Neue Fotos vom KZ-Außenlager Görlitz und einigen Überlebenden

Auf einen älteren Beitrag hier im Blog erreichte mich im Juni 2017 ein Kommentar und vor wenigen Tagen dann ein Anruf von einem Nachfahren eines Überlebenden des KZ-Außenlagers Görlitz. Von persönlichen Andenken, die über die Zeit in den KZs hinweg gerettet wurden, und von Fotos, die nach der Befreiung entstanden sind, war die Rede. Heute nun erreicht mich ein dicker Brief mit Leihgaben von Bilder, Schreiben und beeindruckenden Erinnerungsstücken.

Die Herkunft einiger Bilder bzw. der Ort der Aufnahme muss in einigen Fällen noch ermittelt werden. Zwei Bilder wurden im KZ Dachau aufgenommen (siehe [1]). Die Namen der abgebildeten Personen bzw. Überlebenden ist teilweise auch nicht bekannt.

Ich bin sehr dankbar für diese außergewöhnliche Leihgabe.

2. Auflage: Die KZ-Außenlager Görlitz und Rennersdorf

Heute vor 67 Jahren wurde das KZ-Außenlager Görlitz durch Soldaten der Roten Armee befreit. Anläßlich dieses Jahrestages möchte ich die zweite, überarbeitete Auflage meines Buches “Die KZ-Außenlager Görlitz und Rennersdorf” an dieser Stelle veröffentlichen.


Offiziere und Soldaten der Roten Armee, kurz nach der Befreiung des Lagers.

Anliegen des Buches ist es, die Gräuel des NS-Terrors jenseits von Buchwald und Auschwitz anhand der Erscheinung der KZ-Außenlager Görlitz und Rennersdorf exemplarisch zu vergegenwärtigen. Wer etwas über den Holocaust erfahren will, braucht nicht unbedingt in eine der bekannten KZ-Gedenkstätten fahren, wenn sich dutzende stille und unscheinbare Erinnerungs- und Gedenkorte in unmittelbarer Nachbarschaft befinden. Die in diesem Werk dokumentierten Geschehnisse leisten einen Beitrag für eine regionale und öffentliche Auseinandersetzung mit den zurückliegenden Diktaturen im Sinne einer zeitgemäßen Erinnerungsarbeit. Nicht zuletzt, um fremdenfeindlichen Tendenzen in der Oberlausitz entgegenzuwirken und den europäischen Dialog zu fördern.

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Für die Herausgabe einer zweiten Auflage habe ich zwei Gründe. Erstens waren die 500 Exemplare der ersten Auflage im Neisse Verlag innerhalb von neun Monaten beim Verlag vergriffen und zweitens erlangte ich durch Leserbriefe, Rezensionen und nicht zuletzt durch die Auszeichnung mit dem Sächsischen Landespreis für Heimatforschung (Jugendpreis) vielfache Hinweise, das bestehende Werke zu verbessern und gewisse Abschnitte zu vertiefen.
Um die Verfügbarkeit künftig länger aufrecht zu erhalten, habe ich mich bewusst für eine digitale Publikation unter der freien Lizenz von Creative Commons entschieden. Neue Erkenntnisse sollen somit schneller zum Leser gelangen

Eine Übersicht über die Änderungen dieser Version sind im changelog verzeichnet.

John Demjanjuk und der Görlitzer Lagerkapo Jacob Tannenbaum

Jacob Tannenbaum war einerseits Häftling im KZ Außenlager Görlitz und andererseits auch Handlanger der SS. Als Lagerkapo hatte er den zweithöchsten Posten innerhalb der Häftlingsselbstverwaltung inne. Bevorteilt durch eine bessere Unterkunft und Verpflegung war er von Zwangsarbeit befreit, doch zur Härte gegenüber anderen Gefangen verpflichtet. “Wenn du heute nicht auf die Häftlinge einschlägst, bist du morgen selber dran” umschrieb ein anderer Funktionshäftling den Konflikt zwischen Selbsterhalt und Mitgefühl im System der Konzentrationslager. Tannenbaum, so viel ist durch Zeuge überliefert, rechtfertigte seine Position als Lagerkapo gegenüber der SS durch Folter und Mord an anderen Gefangenen.

