauern und Terrassen. Obenauf ein zweifaches Quadrat aus eben diesen Steinmauern (Panchamama == Mutter Erde). Sofort erinnerte ich mich an die Aron-Islands in Irland. Es war, als hätte ich das falsche Boot genommen.Einzig die schneereichen Gipfel der bolivianischen Cordilleren und die umgebende Szenerie, erinnerten mich daran, wo ich hier gelandet bin. Es war bereits dunkel, als wir uns mit einem Coca-Tee die Hände gewärmt hatten und den “compra” (kauft) rufenden Frauen mit ihren Alpaka-Mützen, -Pullovern, und -Decken entkamen. Fast im Tal angelangt, erschienen mehr und mehr Kinder und fragten nach Dollern. Dieses dreiste und unbegründete Betteln hat uns ganz schön genervt. Wer solchen Bestrebungen nachgibt sollte sich zweier Dinge bewusst sein: (1) Geld für’s Nichtstun verdirbt die Arbeitsmoral (Pavlov) und (2) hilft eher den (zum großen Teil alkoholabhängigen) Vätern. Nachdem uns vor dem Mittagessen der Gastvater mit seiner Frau einen Besuch abstattete, um uns drei Mützen und fünf Freudschaftsbänder zu verkaufen, erschien nach dem Abendesse (Suppe+Reis mit Bohnen) der älteste Sohn mit seiner Panflöte. Ich wollte mich weitestgehend mit ihm unterhalten, doch er kam nur, um uns ein paar Soles wegen, ein Ständchen zu spielen. Wie schade, die Natürlichkeit blieb abermals auf der Strecke. Für den Abend hat man uns alle zum Tanz ins Gemeindehaus eingeladen. Es gab auf der Insel neun Gemeinden mit je 12 Familien. Mit einer dachten wir dort zu feieren, aber es waren abgesehen von den Musikanten nur Touristen da, die Ringelreihe zur Musik umhersprangen. Ich hätte glaub ganz bisschen Alkohol gebraucht, um mich diesem Treiben hingeben zu wollen. Wir glaubten uns im falschen Film. Unser Gastvater war inzwischen irgendwie und irgendwo besoffen geworden. Einem von uns gings wegen des Essens schlecht. Naja, wir plauderten amüsiert bis 10 Uhr, dann war Zapfenstreich, dass heißt, es wurde Zapfenduster – die Gaslampe wurd’ ausgemacht und wir standen da, mit Ponchos behangen und von bunten Mützen bedeckt. Die mit mir gereisten waren jedoch sehr interessante Gesprächspartner. Die Deutschen hatten teils bereits ein Voluntariat in Peru hinter sich, bzw. waren noch dabei. Einer bereitete sich in Arequipe auf seine Diplomarbeit bei einem Stromversorger vor. Ich befand mich also unter Gleichgesinnten. Mit David habe ich auf’m Zimmer noch sehr lang über China gesprochen.

Ich weiß nicht warum, aber seit ich in Peru bin wache ich täglich gegen 6 Uhr – zum Sonnenaufgang – auf. Nach dem Frühstück fuhren wir sogleich zur Isla Taquile.

Nueva casa

Vom ersten Moment an fühlte ich mich bei meiner Gastfamilie heimisch. Für die nächsten vier Wochen wird ihr kleines Reihenhaus samt Hund und Garten mein zu Hause sein. Vollpension im Hotel Mama2 mit eigenem Zimmer, Bergblick und Sprachtraining inklusive. Darüber hinaus hat mir Mama2 alias Isabel schon gezeigt, wie ich mich in die witzigen Minibusse zwängen kann, um in die Stadt zu fahren. Papa2 kenne ich nicht, denn der hat sich scheiden lassen. Dafür habe ich nun ein älteres Schwesterchen namens Claudia. Sie arbeitet in einer Reiseagentur und ist für mich also der perfekte Ansprechpartner, wenn ich mir was angucken möchte. Sie freut sich mit mir Englisch reden zu können und ist brennend daran interessiert, wie man Google überlistet, um ihre geplante Unternehmung auf Platz 1 der Cuscoer Reiseagenturen zu bringen. Ich denke, ich werd ihr ein paar Sachen programmieren und im Gegenzug eins zwei Ausflüge in der Umgebung für lau bekommen. Cusco ist überaus kommerziell in Sachen Tourismus. Es gibt keine Inkastätte, für die man nicht löhnen muss. Am schlimmsten verhält es sich mit dem Inka-Trail und Machu Pichu. Die Unesco reklementiert den Pfad zur Inkakultstette auf 500 gelichzeitige Wanderer, so dass die Verknappung (vielleicht auch zu gunsten der Natur) zu einem erheblichen Preisanstieg führte (500 $). Gleichzeitig besitzt ein schweizer Bahnunternehmen das Monopol auf die einzige Verkehrsanbindung (Eisenbahn) nach Machu Pichu. 100 km kosten schlappe 75 $ für Touristen, wobei Peruaner nicht in den Touristenwagen fahren dürfen und Ausländer nicht in den Wagen der Einheimsichen, deren Tickets nur ein Bruchteil kosten. Aber dazu spärter mehr.