Machinpicchu

Gegen fünf Uhr in der Früh begann unser Aufstieg. 4000 Stufen sollten es sein -wohlgemerkt nur bis zum Eingang / Einlass der verlassenen Inkastadt Machupicchu. Mit Stirnlampe und leichtem Gepäck sprintete ich hinauf. Irgendwann mußte es sich ja bezahlt machen, dass ich fast mein ganzes Leben im vierten Stock ohne Aufzug gewohnt hatte. Ich war eine viertel Stunde zu früh dran – der Laden sollte erst Punkt 6 aufmachen. Und solch ein Ort schickt sich an, eines der “Neuen Sieben Weltwunder” zu werden. Die in Dunst gehüllte Stadt öffnete ihre Pforte und ich erklomm in alter Frische weitere Stufen entlang einer Beschilderung. Irgendwann verschwanden die Schilder und der Weg ward zu einem Tunnel zugewuchert. Als sich das Laub lichtete, sah ich den Huyanapicchu am anderen Ende der Ruinenstadt. Ich war wohl auf dem besten Wege den über 3000m hohen Berg Machupicchu zu besteigen. Stufe für Stufe, Schritt für Schritt auf felsigen Grund, umgeben von Blüten. Ein seltsames spatzenähnliches Vögelchen hüpfte gute 20 Stufen vor mir her und schien mir etwas sagen zu wollen. Zunehmens verspührte ich die Anstrengung und Überwindung, doch noch stand die Sonne hinter den Bergen. Ich setzte mir das Ziel, den Gipfel vor Sonnenaufgang zu erreichen. Zunehmens steilere Stufen und Windungen durch Felsspalten bauten sich vor mir auf.

In eineinhalb Stunden hatte ich gute 1000 Höhenmeter überwunden und siehe da: die Sonne schickte ihren ersten Strahl im selben Moment über den Krat der umliegenden Bergkette. Ich war überaus glücklich und befand wohl noch nie solch einen bezaubernden Ort mit solch einer einzigartigen Stimmung erlebt zu haben. Schon mehrmals fragte ich mich, was Menschen dazu bewegt auf Berge zu steigen – wahrscheinlich ist es ein Adrenalienkick, gepart mit dem Gefühl alles zu überblicken. Ganz klar, in beiden Fällen handelt es sich nur um ein lokales Maximum, doch der Reiz genügt dem Ansporn.

Gipfel des Machu Picchu.

Blick auf die Stadt Machu Picchu vom kleinen Picchu aus.Ich wollte mich nicht sattsehen: der schneebedeckte Salkantay erstrahlt im Morgenrot, der Rio Urumbamba schlingt sich fast gänzlich um die Inkastadt während eine geschlossene Kette von 3000ern den Horizont getsalten. Im Tal wird Hidra Electrica und Aguas Calientes zwischen den vorbeiziehenden Wolken kurzzeitig sichtbar. Vor mir die 10m hohe Fahnenstange, an ihr weht die Flagge der Inkas in den Farben eines Regenbogens. Die Ruinen Machupicchus bleiben vorerst in unsichtbarer Ferne wolkig verhüllt. Nach einer ausgiebigen Rast mit einer Hand voll Cocablätter gegen den Hunger stieg ich langsam hinab. Auf halben Wege traf ich Ruman, der entnervt vor den Touristenströmen flüchtete. Die wenigstens der Busfahrenden Touris tragen taugliches Schuhwerk, um den Machu Picchu zu besteigen. Somit kann man sich auf dem Gipfel ihrer ungestört der Schönheit dieses Fleckchens Erde erfreuen. Unten angekommen wollte mich so recht kein Mauerstein beeindrucken. Mühsam versuchte ich einige Fotos ohne Touristen zu machen. Ein Lama stellte sich mir in den Weg. Um Rotze und Huftritten zu entgehen, hielt ich Abstand und dachte mir einen Foto zu schießen, doch das schlaue Tier zeigte mir sein Hinterteil und wässerte ausgiebig. Ein Zeichen. Ich suchte nach dem Huyanapicchu, um ihn hinaufzuklettern. Man mußte ein Tor durchschreiten auf dem Leuten mit Herzproblemen und ähnlichem vom Aufstieg abgeraten wurde. Ein Eintrag in ein Logbuch war obligatorisch. Der Rekord im Aufstieg lag bei 22 Minuten. Ich brauchte doppelt so lang und schnaufte wie manch amerikanischer Rentner an den steilen Treppenwänden. Ich hätte vielleicht was frühstücken sollen, denn ein halber Liter Wasser bringt null Energie. Irgendwann kam ich da an, wo es nicht mehr höher ging und sah wie hoch doch der Machupicchu im Vergleich zu diesem Berg war. Einzig der wolkenfreie Blick auf die granitgraue Stadt entschädigte die Anstrengung. Runterzus emfand ich’s einfacher zu rennen und zu springen. Ab 10 Uhr genoss ich die Sonne im Biergarten und frühstückte soweit es mein mitgebrachtes Geld zuließ.