Der Displaced Persons Act ermöglichte Jacob Tannenbaum, im Dezember 1949 die Einreise in die USA, wo man ihm im März 1955 die amerikanische Staatsbürgerschaft zuerkannte [1].
Im Mai 1987 wird Tannenbaum von Leon Hostig, einem ehemaligen Görlitzer Häftling, als Mörder seines Bruders erkannt und bei der Polizei angezeigt. Der Fall Tannenbaum erregt internationales Aufsehen in den Medien und bei jüdischen Organisationen [2].
In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 4. Mai 1987 heißt es [4]:

Das Justizministerium arbeitet an der Ausweisung des 75 Jahre alten orthodoxen Juden Jacob Tannenbaum, der während des Krieges als Aufseher aus den Reihen der Häftlinge im Arbeitslager Görlitz Mithäftlinge geschlagen und gequält haben soll. Das berichten Kreise des Ministeriums in Washington. Tannenbaum, der die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitet und seine Frau, ein Neugeborenes, Vater, Mutter und fünf Schwestern in Konzentrationslagern verloren hat, lebt seit 1949 in New York. 1955 bekam er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach Angaben des Justizministerium wird seit 1970 gegen ihn ermittelt. Die israelische Regierung habe zahlreiche Informationen zu dem Fall geliefert und auch Belastungszeugen genannt.

In Anbetracht seines hohen Alters und seiner Geständigkeit ließ die Justiz von einer Ausweisung ab und beließ es bei der Aberkennung der staatsbürgerlichen Rechte. In ähnlichen Fällen hatten die USA bereits John Demjanjuk nach Israel und Karl Linnas und Feodor Fedorenko in die UDSSR ausgewiesen [3]. Im Unterschied zu Demjanjuk, Kinnas und  Fedorenko war Tannenbaum erstens ein Jude und zweitens für weitaus weniger Morde verantwortlich als die anderen.
Der Fall Tannenbaum erregte damals dennoch die Gemüter. Nicht nur im Justizministeriums sondern insbesondere in der orthodoxen jüdischen Gemeinde, welcher Tannenbaum in New York angehörte. Man scheute einen Skandal, in dem ein orthodoxer Jude öffentlich durch ein Gericht als schwer krimineller Komplize der SS entlarvt wurde.
Jeffrey Sweet thematisierte den Stoff in dem Theaterstück “The Action Against Sol Schumann”, was mittlerweile in vielen Theatern aufgeführt wurde. In Deutschland wurde Stück bisweilen noch nicht aufgeführt – auch nicht im Theater Görlitz/Zittau.

Herbert Reubens im Stück “The Action Against Sol Schumann” (Photo © Amy Feinberg)

Quellen
[1] Bekanntgabe des United States Department of Justice vom 12. Mai 1987.
[2] Ebenda. Vgl. auch: Schlomo Graber: Schlajme, S. 82.
[3] Weitere belegte Fälle: Algimantas Dailidė (UDSSR); Boļeslavs Maikovskis (UDSSR) und Anton Geiser, der sich der Auslieferung durch die USA bis heute entziehen konnte.
[4] Siehe auch: weitere Presseberichte in den USA.

Filmdokument: Kriegsverbrecher-Prozeß in Görlitz

Erstmals habe ich historisches Filmaterial über das Verfahren gegen die zwei „Hauptschuldigen NS-Verbrecher“ in Görlitz gefunden. Ich meine den im Volksmund bekannten Malitz-Meinshausen-Prozeß gegen Dr. Bruno Erwin Fritz Malitz, so der vollständige Name des ehemaligen NSDAP-Kreisleiters in Görlitz, und gegen den ehemaligen Görlitzer Oberbürgermeister Dr. Hans Friedrich August Meinshausen. Read More