—Noch ein paar mehr Bilder (in voller Größe zeigen sich die Bilder, wenn man sie anklickt).

Salkantay Treck

Mama2 hat mir gerada Apfelmus mit Roter Beete und einer Art cordon bleu samt Spinat serviert. Und ich dachte schon meine Art zu kochen sei experimentell. Na gut, alles für sich hat geschmeckt und ich nehm’ mit was geht. So wollte ich mir es auch nicht nehmen lassen zu Fuss nach Machupicchu zu gehen. Die Inka wählten bei ihrer Flucht vor den Spaniern diesen, nach ihnen benannten ‘Trail’ aus. Heute wird dieser Fluchtweg als besonders schön gepriesen, und eine jede der 500 Lizenzen den Pfad zu beschreiten teuer verkauft. Doch viele Wege führen nicht nur nach Rom und so gibt es bestimt ein Dutzend Wegelchen, die man zu Fuß, per Rad und im Rafting-Boat nach Machupicchu einschlagen kann. Auf Anraten von Claudia – meiner Gastschwester – entschied ich mich zusammen mit Pia für die Salkantay-Tour. Pia war vier Tage nach dem urumbambastialen Hühnerfraß immer noch nicht fit und auch mir hatte sich zwei Tage vor Antritt des Marsches nach maßlosem dinieren noch einmal der Magen umgedreht. Es erschien mir als eine Lehre, doch für Pia tat’s mir abermals Leid. Nun saß ich, an meinen Rucksack gekuschelt, im arschkalten Bus nach Mollepata. Nach und nach schleppten die einzelnen Agenturen ihre angeworbenen Teilnehmer herzu. Darunter viele Paare und natürlich unsere Guides, Köche und Pferdeführer (zusammen 6 für 15 Wanderer). Als mir früher Verwandte von ihrer Wanderung auf den Kili erzählten, wie sie mit Trägern und Köchen den Berge erklommen, erschien mir das als halbe Leistung und herrlich im Sinne des Wortes. Nun sollte ich das Dilemma verstehen, was einem untrainierten, aber dennoch wanderfreudigen Touristen widerfährt, wenn er mangels Zeit und Angebot gar nichts anderes über sich ergehen lassen kann. Zunächst behielt ich meine sieben Sachen im Rucksack und ertrug selbigen auf sonntäglich leichten Wegen, hinauf auf 2900m. Zwischendrin gab’s ein einfaches Frühstück und ein ebenso simples, wenn auch dreigängiges Mittagessen nahe Cruzpata. Der Himmel war grau und wolkenverhangen, alles wirkte nicht gerade fotogen oder malerisch. Der Weg windete sich in seiner leichten Steigung schier unendlich oft. Die landschaftlichen Langeweile bot somit ausreichend Gelegenheit, die Leute in der Gruppe etwas kennenzulernen. Darunter einige Kurzurlauber (< 3 Wochen) aus den Staaten, Kanada und Deutschland; ein Paar aus England, welches sich nach einjähriger Reise beruflich völlig neu orientieren wollte; ein kalifornischer Voluntär und ein interessanter Soziologieprofessor aus Sofia, der sich von einer Konferenz aus Buenos Aires abgeseilt hatte. Alle samt sympathisch. Es wurde langsam dunkel und vor uns bauten sich massive Gletscher auf. In der auf 2900m gelegenen (Soray)Pampa schlug man unsere Zelte auf. Zugleich belohnten wir uns mit einer Flasche Cusquena-Bier und warteten im zugigen Essenszelt den Beginn des Abendmals ab. Spätestens nach dem Briefing um 20 Uhr wollte ich schlafen, denn schließlich hatte ich die letzte Nacht schon fast durchgemacht. Mein Schlafsack erwies sich jedoch als viel zu warm.

Der nächste Morgen ließ auf viel Sonne hoffen und so liefen wir ihr noch vor ihrem Erscheinen entgegen. Ein Adler beobachtete, wie wir uns schweren Schrittes die Serpentinen hinauf bewegten. Vorbei an einem Bergsee erreichten wir noch vor dem Mittag den Pass am Berge Salkantay.

Bergsee, kurz vor dem Pass.

Pass auf 4600m Höhe.

Der Berg Saikantay.4600 Meter über’m Meer war die Luft derart ausgedünnt, dass ich bei einem Nickerchen im sonnigen Windschatten mehrmals aus atemnot aufwachte. Ich hatte offenbar nicht tief genug ein- und ausgeatmet und glaubte fast zu ersticken. Nach zwei Stunden waren dann auch die letzten unserer Gruppe eingetrudelt und nach kurzem Verschnaufen gings bergab nach Huayracmachay zum Mittagessen am Bach. Umzingelt von Schweinen, Hunden und Pferden kochten unsere Köche ein Schmackofatz. Viel Zeit zum Verdauen sollte uns nicht bleiben, denn in drei Stunden wurd’s dunkel.

Etwas Jungel.Endspurt war angesagt. Bergab – zum Glück. Auf einem schmalen Trampelpfad wanderten wir zügigen Schrittes aus der bergigen Landschaft in zunehmens grünere Gefilde – auch Jungel genannt. Einzig die vielen Mulis und Pferde bremsten unser Vorankommen. Vorbeikommen war schwierig, wenn man Respekt vor Huftritten hatte und den Besitzer nicht  zu überzeugen wußte. In einem Tal (Challway) glänzten unsere Zelte im Abendlicht. Diesmal gab’s sogar fließend Wasser aus Rohren und ein duftes französisches Plumsklo. Kühles Bier war uns jedoch zunächst wichtiger. Am dritten Tag blieben uns die schmalen Pfade samt Packtieren erhalten, wenngleich die Vegetation um so blütenreicher und dichter wurde. Ein gutes dutzend Bäche und Wasserfälle galt es auf Steinen oder Holzstegen zu überqueren. Das Geröll auf dem Weg glitzerte zunehmens – es war Silber, wie unser Guide versicherte. Die Anwohner schöpften ihren Lebensunterhalt jedoch aus dem Verkauf von Getränken, Schockoriegeln und Früchten. Die angebotenen Bergtomaten, Grenadillas, Bananen, Avocados und Papayas wuchsen gleichsam am Wegesrand. In Lluscamayu nahmen wir zusammen mit gut hundert Tourismusstudenten (die kein Wort Englisch sprachen!!) unsere mittägliche Malzeit ein. Anschließend fuhren wir mit einem geborgten Van zu einem Termalbad. Während der Fahrt wechselte der Fahrer mehrmals mit einer entgegenkommenden Person. Der letzte Austauschfahrer hatte vor einer Kurve vergessen zu hupen und deshalb fast einen Motorradfahrer aufgegabelt. Naja, wir gammelten nun den Rest des Tages in lauwarmen Wasserbecken, die zum Schwimmen zu warm und zum Erholen zu kalt waren. Bier entpuppte sich als die eindeuitig besser temperierte Flüssigkeit – ebenso am Abend im nahegelgenen Zeltlager in Santa Teresa. Mit Ruman, dem bereits erwähnte Professor aus Sofia, habe ich mich gut und lang über sein Forschungsgebiet – die Ausbildung von Lehrern – unterhalten.

Unser Zeltlager in Santa Teresa. Der folgende Tag war etwas unzureichend organisiert – zumindest war lediglich eine zweistündige Wanderung nach Hidro Electrica angesetzt. Mit zügigem Schritt gingen wir durch ein wüstenähnliches Tal. Die Sonne brannte heiß und einigen überkam ein Sonnenbrand. Nur wenige Oasen boten schatten und eine wahre Pflanzenbracht. Als beeindruckend empfand ich einen Wasserfall, der dem schwäbischen Blautopf gleich, bei einem Durchmesser von 15 Metern so viel Wasser aus der Felswand hinausdrückte, das ein ganzer Fluss hätte entstehen können.

“Bahnhof” in Hydra Electra.In Hidro Electrica erwatete uns nicht mehr als ein Wasserkraftwerk und der Anfang jener, über Machupicchu/Aguas Calientes nach Cusco führenden Bahnstrecke. In einem Abstand zu den Schienen standen Holzbuden, in denen so manches verkauft wurde. Unweit davon aßen wir zu Mittag. Außer Ruman und mir schien allen die Sonne zu sehr auf’s Gemüt, weshalb sie es vorzogen mit dem Bummelzug nach Aguas Calientes zu fahren, anstatt auf den malerisch schattigen Eisenbahngleisen zum Fuße des Machupicchu zu wandeln. Wir genossen die Stille und Schönheit der Natur inmitten der beiderseitigen Bergriesen, die in ihrer Form mehr und mehr dem bekannten Huyanapicchu glichen.

Anhalter auf den Gleisen.

Über Aguas Calientes möchte nicht viele Worte verlieren. Der Ort ähnelt einem Kurort und besteht fast gänzlich aus Restaurants und Hotels. Jeweils eins davon war an diesem Tage für uns bestimmt. Erwähnenswert ist, dass es dort abgesehen von 27 Bussen die hinauf zur Inkastadt fahren, keine Autos gibt und statt dessen alle Waren mit Sackkarren transportiert werden.